Ein winziger schwarzer Punkt mitten im eigenen Herzen: die Uhr tickt
Herr B. ist kein typischer Herzpatient. Allein sein Gangbild muss jeden Arzt erfreuen. Mit kurzen, schnellen Schritten eilt der drahtige 73-jährige über den Stationsflur.
Wandern, Treppensteigen alles kein Problem, berichtet der ambitionierte Langstreckenläufer. Und doch ist da etwas, was ihn am Leben stört: ein winziger schwarzer Punkt mitten im Herzen. Man spürt ihn nicht, doch quält die Gewissheit der überraschenden Diagnose: Da ist etwas. Es gehört dort nicht hin. Und es wächst. Spätestens nach der Herzuntersuchung mittels einer Kernspintomographie steht fest: das ist kein Blutgerinnsel. Man kann es nicht einfach mit Medikamenten auflösen. Dr. med. Sascha Grunert ist der Herz-MRT Spezialist im Johanniter Krankenhaus Rheinhausen und überblickt Dank jahrzehntelanger Erfahrung auch jede Menge seltener und ungewöhnlicher Herzbefunde. Dazu zählt auch eine Reihe von Herztumoren, sogenannten Myxomen. Das Besondere und Gute am aktuellen Fall ist die sehr frühe Diagnosestellung, führt der Spezialist aus. Am Anfang ihrer Entwicklung liegen die Myxome oft klein und breitbasig der Vorhofscheidewand auf. Sie sind dann mit Pilzen vergleichbar, deren Fruchtkörper kaum über den Boden ragt. In einem späteren Stadium entwickeln Myxome oft einen Stil und ragen dann tief in den Herzbinnenraum und pendeln im Blutstrom. Dann kann man sie sehr treffsicher mit Ultraschalldiagnostik über die Speiseröhre diagnostizieren. Im Fall Herrn B. war die Diagnose dank MRT bereits im Frühstadium möglich. Solange das Myxom noch keine Eigenbewegung im Blutstrom ausführt, liefert die Kernspintomographie (MRT) exzellente Bilder. Anhand der Signalcharakteristik kann das Myxom gut gegen andere Tumoren wie Fettgeschwülste oder Blutgerinnsel abgegrenzt werden. Die Diagnose und ihre Konsequenz, sich einer Operation am offenen Herzen unterziehen zu müssen, kamen für Herrn B. sehr unverhofft. Dank der guten Erläuterungen fand Herr B. rasch zu seiner anpackenden Art zurück. „Augen zu und durch“, so war er mit Professor Dr. Gunnar Plehn, Chefarzt der Kardiologie, verblieben. Schneller als gedacht stand er nach der Operation an der Uniklinik Essen wieder auf den Beinen. Gewebeschnitte des Tumors hatten die Diagnose endgültig bestätigt.
Kommentar: Myxome sind von ihren Gewebecharakteristika an sich gutartige Tumoren. Sie wachsen ohne ihr umgebendes Gewebe zu infiltrieren. Mitten im Herzen stellen sie dennoch eine todbringende Gefahr dar. Von Seiten ihrer Gewebekonsistenz können zwei Typen unterscheiden werden. Gallertartige Myxome sind fragil und können von der Kontraktion des Herzens und dem Blutstrom in viele kleine Fragmente zerrissen werden. Die Folge sind schrapnellartige Embolien in verschiedene Körperregionen. Am gefürchtetsten sind Schlaganfälle, Herz- und Niereninfarkte und Verschlüsse der Extremitätenarterien. Anders die prallelastischen Myxome. Sie haben häufig einen langen Stiel und pendeln im Blutstrom. Ab einer bestimmten Größe können sie wie ein Abflussstopfen an einer Kette die Herzklappe zwischen Vorhof und Kammer verschließen. Die betroffenen Patienten verlieren wenige Sekunden später das Bewusstsein.
Bei all den Gefahren gibt es aber auch gute Nachrichten. Die durch Myxome verursachten Symptome sind in der Frühphase oft uncharakteristisch und können gar nicht oder lediglich durch ein Herzstolpern bemerkt werden. Andererseits kann der Verdacht regelhaft bereits im Rahmen eines einfachen echokardiographischen Check-ups beim Kardiologen, wie im Fall von Herrn B. geschehen, gestellt werden. Die Prognose ist nach überstandener Operation exzellent, denn die Patienten sind geheilt. Rezidive treten bei dieser sporadischen Form von Myxomen in weniger als 2% aller Fälle auf.