"Nie aufhören anzufangen!"
Ohne die fördernden Mitglieder und Spender wären unsere zahlreichen ehrenamtlichen Projekte nicht zu realisieren. Kontakt zu den Spendern hält Fritz Penserot, Fundraiser im Landesverband Nord. Er weiß: Viele der Spender sind selbst im hohen Alter und wollen der Gesellschaft etwas zurückgeben. Manche von ihnen sind sehr einsam. Im Interview berichtet der 65-jährige gebürtige Rheinland-Pfälzer, wie wir helfen könnten.
Spielt in den Gesprächen mit unseren Fördermitgliedern das Thema Einsamkeit eine Rolle?
"Das Thema Einsamkeit taucht in den Gesprächen mit Fördermitgliedern gelegentlich dann auf, wenn sie uns anrufen, um mitzuteilen, dass ihr Ehe- oder Lebenspartner verstorben ist und wir deswegen Kontaktdaten ändern sollen. Interessant sind in diesem Zusammenhang die geschilderten Ursachen für die Einsamkeit: Die Kinder leben in weiter Entfernung und sind beruflich stark gebunden, sodass sie die Eltern nur selten besuchen können. Manche Anrufer schildern, dass sie sich schämen, ihren Wunsch nach Gesellschaft offen zu kommunizieren, manche fühlen sich selber zu träge, um etwas an ihrer Situation zu ändern. Sie lenken sich durch Medienkonsum ab. Einige von ihnen sind nicht mobil genug, dass sie die Wohnung verlassen könnten oder sie kennen keine Angebote in ihrer Umgebung, die passen würden. Einige Anrufer haben keine gemeinschaftsstiftenden Hobbies, sie sind nicht ehrenamtlich engagiert, haben keine Aufgabe, durch die sie mit anderen in Kontakt kommen könnten und durch die sie Anerkennung finden könnten. Mit sozialen Medien sind sie meist nicht vertraut. Ein besonderes Phänomen ist, dass sich viele Menschen gerade dann einsam fühlen, wenn sie in öffentlichen bzw. öffentlich erreichbaren Räumen sind: alleine im Café zu sein, alleine im Restaurant, alleine im Konzert… das sind Situationen, in denen viele Menschen ihre Einsamkeit besonders deutlich spüren."
Was können die Johanniter deiner Meinung nach gegen Einsamkeit unternehmen?
"Die in vielen Verbänden vorhandenen Dienste bieten bereits Ansätze gegen Einsamkeit: Seniorenbegleitung, Hundebesuchsdienste, Senioren-Tagespflege u.v.a. Wir erreichen hier meist solche Menschen, die aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit Kontakt mit den Johannitern haben. Viele andere Menschen jedoch, die eher einen „allgemeinen Wunsch nach Gesellschaft“ haben, werden durch solche Angebote in der Regel nicht erreicht. Drei Vorschläge fallen mir dazu ein:
Vorschlag 1: Es sollte mehr offene, niederschwellige Angebote geben, auf die Menschen mit dem Wunsch nach Gesellschaft oder nach Unterstützung zugreifen können. Das müssen keine Angebote der Johanniter sein. Aber die Johanniter könnten diese Angebote und ihre Erreichbarkeit koordinieren: Im Rahmen eines „Quartiermanagements“ werden Dienste gebündelt, die ein Leben im Quartier verbessern und es ermöglichen, dass Menschen länger und selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden leben können. In Wohnanlagen für Betreutes Wohnen bieten wir einen ähnlichen Service bereits an - es müsste also auf ein Stadtviertel ausgeweitet werden. Beispiele: Offene Treffpunkte in Cafés, die regelmäßig stattfinden und an denen jedermann teilnehmen kann, Einkaufsfahrten für Senioren, gemeinsame Museumsbesuche, Nachbarschaftsstreffs, Sporttreffs oder gemeinsame Spaziergänge. Wir Johanniter könnten diese Treffs ehrenamtlich begleiten, Ideen bündeln, Angebote vernetzen, eventuell einen Fahrdienst bereitstellen - da gibt es zahlreiche Möglichkeiten.
Vorschlag 2: Fortbildungen sind wichtig als Antwort auf die Einsamkeit: Man lernt oft in Gemeinschaft, hat ein gemeinsames Thema. Das ist eine hervorragende Grundlage, sich mit anderen zu treffen und den Geist wach zu halten. Die Johanniter könnten Fortbildungsmöglichkeiten im Quartier sammeln, sie vernetzen, sie kommunizieren und das Aufsuchen der Veranstaltungen ggf. unterstützen. Themen könnten sein: Umgang mit dem Smartphone, mit Sozialen Netzwerken oder Erste Hilfe für Senioren.
Vorschlag 3: Ehrenamtliches Engagement ist das beste Mittel gegen Einsamkeit. Wer sich ein Thema zu eigen macht und dies für die Gemeinschaft aufbereitet und zur Verfügung stellt, wird Gesellschaft finden, Anerkennung, Bestätigung und auch sein Selbstbewusstsein stärken. Die Johanniter bieten zahlreiche Möglichkeiten des Engagements: Wir könnten interessierte Personen zum ehrenamtlichen Engagement gezielter einladen, zum Beispiel aus den Reihen unserer Fördermitglieder, sie entsprechend fortbilden und ihren Dienst unterstützen."
Was müsste sich gesellschaftlich ändern, damit Menschen nicht einsam werden?
"Das Thema „Einsamkeit“ darf kein Tabu-Thema sein. Es muss offen und intensiv kommuniziert werden, dass unsere Gesellschaft – durch die wachsende Mobilität der Familien, durch die Auflösung der Familienstrukturen und durch die fortschreitende Digitalisierung der Kommunikation - jeder für sich alleine am Smartphone – strukturelle Einsamkeit hervorbringt und dass es daher ganz selbstverständlich eine Aufgabe ist, Wege aus der Einsamkeit zu suchen und anzubieten. Es muss ganz selbstverständlich werden, dass es in jedem Quartier Treffs und Angebote für Menschen mit dem Wunsch nach Gesellschaft gibt."
Gibt es in deinem persönlichen Umfeld einsame Menschen?
"Ja, die gibt es. Ich rufe einsame Menschen in meinem Bekanntenkreis häufiger an und besuche sie immer wieder mal oder unternehme gelegentlich etwas mit ihnen. Z.B. gibt es jüngere einsame Menschen, mit denen ich eine Radtour mache, mit denen ich ins Café gehe oder eine Veranstaltung besuche. Ich gebe außerdem den Anstoß, dass diese Personen auch andere Menschen aus ihrem Bekanntenkreis anrufen und sich mit ihnen treffen."
Was ist dein ganz persönliches Rezept gegen Einsamkeit?
"Ganz klar: Ehrenamtliches Engagement und lebenslanges Lernen. Nie aufhören anzufangen!"