"Niemand fragt später, ob man mal durchgefallen ist"
Am Freitag gibt es in den Schulen Zeugnisse. Die Leiterin des Dominik-Brunner-Hauses der Johanniter gibt Experten-Tipps für Eltern zur Zeugnisvergabe und zum Lernen in den Ferien.
Mit der Zeugnisvergabe starten die bayerischen Schüler in dieser Woche in die Sommerferien. Und so ist der kommende Freitag ein Tag, auf den viele mit Freude, aber auch mit Bangen blicken. Wie man als Eltern mit guten und mit schlechten Noten umgeht und wie viel in den Sommerferien gelernt werden sollte, verrät Renate Schemann. Die Sonderpädagogin ist Einrichtungsleiterin des Dominik-Brunner-Hauses der Johanniter, in dem sozial benachteiligte Kinder besonders im schulischen Bereich gefördert werden.
Wie wichtig sind die Zeugnisse eigentlich für die Kinder selbst?
Schemann: Sehr wichtig. Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Beurteilung von Leistung eine große Rolle spielt. Und das wissen auch die Kinder. Eltern wünschen sich für ihre Kinder natürlich eine erfolgreiche schulische Laufbahn, möchten gute Noten sehen, was den Druck auf die Kinder noch erhöht.
Wie nimmt man die Motivation guter Noten mit ins nächste Schuljahr?
Schemann: Das Lob der Eltern ist für Kinder entscheidend. Eine Belohnung für gute Leistungen fördert die Motivation. Jedoch sollte die Belohnung nichts materiell Großes sein, sondern besser ein toller Ausflug oder ein paar Besuche im Schwimmbad, bei denen die Eltern die Aufmerksamkeit nur den eigenen Kindern zukommen lassen.
Und was, wenn die Noten nicht so gut sind?
Schemann: Dann nicht schimpfen – denn kein Kind schreibt absichtlich schlechte Noten. Eltern sollten besser das Gespräch mit dem Kind und mit Fachleuten wie Lehrkräften oder Pädagogen suchen, um herauszufinden, woran es gelegen hat: War es schlicht zu schwierig? Gibt es noch Lernrückstände durch die Corona-Pandemie und das Homeschooling? Hat das Kind es nicht verstanden? Ging etwas zu schnell? Hat das Kind vielleicht Angst vor Prüfungssituationen oder war es doch zu große Gemütlichkeit? Im letzten Fall muss man als Eltern vielleicht doch strenger werden.
Gehen wir vom schlimmsten Fall aus. Durchgefallen. Und jetzt? Wie baut man wieder Motivation auf?
Schemann: Wenn eine Klasse wiederholt werden muss oder man sie freiwillig wiederholt, sollte man das als große Chance sehen. Durch die Wiederholung können die Inhalte, die
man nicht verstanden hat, nochmal neu und von Grund auf gelernt werden. Niemand fragt später im Berufsleben nach, ob man in der Schulzeit durchgefallen ist oder eine Klasse wiederholt hat.
Hilft dann ein Schulwechsel?
Schemann: Ein Wechsel hilft eher selten. Nämlich nur dann, wenn die Situation zwischen Lehrkräften und einem Kind oder in der Klassengemeinschaft verfahren ist und es auf der persönliche Ebene an dieser Schule nicht klappt. Oder wenn eine andere Schule eine besser passende Ausrichtung bietet.
Wie viel sollten Kinder in den Ferien für die Schule lernen?
Schemann: Erst einmal gar nichts. Es ist wichtig, dass die Kinder zwei, drei Wochen gar nicht an die Schule denken müssen und das Hirn entlüften können. Nur wenn ein Kind in einem bestimmten Fach etwas aufzuholen hat, sollte es in der zweiten Ferienhälfte lernen. Sonst gilt: Lesen, lesen, lesen. So schulen Kinder ihr Sprachverständnis und bleiben in der Übung.
Das Dominik-Brunner-Haus der Johanniter
Im Dominik-Brunner-Haus der Johanniter in München-Ramersdorf sozial benachteiligte Kinder individuell gefördert. Unterstützung bekommen sie im schulischen und emotionalen, aber auch im sozialen Bereich. Dadurch sollen die Kinder den Anschluss an eine Schulform finden, die ihrer Begabung entspricht.
Fördermaßnahmen wie intensive schulische Hilfe, motorische und musische Förderung, aber auch soziales Training greifen ineinander. Praktische Fähigkeiten – etwa die gemeinsame Zubereitung des Mittagessens – werden ebenso geübt wie friedliche Konfliktlösungs-Strategien.
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