19.11.2017 | Hamburgische Kommende des Johanniterordens

500 Jahre Reformation und die Bedeutung für Hamburg

In Hamburg ist Martin Luther nie gewesen, jedenfalls nicht als Reformator. Und doch hatte der Anschlag seiner 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517 auch für Hamburg nachhaltige Wirkung. Ein Beitrag von Pastor Ulrich Rüß.

In Hamburg ist Martin Luther nie gewesen, jedenfalls nicht als Reformator. Und doch hatte der Anschlag seiner 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517 auch für Hamburg nachhaltige Wirkung. Die Gebildeten und die Oberschicht diskutierten eifrig die kirchenkritischen Thesen, vor allem gegen den Ablasshandel, der gegen Geld die Verkürzung oder Aufhebung des Aufenthaltes im Fegefeuer versprach. Das Bedürfnis nach Reform war enorm. Man beklagte erhebliche kirchliche Missstände: Domherren, Pfarrer und Vikare lebten mit Frauen zusammen, obwohl dies durch den Zölibat verboten war, Geistliche bereicherten sich an Spenden für die Kirche, kamen ihren Pflichten nicht nach. Die Stadt war in vier Kirchspiele unterteilt: St. Jacobi, St. Petri, St. Nicolai und St. Katharinen. Außerdem gab es zwei Klöster: Das Dominikanerkloster St. Johannis und das Franziskanerkloster Marien-Magdalenen.

Für reformatorische Prediger aus Wittenberg gab es ein Problem: die Sprachbarriere. In Hamburg sprach man Niederdeutsch (Plattdeutsch). Die Texte mussten übersetzt und niederdeutsch sprechende Prediger gefunden werden. In heftigen theologischen Disputationen verschärft sich der Konflikt zwischen Katholiken und Anhängern Luthers. Die Lage in der Stadt spitze sich zu. Der Rat der Stadt musste handeln. Am 28. April 1528 lud der Rat der Stadt die gegnerischen Parteien zur Disputation ein. Er entschied, dass die lutherischen Prediger dem Evangelium gemäß predigten. Die Katholiken sollten sich dem lutherischen Glauben anschließen.

Johannes Bugenhagen, ein Freund und Weggefährte Martin Luthers, wurde gerufen, um neue Grundlagen für das geistliche Leben in Hamburg festzulegen.  Am 15. Mai 1529 kam es zur Verabschiedung der von Bugenhagen verfassten Hamburger Kirchenordnung. In ihr wird das geistliche Leben in Hamburg in verbindlicher Form auf reformatorischer Grundlage festgeschrieben, wie der Gottesdienst gefeiert und der Hamburger Bürger seinen Glauben leben solle. Dazu gehört der Gotteskasten (Opferstock) in der Kirche, der der Fürsorge für die Armen dienen soll (Entfaltung der Diakonie bzw. Sozialfürsorge), dazu gehört auch die Schulbildung für alle. Alle sollten in der Lage sein, die Bibel lesen zu können. Bugenhagen gründete mit dem Johanneum das erste humanistische Gymnasium der Stadt. Er war es auch, der Martin Luther und seine Katharina von Bora in Wittenberg traute und nach Luthers Tod die Traueransprache hielt.

Etliche Schulen sind in Hamburg nach Bugenhagen benannt: in Alsterdorf, Blankenese, Groß-Flottbek, Hamm und Ottensen. Mehrere Lutherkirchen, zum Beispiel in Alsterdorf und Wellingsbüttel weisen auf den großen Reformator. In vielen Kirchen ist Martin Luther auf Gemälden dargestellt, zum Beispiel in der Hauptkirche St. Petri und in der St. Johanniskirche zu Hamburg-Eppendorf. Immer wird er dargestellt mit der Bibel in der Hand, so auch beim Lutherdenkmal auf dem Kirchplatz des Hamburger Michel (St. Michaelis). Die St. Michaeliskirche ist die einzige der fünf Hauptkirchen, die als lutherische Kirche nach der Reformation gebaut wurde. Heute ist sie das Wahrzeichen Hamburgs neben der Elbphilharmonie.

Die zentralen Lehren der Reformation wurden in einprägsamen Kurzformen zusammengefasst, die alle mit „solus/sola“ (lateinisch für „allein“, „nur“) beginnen.

Solus Christus – Christus allein ist der Mittler zu Gott, ER allein ist der Heiland und Erlöser von  Sünde, Tod und der Macht des Bösen.

Sola Scriptura – allein die Schrift (Bibel) ist für Christen der Maßstab und Orientierung des Glaubens, nicht kirchliche Traditionen, die später entstanden sind.

Sola Fide – allein durch den Glauben an Gott, an Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, kann der Mensch selig werden und vor Gott bestehen, nicht aufgrund eigener Werke und Leistungen.

Sola gratia – allein aus der Gnade Gottes, wie sie durch Christus geschenkt wird, nicht durch eigenes Streben und Tun, ist der Mensch gerecht(-fertigt) vor Gott, kann er vor ihm bestehen.

Diese zentralen Lehren führen zurück auf die Botschaft des Evangeliums, sie sind eine Rückbesinnung auf den Ursprung und die Grundlagen des Glaubens. Deshalb haben sie über alle Zeiten hinweg aktuelle Bedeutung. Darüber hinaus hat die Reformation mit dem Engagement für allgemeine Bildung und Armenpflege – Einsatz für Benachteiligte, Behinderte und Ausgegrenzte Maßstäbe gesetzt. Wesentlich bleibt die Erkenntnis: Der Mensch ist mit seinem an Gottes Willen gebundenen Gewissen nur Gott gegenüber verantwortlich und keiner kirchlichen Institution. Die Reformation hat die Bedeutung von Jesus Christus, das Evangelium als Freude des Glaubens neu entdeckt. Möge diese Freude die Gläubigen der Stadt beseelen.

Text: RR Pastor Ulrich Rüß