True-Crime-Stories im Nedderntor
Neulich im Johanniter-Treff am Nedderntor in Gehrden: Krimiautor Manfred Henze versetzt die Bewohnerschaft der Wohnanlage in eine düstere Vergangenheit – mit Geschichten rund um Hannover. Stories, die auf Tatsachen beruhen.
Wenn Manfred Henze zu seinem Buchstapel greift, folgt meist eine Geschichte, die im Publikum den einen oder anderen Schauer erzeugt. „Wohligen Grusel“, wenn es so etwas tatsächlich gibt. Denn Henzes Bücher beruhen vor allem auf tatsächlichen Gegebenheiten. Die liegen zwar viele Jahrzehnte oder auch mehr als 100 Jahre zurück. Aber die Schicksale berühren auch heute noch. Und noch etwas: Manfred Henze, ein einstiger Polizist, kommt aus Neustadt am Rübenberge. Und konzentriert sich voll und ganz auf Schicksale aus eben dieser Region rund um Hannover. Also auch auf Familien, deren Nachfahren unter Umständen heute noch vor Ort leben. „Auch mein Ur-Ur-Ur-Großvater war um 1820 Landdragoner im Calenberger Land. Also eine Art Polizist“, erzählt Henze bei seinem jüngsten Besuch in der Seniorenwohnanlage am Nedderntor in Gehrden. Eingeladen hatte ihn die Leiterin Ulrike Rauter vom Johanniter-Treff.
Im gesamten Calenberger Land ist der Johanniter-Ortsverband Deister aktiv; mit Kindertagesstätten, Hausnotruf-Einsätzen oder auch Jugendarbeit, Erste Hilfe sowie Sanitätsdiensten. In Gehrden ist der Verband Kooperationspartner für die Wohnungsgenossenschaft Ostland. Im Johanniter-Treff ist Ulrike Rauter Ansprechpartnerin für Dinge des Alltags; sie organisiert aber auch regelmäßige Angebote für Gemeinschaftsaktionen. Die Bewohnenden rücken dann zusammen. Bei gutem Essen, manchmal bei Livekonzerten oder gemeinsamem Erzählen. Erstmals war nun der Neustädter Autor Manfred Henze eingeladen.
Die Geschichten, die er mitbrachte, passen mit ihrer düsteren Stimmung perfekt zur kalten Jahreszeit und der frühen Abenddämmerung. Henze, ein seit 2015 pensionierter Polizist, war seit 1970 im Polizeidienst. Im Ruhestand schreibt er nun Bücher. So wie im jüngsten Titel „Kaffmörder“ geht es da überwiegend um norddeutsche Fälle für ein norddeutsches Publikum. Die recherchiert er genauso detailliert, wie er sich auch heute ehrenamtlich für Opfer von Kriminaldelikten engagiert – im Verein Weisser Ring, dessen hannoversche Außenstelle Henze leitet.
„Mich stört, wenn ein Täter immer noch so bekannt ist“, sagt Henze. Er spielt dabei nicht nur auf den als „Axtmörder“ bekannt gewordenen Fritz Haarmann an, der vor 100 Jahren sein Unwesen trieb. Und in der Roten Reihe in Hannover wohnte. Dem selben Haus, wo 25 Jahre zuvor ein ebenso gewalttägiges Paar wohnte; Fritz Erbe und Dorothee Buntrock. Auch so bekannte Namen. Manfred Henze widmete sich ausgiebig auch den Opfern und schaut bei weniger bekannten Fällen hinter das Augenscheinliche. Warum vollbrachten Menschen bestimmte Verzweiflungstaten? Else Rabe etwa, die im Winter 1883 aus Angst vor ihrem Dienstherrn ein Neugeborenes sterben ließ. Sie war nicht nur Täterin, sondern zugleich ein Opfer der damaligen Umstände.
Manfred Henze flechtet immer auch humorige Anekdoten aus seiner Zeit als aktiver Polizist ein. Oder erzählt – immer anonymisiert, versteht sich – menschelnde Geschichten, die er in seiner Arbeit für den Weissen Ring erlebte. Es sind spannende, aber auch helle und schöne Momente, die er seinem Gehrdener Publikum im Johanniter-Treff bietet. Stoffe, die zum Nachdenken anregen. Aber auch zum Zusammenrücken, für mehr Gemeinschaftsgefühl. Eigentlich genau richtig für diese Jahreszeit im beginnenden Winter 2023/2024.