Tag gegen den Schlaganfall
Der Schlaganfall - Fünf Fragen an die zwei neuen Chefärztinnen
Bonn – Cholesterin tut nicht weh! Unter diesem Motto steht heute der bundesweite "Tag gegen den Schlaganfall". Der Schlaganfall ist nach Herz- und Krebserkrankungen die dritthäufigste Todesursache in Deutschland und der häufigste Auslöser für bleibende Einschränkungen bei Erwachsenen.
Wir haben diesen besonderen Aktionstag zum Anlass genommen und ein kleines Interview geführt. Die Chefärztinnen PD Dr. med. Katrin Rauen, FEBN, und Dr. med. Bettina Otto der Neurologischen Rehabilitationsklinik Godehöhe beantworten Fragen rund um das Thema „Schlaganfall“ und erklären, warum bei einem Schlaganfall jede Minute zählt.
- Was ist ein Schlaganfall?
Der Schlaganfall ist eine Erkrankung des Gehirns. Er ist die häufigste Ursache für Pflegebedürftigkeit im Erwachsenenalter und hat dadurch auch eine hohe gesellschaftliche Relevanz. Für die Betroffenen und ihre Angehörigen stellt er eine hohe Belastung dar.
Bei einem Schlaganfall kommt es zu einer "schlagartig" auftretenden Funktionsstörung des Gehirns, die je nach Ursache und Behandlung vorübergehend oder dauerhaft auftrifft. Es gilt: „Time is brain“ – Zeit ist Gehirn! Das bedeutet, die frühzeitige Erkennung des Schlaganfalls und dessen Notfallbehandlung ist für die Patienten entscheidend.
Prinzipiell kann ein Gefäßverschluss oder eine Blutung zu einem Schlaganfall führen, wofür es jeweils unterschiedliche Risikofaktoren gibt. Am häufigsten ist der sogenannte ischämische Hirninfarkt, bei dem es zu einem arteriellen Gefäßverschluss – vergleichbar mit dem Herzinfarkt – kommt. Für diese Form des Schlaganfalls haben wir mit der sogenannten Thrombolyse seit über 25 Jahren eine potenziell heilende Therapie. Voraussetzung ist die umgehende hochspezialisierte Notfalldiagnostik und Notfallbehandlung in Schlaganfall-Spezialzentren, den sogenannten „Stroke Units“, mit ggf. ergänzender operativer Gefäß-Intervention oder auch neurochirurgischer Behandlung.
- Wie kann ich Risiken erkennen und vorbeugen?
Die Risikofaktoren ähneln denen eines Herzinfarktes. Während wir das Alter als unabänderlichen Risikofaktor nicht beeinflussen können, lässt sich auf eine Vielzahl anderer Risikofaktoren sehr wohl Einfluss nehmen.
Dieses Jahr steht der bundesweite Tag gegen den Schlaganfall unter dem Motto „Hohes Cholesterin tut nicht weh. Deshalb Blutfettwerte messen – Gefäße schonen!“
Gute Blutfettwerte sind ein wesentlicher Faktor für gesunde Gefäße und damit bei der Vorbeugung (Prävention) eines Schlaganfalls ein entscheidender Faktor. Gefäßveränderungen beginnen oft unbemerkt bereits ab dem 20. Lebensjahr und Blutfettwerte können auch bei Normalgewichtigen, jungen Menschen erhöht sein. Daher ist eine wichtige Empfehlung, die Blutfettwerte in der Apotheke oder beim Hausarzt überprüfen zu lassen.
Weitere Risiken sind erhöhter Blutdruck, erhöhte Blutzuckerwerte, körperliche Inaktivität, Rauchen, zuckerlastige Ernährung, Übergewicht und familiäre Risiken.
Zusammenfassend können wir sagen, dass durch eine gesunde, aktive, rauchfreie Lebensweise, dem Schlaganfall entscheidend vorgebeugt werden kann. Bestimmte Risikofaktoren können auch durch eine gezielte medikamentöse Therapie günstig beeinflusst werden.
- Können auch Laien Schlaganfall-Symptome erkennen?
Die Antwort ist ja. Zeit ist der wichtigste Einflussfaktor für die Prognose nach Auftreten eines Schlaganfalls und entscheidet über das Ausmaß der Zellschäden im Gehirn. Daher ist es elementar, die wichtigsten Symptome zu kennen und rasch zu reagieren.
Zu diesen Symptomen gehören neben Sprach- und Sprechstörungen, Sehstörungen, Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, auch Schwindel sowie starke Kopfschmerzen.
Es gibt die wunderbare englische Abkürzung FAST, die für Face, Arm, Speech, Time (=Gesicht, Arm, Sprache, Zeit) steht. Mit FAST können die häufigsten Symptome eines Schlaganfalls durch Patienten und Laien schnell erkannt werden. Dazu gehören
• eine einseitige Gesichtslähmung beim Lächeln (Face)
• eine einseitige Armlähmung beim Anheben der Arme nach vorne (Arm)
• eine Sprech- oder Sprachstörung (Speech)
• Schnelles Handeln mit Notruf 112 (Time)
Eine Anwendungsunterstützung des FAST-Tests steht auch als App zur Verfügung.
Keinesfalls ersetzt eine Laieneinschätzung aber eine ärztliche Vorstellung, weshalb es auch bei milden oder vorübergehenden Symptomen geboten ist, die 112 zu wählen – denn jede Minute zählt für den Erhalt des Gehirngewebes und die erfolgreiche Behandlung.
Jeder akute Schlaganfallpatient soll im Krankenhaus auf einer spezialisierten Schlaganfall-Akutstation behandelt und in der Akutphase kontinuierlich überwacht werden.
- Wie reagiere ich bei einem Verdacht am besten?
Beim Auftreten eines Schlaganfalls ist immer Eile geboten. Je länger ein Gefäßverschluss oder eine Blutung im Gehirn bestehen, umso mehr Nervenzellen gehen in Folge des Sauerstoffmangels oder der Druckwirkung zu Grunde und desto größer wird ein potentieller Schaden mit der Gefahr bleibender körperlicher Einschränkungen.
Ein Schlaganfall ist ein akuter medizinsicher und unter Umständen lebensbedrohlicher Notfall. Bei jedem Verdacht auf einen Schlaganfall muss umgehend der Notruf 112 gewählt und die hochspezialisierte Notfalldiagnostik und Notfallbehandlung auf der nächstgelegenen „Stroke Unit“ erfolgen - denn jede therapeutische Maßnahme kann nur dann wirksam werden, wenn sie eingeleitet wird.
- Was sind die Ziele einer Rehabilitation nach einem Schlaganfall?
Grundsätzlich ist das Ziel, verlorengegangene Funktionen wiederherzustellen oder auch geeignete Kompensationsstrategien zu erlernen. Hierbei geht es um sämtliche alltagsrelevante Fähigkeiten, um die Körperpflege und Nahrungsaufnahme, die Anbahnung gestörter willkürlicher Bewegungen, die Fähigkeit der eigenständigen Fortbewegung aber auch um das Training der höheren Hirnfunktionen und der Verhaltenssteuerung. Zielsetzung ist es, verlorengegangene motorische, geistige und psychische Funktionen wieder zu erlangen.
Damit verbunden und ganz im Zentrum der Neurorehabilitation, die größtmögliche Teilhabe, die Wiedereingliederung in das soziale Gefüge, sei es die Familie, die Schule, die Ausbildungsstätte oder den Beruf.
Um die Erholungsmöglichkeit und die verbliebenen Fähigkeiten des Gehirns zu nutzen und weiter zu fördern sowie Folgeschäden zu vermeiden, muss die Rehabilitationsbehandlung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einsetzen und kontinuierlich über die Akutbehandlung hinaus fortgesetzt werden.
Dank hochmoderner Rehabilitationsverfahren zwischen „Hands-On“ Therapie, Digitalisierung (Apps) und neuen Technologien (Robotik) können oft unvorhergesehene Rehabilitationserfolge erzielt werden. Wichtig ist die frühe und hochspezifische Rehabilitation sowie die Wiederherstellung der emotional-psychischen Gesundheit, wie wir sie am Neurologischen Rehabilitationszentrum Godeshöhe in Bonn anbieten. Gelingt dies, sind oft ungeahnte Erfolge erreichbar. Heute wissen wir, dass unser Gehirn bis in das hohe Lebensalter durch Anbahnung und Training veränderungsbereit ist (Plastizität der Nervenverbindungen) und gesunde Gehirnareale, die Steuerung der Funktionen (weitestgehend) übernehmen können und durch die Neurorehabilitation neue Nervenverbindungen stetig geknüpft werden.
Leider gelingt eine selbständige Lebensführung nicht bei allen Patientinnen und Patienten sodass wir auch den Anpassungsmechanismen an die Behinderung bei unseren Patientinnen und Patienten sowie Angehörigen im Neurologischen Rehabilitationszentrum Godeshöhe in das Zentrum setzen. Bei allen Schlaganfallpatientinnen- und Patienten ist nach Abschluss der stationären Rehabilitation, die weiterführende ambulante Therapie gemäß den funktionellen Beeinträchtigungen mit regelmäßiger Evaluation für den dauerhaften Behandlungserfolg für eine gute Lebensqualität entscheidend. In dieser Phase sollte auch durch eine verkehrsmedizinische Untersuchung, die Fahrtauglichkeit überprüft und ggf. die Fahrerlaubnis wieder gewährt werden.