Interview der Helfer in Papua Neuguinea
Unsere beiden Helfer Marvin Schäfer und Christian Gatniejewski sind nach ihrem Einsatz in Papua Neuguinea gesund zurückgekehrt. Während ihres Einsatzes stellten wir ihnen ein paar Fragen.
Wie war die Situation in Papua Neuguinea als ihr angekommen seid?
Christian G.: „Nach 33 Stunden Reisezeit bei über 30 Grad Celsius auf eine quirlige Straße zu treten, war schon etwas irritierend. Denn obwohl es paradiesisch scheint, ist das Corona-Virus natürlich auch hier aktiv. Auffallend waren die Gegensätze, gerade in der Hauptstadt Port Moresby. Während die einen mit Abstand und Maske leben, haben die anderen kein Verständnis oder in ihren Großfamilien schlichtweg gar keine Möglichkeit für social distancing. Das ist auch der Grund für diesen Einsatz. Die Menschen leben auf zu engem Raum und unter einfachsten Bedingungen zusammen. Daraus resultiert die hohe Verbreitung des Corona-Virus.“
Marvin Sch.: „Die Beschränkungen in Papua sind weit weniger streng, Restaurants und Kaffees geöffnet. Bei der Ankunft von unseren papuanischen Kollegen zum Frühstück in ein Restaurant eingeladen zu werden war also im ersten Moment ein wenig befremdlich. Natürlich galten trotzdem Maskenpflicht und beim Essen entsprechende Abstandsregeln. Was wir bei unseren "normalen" Einsätzen meist relativ schnell zu Gesicht bekommen, ist ja das Ausmaß der Zerstörung, etwa durch Wirbelstürme oder Erdbeben. Der Bedarf für unsere Hilfe war hier erst auf den zweiten Blick zu erkennen.“
Wie helft Ihr den Menschen vor Ort? Was sind die Aufgaben?
Marvin Sch.: „Wir unterstützen unsere Kolleginnen und Kollegen von St. John Ambulance bei ihrer Mehrarbeit in der Pandemie. St. John stellt den einzigen, flächendeckenden Rettungsdienst des Landes und ist die einzige nationale Nichtregierungsorganisation, die ein Versorgungszentrum aufgebaut hat. Wir versorgen in erster Linie moderate und leichte Coronafälle medizinisch. In den letzten Wochen ist ein Großteil des lokalen medizinischen Personals selbst an Corona erkrankt und einige sind verstorben. Es mangelt hier also an qualifiziertem Personal, welches die Versorgung der Bevölkerung sicherstellt. Wir bringen aber auch unsere Erfahrungen aus anderen Einsätzen mit ein. Patienten in behelfsmäßigen Einrichtungen zu versorgen, ist eine unserer Kernkompetenzen, sowohl im Auslandseinsatz als auch beim Katastrophenschutz in unseren Heimatverbänden. Für St. John ist es aber der erste Einsatz dieser Art und ein ungewohntes Arbeitsumfeld mit neuer Ausrüstung und neuen Abläufen. Hier stehen wir ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Des Weiteren unterstützen wir auch im Rettungsdienst und konnten bereits bei einigen medizinischen Evakuierungsflügen helfen. Auch hier ist der Personalbedarf deutlich gestiegen.“
Christian G.: „Unser Team wurde zur medizinischen Unterstützung bei der Behandlung von Covid19-Patienten durch St. John angefordert. St. John ist von der WHO beauftragt worden, ein Feldhospital mit knapp 300 Betten aufzubauen und zu betreiben. So unterstützen wir die Kolleginnen und Kollegen bei der sehr fordernden Arbeit an Covid19- Patienten.“
Gibt es besondere Herausforderungen?
Christian G.: „Aber klar! Allein bei den Temperaturen von knapp 40 Grad Celsius in der riesigen, zum Feldhospital, umfunktionierten Sporthalle im Vollschutz zu arbeiten, ist extrem anstrengend. Da das Ein- und Ausschleusen in die rote Zone aufwendig und zeitraubend ist, legen wir bei einer Arbeitszeit von acht bis zehn Stunden nur eine Pause am Tag ein. In dieser trinke ich bis zu drei Liter Wasser. Anschließend schwitze ich im Vollschutz so sehr, dass sich das Wasser mitunter sogar innerhalb des Plastikärmels sammelt. Das ist körperlich kaum erträglich. Dazu kommt, dass hier zwei verschieden funktionierende Systeme aufeinandertrafen. Natürlich sind die Krankenschwestern sehr gut ausgebildet. Dennoch mussten beide Teams in strukturellen Prozessen und Arbeitsabläufen zueinanderfinden. In dieser wertschätzenden Findungs- und Annäherungsphase war der Druck enorm und beinah kaum aushaltbar. Um die angeforderte Hilfe leisten zu können, musste alles schnellstmöglich funktionieren.“
Marvin Sch.: „Ja, die gibt es. Das fängt ganz banal bei den Temperaturen an. Wir arbeiten für mehrere Stunden bei Temperaturen von über 30 Grad in voller Schutzausrüstung, da geraten wir schon körperlich an unsere Grenzen. Für die internationale Hilfe, die hier angelaufen ist, ist es insofern schwierig, dass die einzelnen Provinzen nur sehr schlecht angebunden sind und teilweise nur mit dem Flugzeug oder Boot zu erreichen sind. Entsprechend wenig wird hier getestet, da es Laborkapazitäten nur in der Hauptstadt Port Morseby gibt. Die tatsächliche Situation ist deshalb kaum abzuschätzen. Es ist allerdings bekannt, dass im ganzen Land die sogenannte Übersterblichkeit, also die Zunahme an Todesfällen über den langjährigen Mittelwert hinaus, erschreckend angestiegen ist. Die Topographie des Landes und die fehlende Infrastruktur ist auch für St. John eine Herausforderung. Schwer erkrankte Patienten können auch nur hier in der Hauptstadt versorgt werden, daher müssen sie aus den Provinzen ausgeflogen werden.“
Was ist die Motivation dort zu helfen?
Marvin Sch.: „Es ist für uns logisch, dass wir da helfen, wo die Not am Größten ist und das ist in diesem Fall eben Papua. Ob nun Tsunami oder eben Corona, es geht um Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind. An der Motivation ändert sich da meines Erachtens wenig, sie ist die Gleiche wie bei anderen Ehrenämtern, ob in der Hundestaffel, in der Flüchtlingshilfe oder auch im Impfzentrum. Es heißt ja nicht umsonst Pandemie, sie ist weltumfassend und erfordert daher auch eine weltumspannende Hilfe.“
Christian G.: „In einer immer weiter zusammenwachsenden Welt, dürfen sich nicht die immer reicher werdenden Staaten von den Entwicklungsländern abschotten. Neben der eigentlichen medizinischen Behandlung, ist solch ein Einsatz immer ein Zeichen des Helfens, der Fürsorge und des Zueinanderstehens. Manchmal ist allein die Anwesenheit eines Helfers Trost genug. Aber auch für die Krankenschwestern ist unser Hiersein Anerkennung und Hilfe. Es gibt ihnen Kraft und bestärkt ihren Glauben an ihre gefährliche und schwere Arbeit. So gibt es Fälle von familiärer Stigmatisierung und häuslicher Gewalt, da die Ehemänner nicht mit dieser Erkrankung in Verbindung gebracht werden wollen. Dennoch machen sie ihren Job. Zudem arbeiten sie, wie so viele in dieser Welt, ohne Impfung am infizierten Patienten. Diese aufopferungsvolle Fürsorge und Nächstenliebe für die Patienten, sogar über die eigenen Grenzen hinweg, fordert mir große Demut ab, beschämt mich und bestärkt mich immer wieder in meinem Tun. Denn für uns ist dieser Einsatz nach einigen Wochen beendet. Doch die Krankenschwestern außerhalb unserer heilen Wohlstandsgesellschaft werden sich noch so viele Jahre aufopfern.“
Könnt ihr die Erfahrungen, die ihr als Notfallsanitäter mit Corona-Patienten in Deutschland erlebt habt, dort einbringen?
Marvin Sch.: „Im Rettungsdienst haben wir mit den einzelnen Patienten nur für einen relativ kurzen Zeitraum zu tun. Hier im Versorgungszentrum versorgen wir die Patienten aber bis sie nicht mehr infektiös bzw. genesen sind, das ist schon anders. Wir sind daher sehr froh, dass wir auch zwei erfahrene Krankenschwestern im Team haben, die uns im Stationsalltag helfen. Umgekehrt haben wir als Rettungsdienstmitarbeiter unsere Erfahrungen vom Rettungswagen oder Intensivtransporter, das hilft natürlich bei den Ambulanzflügen mit oder ohne infektiösen Patienten. Aber unabhängig davon geht es auch eher um Erfahrung die wir aus internationalen Einsätzen und nicht zu vergessen, aus der Arbeit in einem sehr gut aufgestellten Gesundheitssystem mitbringen."
Christian G.: „Die Arbeit am Covid19-Patienten im Rettungsdienst ist eine ganz andere als die in einem Krankenhaus. Klar, wissen wir uns vor allem zu schützen, doch die Arbeit gleicht eher einem Stationsdienst im Krankenhaus. Da mussten wir uns in die Prozessabläufe einarbeiten. Hilfreich waren hingegen die Kenntnisse aus der Arbeit des Katastrophenschutzes zum Aufbau und zum Betrieb eines Feldhospitals.“
Ist der Einsatz aufgrund von Corona anders als nach Naturkatastrophen ohne Ansteckungsgefahr?
Marvin Sch.: „Auch bei unseren anderen Einsätzen gab es immer Ansteckungsgefahren, da Infektionskrankheiten auch immer eine unmittelbare Folge einer Katastrophe sind. Es traten zum Beispiel Magen-Darm-Erkrankungen auf, wenn die Trinkwasserquellen durch ein Hochwasser verunreinigt wurden. In Mosambik wurde Malaria zu einem großen Problem, da viele Menschen unter freiem Himmel schlafen mussten. Gegen Corona sind wir glücklicherweise bereits geimpft, also vor einer schweren Erkrankung bestmöglich geschützt. Wohlgemerkt im Gegensatz zu dem papuanischen Personal, das bisher leider nur sehr unzureichenden Zugang zur Impfung hat. Das Arbeiten unter Vollschutz ist schon ein Aspekt, den wir in dieser Form noch nicht hatten. Das wirkt sich auch auf die Patientenversorgung aus. Alles ist beschwerlicher und dauert etwas länger. Für die Patienten, glaube ich, gibt es ein umso größeres Unbehagen, ob man sich ihnen vermummt und ohne erkennbare Mimik und Gestik nähert. Man sollte nicht verkennen, wie wichtig das zwischenmenschliche bei der Patientenversorgung ist. Diese ist unter Schutzanzug und Maske leider stark eingeschränkt.“
Christian G.: „Grundsätzlich gibt es in unseren Einsatzländern eine höhere Gefährdung durch Infektionskrankheiten. Corona stellt jedoch noch eine besondere Herausforderung dar. Ich persönlich fühle mich in einem „klassischen“ Katastrophengebiet, meinetwegen nach einem Erdbeben, sehr viel sicherer und wohler. Da weiß ich ersichtlich, womit ich es zu tun habe und kenne meine Stärken.“
Wir danken beiden herzlich für das Gespräch und die offenen Worte sowie für ihren aufopfernden Einsatz!