02.07.2019 | Hamburgische Kommende des Johanniterordens

Muss man vor Gott Angst haben? Was für eine Frage!

Das Thema Gottesfurcht taucht öfters in der Bibel auf. Doch was ist damit gemeint? Eher Gott als Maßstab für mein Leben, nicht Jüngstes Gericht. Eine Andacht von Pastor Ulrich Rüß.

Muss man vor Gott Angst haben? Was für eine Frage! Wer hat schon Angst vor Gott!?

Schließlich reden wir vom „lieben Gott“, der alle Menschen liebt! Uns wird gesagt, dass Gott in Jesus unser Bruder und Freund ist. Also keine Angst! Und schon gar nicht vor Gott!

Außerdem kennen wir das Evangelium als Frohbotschaft und nicht als Drohbotschaft! Die Zeiten, wo Menschen mit dem Jüngsten Gericht und der Hölle gedroht und Angst gemacht wurde, sind lange vorbei. Jüngstes Gericht und Hölle gelten als quasi abgeschafft.

Aber gilt das nicht mehr, dass jeder Mensch sein Leben einmal wird vor Gott verantworten müssen, so wie wir es im Glaubensbekenntnis von Christus bekennen „Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.“?

Für viele gilt Gott wie abgeschafft. Sie leben, als wenn es Gott nicht gäbe. Keine Spur von Angst vor Gott.

Im Buch Hiob steht ein interessanter Vers (Hiob 28,28): Siehe, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit und meiden das Böse, das ist Einsicht.“

Hier geht es um Gottesfurcht. Ich werde erinnert an Luthers Erklärung zum 1. Gebot, wo es heißt: Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen!“. Was „lieben“ und „vertrauen“ meint, ist klar, aber was heißt „Gott fürchten“? Was ist mit Gottesfurcht gemeint? Kein Angstmachen vor Gott und keine Aufforderung vor Gott Angst haben zu sollen. Es meint

1. Ehrfürchtiges sich Hingeben unter Gott, wie wir es ja auch im Vaterunser beten „dein Wille geschehe“.

2. Gottesfurcht, Gott fürchten meint: Gott ist mein Maßstab für mein Leben und meinen Glauben. Nicht ich.

3. Gottesfurcht und Gott fürchten meint: Gott ist mein Verantwortungsgegenüber. Auf sein Wort höre ich, zu ihm bete ich, ihn verehre ich lobend und anbetend.

Gottesfurcht ist das Gegenteil von jenem Hochmut, der sich selbst autonom weiß und sich mit seinem Verstand als Maß und Mitte weiß, bewusst gottlos lebt. In unserem Bibelvers wird die Gottesfurcht als Weisheit beschrieben, an anderer Stelle die Gottlosigkeit als Torheit dargestellt.

Es gibt eine interessante Beobachtung: In dem Maße, wie die Gottesfurcht abnimmt, nimmt die Furcht bzw. Angst der Menschen zu. Gerade in unseren Tagen erleben wir, dass mit der Angst Politik gemacht wird. Die Angst vor dem Klimawandel mit seinen apokalyptischen Szenarien erfasst ein Großteil der Zeitgenossen. Sich klimagerecht verhalten, CO2 und Diesel verneinend, hat Vorrang, ebenso der Anspruch, die Welt zu retten. Die Frage nach Gott tritt deutlich zurück.

Dabei hätten wir die Auswüchse der Bedrohung von Natur und Schöpfung nicht, wenn die Menschen dem Schöpfer und der Schöpfung gemäß lebten, wenn es mehr Gottesfurcht gäbe.

Wie gesagt: Wenn es mehr Gottesfurcht gäbe, gäbe es weniger zu fürchten. In allen Ängsten tröstet das Wort Jesu (Joh 16,33): „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Es macht einen Unterschied, ob wir Angst haben oder die Angst uns hat. Jesus weitet den Blick auf eine Welt ohne Angst, ohne Schuld, Leid und Tod.

Bleibt die Frage: Bist du gottesfürchtig, weise?  Du brauchst vor Gott keine Angst zu haben, erst recht nicht, wenn du dich gottesfürchtig ihm anvertraust, auch mit deinem Ängsten.

RR Pastor Ulrich Rüß
(Andacht auf der JHG-Mitgliederversammlung am 6.6.2019)