Erste Hilfe in Momenten des Schmerzes
Kriseninterventionshelfer wie Yvonne Wagner sind für Menschen da, die einen Schicksalsschlag verarbeiten müssen
„Den Menschen soll es ein Stück weit besser gehen, wenn ich wieder gehe“, Yvonne Wagner hat sich für ein Ehrenamt entschieden, das alles andere als einfach ist: Die 35-jährige Oberfränkin hat vor Kurzem ihre Ausbildung als Kriseninterventionshelferin abgeschlossen. Hinter dem sperrigen Wort verbirgt sich eine Tätigkeit, die extrem wichtig ist für Menschen, die einen Schicksalsschlag verkraften müssen. Bei Verkehrsunfällen, Unglücksfällen oder auch Suiziden werden ehrenamtliche Kriseninterventionshelfer wie Yvonne Wagner direkt von der Leitstelle angefordert, damit sie noch während der Krisensituation die Betroffenen betreuen können. „Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienst haben in der Notfallsituation keine Zeit, sich um Angehörige, Ersthelfer oder Zeugen zu kümmern. Diesen Part übernehmen wir: Wir sind für diese Menschen da, nehmen uns Zeit, hören zu und stehen mit ihnen gemeinsam die Situation durch. Wir spenden Trost, wenn es eigentlich keinen Trost gibt und versuchen eine stabile Struktur in die belastende Situation zu bringen“, erzählt Yvonne Wagner. Die freiwilligen Helfer ertragen auch die Trauer, die Verzweiflung oder Wut der Betroffenen und Angehörigen, denen gerade der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.
Fundierte Ausbildung als Grundlage
Um für diese schwierige, aber wichtige Aufgabe gewappnet zu sein, müssen die Ehrenamtlichen eine fundierte Ausbildung durchlaufen. Den theoretischen Teil hat die Schlüsselfelderin bereits Ende 2018 beendet, dann folgten noch zehn Pflichteinsätze und ein Pflichtjahr, bei denen ihr ein erfahrener Kollege zur Seite stand. Mit einer Corona bedingten Verzögerung hat sie inzwischen ihr offizielles Zertifikat erhalten und darf nun als PSNV-Fachkraft alleinverantwortlich Einsätze übernehmen und zwar nicht nur im Bereich PSNV-B, wo es um die Betroffenen geht, sondern auch im Bereich PSNV-E, wo es um die Begleitung und Unterstützung von Einsatzkräften geht. Dafür muss eine zusätzliche Ausbildung ergänzend durchlaufen werden. „Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienst werden im Dienst mit belastenden Dingen konfrontiert und auch sie brauchen Unterstützung, um damit fertig zu werden“, erklärt die ausgebildete PSNV-Fachkraft.
Stütze in der Krise
Was sie genau erwartet, wenn der Piepser losgeht, weiß die Johanniterin nie. Gleich ihre ersten Pflichteinsätze haben ihr viel abverlangt: In einer Nacht musste sie gemeinsam mit der Polizei und einem Kollegen gleich an drei Türen klingeln, um die Angehörigen über den Tod eines jungen Mannes zu informieren. „Die Todesnachricht zu überbringen, ist Aufgabe der Polizei. Wir sind dann dafür da, dass die Betroffenen mit dieser schlimmen Nachricht nicht alleine bleiben und wir versuchen allen Reaktionen auf solch eine Nachricht den nötigen Raum zu geben“, erzählt Yvonne Wagner: „Natürlich ist es alles andere als schön, schlechte Nachrichten zu überbringen, aber wir helfen den Menschen so gut wir können in und mit dieser akuten Situation umzugehen und das ist ein erfüllendes Gefühl.“ Zwischen zwei und fünf Stunden sind die Kriseninterventionshelfer im Schnitt ehrenamtlich vor Ort: „Wir sind auch dann noch da, wenn die Einsatzkräfte bereits weg sind. Wir gehen erst, wenn zum Beispiel Angehörige die Betreuung übernehmen und das soziale Umfeld einigermaßen stabil ist.“
Inzwischen hat Yvonne Wagner bereits einige anspruchsvolle Alarmierungen hinter sich: Die bisher größten Einsätze waren die Betreuung von ca. 400 ICE-Insassen nach einem Suizid und die Bergung von Fahrgästen aus der Gondel der Top of the World-Aussichtsplattform im Freizeitpark Geiselwind. 23 Betroffene, darunter Kinder, mussten per Hubschrauber aus 60 Metern Höhe geborgen werden: „Für die Betroffenen ist das eine absolute Ausnahmesituation, die verarbeitet werden muss. Aber auch für die Angehörigen, die die Rettung am Boden miterleben mussten, war das eine große Belastung. Auch wenn es keine Verletzten gibt, ist unsere Unterstützung wichtig. Gerade in solchen Großschadenslagen ist eine gute und offene Zusammenarbeit mit den verschiedenen Organisationen unerlässlich, um den Betroffenen im laufenden Einsatz helfen zu können “, so die 35-Jährige.
Mitstreiter gesucht
Yvonne Wagner hat mit der Psychosozialen Notfallversorgung das Ehrenamt gefunden, das sie ausfüllt. Und sie hat sich einiges vorgenommen: Sie will den Bereich bei den oberfränkischen Johannitern weiter ausbauen und sucht deshalb Menschen, die sich es sich vorstellen können, als Kriseninterventionshelfer tätig zu werden und bereit sind, die entsprechende Ausbildung zu durchlaufen: „Mein Ziel ist es ein schlagkräftiges Team aufzubauen, so dass sich die Last der Einsätze auf mehrere Schultern verteilen und bei Bedarf immer jemand einsatzbereit ist.“ Wer Fragen hat, kann sich über die oberfränkischen Johanniter jederzeit an Yvonne Wagner wenden.