Nach-gedacht: Worte zum Neuen Jahr 2024
Liebe Johanniter,
in seinen Überlegungen über das Glück verweist Hermann Hesse darauf, dass der Mensch, so wie ihn Gott gedacht habe und wie ihn die Dichtung und Weisheit der Völker manche tausend Jahre lang verstanden hat, mit einer Fähigkeit erschaffen wurde, sich an Dingen zu erfreuen. Dabei müssen sie ihm nicht immer nützlich sein. In uns gibt es ein „Organ“ für das Schöne, so der Schriftsteller. Es ist dieses Wort „Glück“, das ihn zurückführt in seine Kindheit, weil sich im Glück „die Teilhabe am Glanz der ewigen Gegenwart“ ausdrückt.
Und wenn das Leben sich inmitten von Drangsalen und Gefährdungen wiederfindet, so kommt diese Fähigkeit trotzdem nicht zum Erliegen, sie bleibt in ihm als tiefe Sehnsucht gegenwärtig. Wenn ich mich mit den uns anvertrauten „Herren Kranken“ unterhalte, die diese Erfahrung gemacht haben, dann bestätigt sich bei mir diese Überzeugung. Gerade dann, wenn es nicht vermutet wird, stellt sich trotzdem der Augenblick des Glücksempfindens ein: im Farbspiel in der Natur, im Hören von Musik oder im Lesen wohltuender Worte. Hinter der Oberfläche von Hoffnungen und Nöten bleibt die Welt sichtbar und fühlbar. Daher kommt Hermann Hesse zur Erkenntnis: „Kein Zweifel, dieses Wort Glück kam nicht aus Wörterbüchern und Schulstuben, es war nicht erdacht, abgeleitet oder zusammengesetzt; es kam aus dem Himmel wie ein Sonnenlicht. Wie gut, wie tröstlich, dass es dieses Wort gibt.“ Glückliche Momente sind lichte Augenblicke im Leben. Und ein jeder von uns weiß um diese persönlichen Erfahrungen.
Wir stehen am Anfang eines neuen Jahres. Viele gute Wünsche, u.a. nach einem glücklichen Jahr 2024 sind ausgesprochen, verbunden mit guten Vorsätzen und der Hoffnung, dass sie dem Glück sogar auf die Sprünge helfen werden. Und es möge friedlicher werden als das vergangene Jahr. Beim Lesen der Jahreslosung kommt in mir die Frage auf, ob gleiches auch über das Wort „Liebe“ gesagt werden kann: „Alles was ihr tut, geschehe in Liebe (1 Kor 14,16).“ Noch liegt alles im Vagen, undeutlich in seinen Umrissen vor uns. Können wir dennoch erkennen, dass mit der „Liebe“ uns eine Fähigkeit geschenkt ist, dem Leben in seinen Höhen und Tiefen zu vertrauen, gerade in Augenblicken des Zweifels? Schenkt sie uns innere Kraft und Geborgenheit, auch wenn es anders kommen wird als geplant?
Paulus verweist seine Gemeinde, die sich schwer tut mit dem Glauben angesichts der Weltwirklichkeit, auf den Grund des Lebens. Und so werden diese Zeilen aus längst vergangener Zeit auch an uns gerichtet. Gottes Liebe hat in dem Kind von Bethlehem seinen Weg in diese Welt unwiderruflich gefunden und wohnt nun mitten unter uns. Und deshalb soll diese „gestaltgewordene Liebe“ durch unser Tun in dieser uns anvertrauten Welt sichtbar bleiben bzw. werden: aus Liebe zum Leben! Jeder an seinem Platz, jede mit ihrer ganz persönlichen Fähigkeit, dieser Liebe ein Gesicht zu geben. Gott hat uns mit der Fähigkeit zur Liebe begabt, beschenkt. Sie gilt nicht nur unseren Patientinnen und Patienten, sondern uns allen, die wir in der Gemeinschaft unter dem Johanniterkreuz leben und arbeiten.
Liebe Johanniter, bei all unserem Suchen nach dem Glück, das unserem Leben seine notwendige Spannung gibt, sollten wir diesen Augenblick des Glückes nicht aus dem Auge verlieren, der aus dem Himmel kommend unseren Weg durch das vor uns liegende Jahr liebevoll ausleuchten will. Ich wünsche uns viele glückliche und durch Liebe ausgefüllte Momente, die aus der Fähigkeit des Glaubens wachsen will auch gehen; denn mein Glück ist, dass ich von Gott geliebt werde, damit ich aus Liebe zum Leben meinen Weg gehen kann und werde.
Bernd Kollmetz
Seelsorger in den Johanniter-Ordenshäusern Bad Oeynhausen und
Fördermitglied der Schwesternschaft