Bis zuletzt dem Leben dienen
„Sterbende brauchen unsere Solidarität, keine todbringenden Medikamente“, diese Haltung setzt der Ambulante Johanniter-Hospizdienst täglich um. Koordinatorin Bianka Franke erlebt, dass der Wunsch nach Suizid bei professioneller Zuwendung schwindet.
Ein Erlebnis fand Koordinatorin Bianka Franke vom Ambulanten Hospizdienst der Johanniter in Südwestfalen besonders berührend: „Ein älterer Herr sagte mir, dass er sich darüber freue, seine Sorgen bei mir ablagern zu können, denn seine Familie sei mit seinem nahenden Sterben schon genug belastet.“ Bei den Begleitungen am Lebensende erlebt sie oft, dass den Menschen durch Anwesenheit, Zuwendung und Zuhören die Ängste genommen werden. „Wir schließen uns daher den Bedenken gegenüber der vom Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr zugelassenen geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung an“, betont die Koordinatorin.
Ja zum Recht auf Selbstbestimmung
Das Gericht hatte dabei festgelegt, dass der Gesetzgeber die Suizidhilfe zwar regulieren, aber nicht völlig verbieten dürfe. „Das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende zu achten und zu stärken, ist aus Sicht christlicher Ethik zu begrüßen“, heißt es dazu in einer Stellungnahme zum assistierten Suizid der Zentralen Ethikkommission des Johanniterordens.
„Dazu gehören für uns der Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen und Therapien sowie das Verfassen ganz persönlicher Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten“, sagt Bianka Franke. Wenn etwa Menschen am Lebensende keine Nahrung mehr zu sich nehmen wollten, sei dieser Wille zu respektieren.
Nein zum Druck auf pflegebedürftige Menschen
Die einseitige Betonung des Selbstbestimmungsrechts, berge jedoch Gefahren: „Es steht zu befürchten, dass sich der Druck auf pflegebedürftige Menschen sowie auf Menschen mit Behinderungen erhöht, welche von erweiterten Möglichkeiten der Suizidhilfe keinen Gebrauch machen wollen“, heißt es in der Stellungnahme des Ordens, die unter dem Motto „Dem Leben dienen - bis zuletzt“ steht. In Anbetracht steigender Kosten im Gesundheitswesen und in der Pflege sei eine solche Entwicklung verhängnisvoll.
Zu den Aufgaben einer hospizlichen Begleitung gehöre es daher für die Johanniter selbstverständlich dazu, die Sterbewünsche der Menschen wahrzunehmen und darüber mit ihnen in ein vertrauensvolles Gespräch zu kommen, betont Bianka Franke. „Wir lassen niemanden mit seinen Ängsten und Gedanken alleine.“
Wer macht mit? Neuer Lehrgang für Ehrenamtliche
Eine weitere Stärkung der hospizlichen Versorgung fordert auch der Deutsche Hospiz- und Palliativverband in seinem Positionspapier an die neue Bundesregierung: „Wichtig ist der Ausbau der Suizidprävention als gesellschaftliche Aufgabe mit niedrigschwelligen und multidisziplinären Angeboten rund um die Krisenintervention.“ Dem schließen sich die Johanniter an: „Unsere Aufgabe ist es, bei der Verbesserung und dem Ausbau einer flächendeckenden Hospiz- und Palliativversorgung mitzuwirken“, sagt Koordinatorin Bianka Franke.
Der Johanniter-Hospizdienst wirke dabei den Ängsten und der Einsamkeit schwererkrankter und sterbender Menschen entgegen und bringe das Tabuthema „Sterben“ in die Öffentlichkeit. „Was Sterbende brauchen, ist unsere Solidarität, nicht das todbringende Medikament“, so beschreibt der Johanniterorden diese Haltung in seiner Stellungnahme.
Für den weiteren Ausbau des Dienstes in Südwestfalen werden ab Mitte Januar 2022 digitale Lehrgänge für ehrenamtliche Hospizhelferinnen und Hospizhelfer angeboten. Interessierte können sich bereits jetzt melden unter Tel. 02371 21913-216 oder per Mail an Leiterin Bettina Wichmann unter bettina.wichmann@johanniter.de
(CN Suizid: Wer Suizidgedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft ein Gespräch dabei, die Gedanken zumindest vorübergehend auszuräumen. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist oder sich um jemanden sorgt, kann sich an die Telefonseelsorge wenden: Sie bietet schnelle Hilfe und vermittelt Ärzte, Beratungsstellen oder Kliniken unter der Nummer 0800 111 01 11.)