27.12.2024 | Johanniter-Schwesternschaft e.V.

Worte zur Jahreslosung 2025

Foto: N. Schwarz © GemeindebriefDruckerei.de

Liebe Johanniterschwestern, liebe Johanniter,

vom französischen Philosophen Voltaire stammt der Satz: „Das Bessere ist der Feind des Guten". Beim ersten Lesen klingt dies zunächst nach einem Widerspruch. Sind wir nicht stetig bemüht die alltäglichen Lebensbedingungen, sei es im Privaten, sei es am Arbeitsplatz zu verbessern, damit es für uns leichter wird und somit die „work-life-balance“ gelingen kann. Ist es nicht eine gute Gabe, dass wir mit unserem Verstand Dinge weiterentwickeln, verbessern? Ich denke zum Beispiel konkret an das Ganglabor in unserer Klinik. Wer will bezweifeln, dass dieses Zusammenspiel von Robotik und therapeutischem Fachwissen eine große Verbesserung des therapeutischen Erfolgs für die Patientinnen und Patienten einerseits und andererseits eine große, unterstützende Hilfestellung für das Therapeutenteam darstellt.

Jedoch kann ich diesen Gedanken nicht so einfach wegwischen: das Bessere als der Feind des Guten. Als hätte Voltaire geahnt, wohin die Reise für uns Menschen geht, wenn wir mit dem Guten nicht mehr zufrieden sind; wenn alles noch perfekter sein muss. Wir können uns so sehr auf das Bessere konzentrieren, das wir das Gute aus dem Auge verlieren. Mir will es scheinen, dass Voltaire um eine Gefahr wusste, die die abgrundtiefe Unzufriedenheit in uns kultiviert. Nie ist es genug. Und so kommen wir nicht zur Ruhe und unsere Seele ermüdet, wird vielleicht sogar krank daran. Am Ende könnte es sein, dass uns das Empfinden für das, was gut ist, was uns guttut als „Vitalbindung“, wie es Viktor von Weizsäcker bezeichnet hat, verloren geht. Und gerade für unser Tun in den Johannitereinrichtungen, die sich den verletzten Seelen der Menschen täglich zuwenden, liegt gerade darin die Herausforderung, jene Vitalbindung im Patienten, in der Patientin wieder zu entdecken, zu aktivieren, damit sie sich wieder „im Leben“ lebendig fühlen.

Und jetzt kommt für mich die Jahreslosung für das neue Jahr ins Spiel:„Prüft aber alles und das Gute behaltet“ aus dem 1. Thessalonicherbrief 5,21 ins Spiel. Für Paulus war wichtig, dass wir stets gefordert sind, unsere Handlungen zu überprüfen, gerade dann, wenn sie „routinemäßig“ ablaufen. Wenn das Gute geprüft wird, dann heßit es, Dinge zu hinterfragen, um auf das Wesentliche zu stoßen, das für Paulus das Gute ist. Dieses Gute ist eingebettet in das, was Gott für uns Gutes getan hat, als er die Welt erschaffen hat mit der stetigen Bestätigung, dass es gut war; als er im Kind von Bethlehem einer von uns wurde, so wie es in einem alten Weihnachtslied heißt: "Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute.“ Das Menschsein ist für Gott so gut, dass er es an sich bindet und uns ermutigt, Mensch zu bleiben. Dieser Gott im Kind von Bethlehem bindet die menschliche Verletzlichkeit an seine Person. Darin nimmt er uns wahr und versteht, worunter wir letztlich leiden. Und diese Gewissheit tut gut, da sie uns ermutigt, dem Leben zu vertrauen.

So wird das Gute, das wir prüfend entdeckt haben, zum Fundament für unser Leben. Und zugleich für die Gestaltung unseres Alltags in unseren Einrichtungen im Dienst an den „Herren Kranken“. Vielleicht macht diese Grundhaltung unsere Lebensgestaltung bescheidener, das Gute reicht völlig aus für ein erfülltes Leben. Ich wage zu behaupten: es macht nachhaltiger im Umgang mit der uns anvertrauten Welt, mit den uns anvertrauten Menschen. Es macht lebensbejahender. Denn Gott ist es, der Ja sagt zu uns; dass alles gut ist. Im Guten scheint das Glück, nach dem wir uns sehen, eingefasst zu sein. Wir werden ermutigt, nicht fatalistisch die Dinge hinzunehmen. Wir sollen prüfen, damit das Gute deutlicher hervortreten kann.

Liebe Johanniterschwestern und Johanniter, wir sollten uns in der Jagd nach dem Besseren nicht verlieren in der Unzufriedenheit, sondern mit wachen Blicken und wachem Verstand prüfen, was uns gegenseitig guttut, Zufriedenheit schenkt in den alltäglichen Begegnungen mit unseren Patientinnen und Patienten sowie untereinander im Team: Freundlichkeit, Verlässlichkeit, Aufmerksamkeit und Verständnis. In Jesus Christus begegnet uns Gott auf diese Weise. Das tut uns allen gut. In dieser Atmosphäre können Vertrauen, Hoffnung und Liebe wachsen. Ich wünsche uns allen ein gesegnetes Jahr 2025.

Bernd Kollmetz, Seelsorger in den Johanniter-Ordenshäusern Bad Oeynhausen