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26.03.2025 | Regionalgeschäftsstelle Münsterland/Soest

Rot, Gelb, Grün: Wie Triage Leben rettet

Die Szenerie wirkt gespenstisch, dramatisch. Was aussieht wie ein tragischer Verkehrsunfall, ist in Wirklichkeit ein sorgfältig inszeniertes Übungsszenario von Finn Wendker für die Einsatzgruppe der Johanniter-Jugend.

Wunden werden versorgt, Brüche geschient, die Lage stabilisiert. Immer unter der Anleitung von erfahrenen Rettungskräften, die bei Fragen zur Seite stehen.

Schon von Weitem ist der Ort des Geschehens zu erkennen. Durch die Äste der Bäume blitzen grelle Blaulichter auf den Vorplatz der Geschwister-Scholl-Realschule. Die Szenerie wirkt gespenstisch, dramatisch. Was aussieht wie ein tragischer Verkehrsunfall, ist in Wirklichkeit ein sorgfältig inszeniertes Übungsszenario von Finn Wendker und Maurice Abdelmoumen für die Einsatzgruppe der Johanniter-Jugend.

Ein Auto ist mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Baum geprallt. Mehrere Personen wurden herausgeschleudert, einige sind ansprechbar, andere regungslos. Die ersten am Unfallort sind zwei junge Kräfte eines Krankentransportwagens. Der chaotische Eindruck, den die Szenerie vermittelt, ist trügerisch. Gezieltes Handeln ist jetzt gefragt. Die beiden Jugendlichen verschaffen sich einen schnellen Überblick, während die Schmerzensschreie der Darstellerinnen und Darsteller die Anspannung erhöhen. Verletzt ist in Wirklichkeit natürlich niemand. Die Verletzten sind speziell geschminkte Memen, die die Situation so echt wie möglich wirken lassen sollen.

MANV: Massenanfall von Verletzten
Das erste was sofort klar ist: Die Einsatzkräfte vor Ort reichen nicht aus. Über Funk fordern sie Verstärkung bei der Feuerwehrleitstelle an. Das Einsatzstichwort: MANV, Massenanfall von Verletzten. Weitere Rettungskräfte werden alarmiert. Inzwischen beginnen die Jugendlichen mit der sogenannten Sichtung. Alle Verletzten werden in drei Kategorien eingeteilt: grün für leicht verletzt, gelb für schwer verletzt, rot für lebensbedrohlich verletzt. Ähnlich wie bei einer Ampel signalisieren die Farben, welche Verletzten als erste Hilfe brauchen. Ein Zettel mit entsprechender Markierung wird neben den Betroffenen platziert.

Eine junge Frau liegt auf dem kalten Pflasterstein unweit des Unfallwagens. Sie klagt über starke Schmerzen, ihr Knie blutet. "Vermutlich ein Bruch", sagt eine Helferin, markiert das gelbe Feld auf dem Sichtungszettel und spricht beruhigend auf die "Verletzte" ein: "Wir sind hier und kümmern uns um Sie. Die Rettungskräfte sind gleich da." Kurz darauf heult eine Sirene auf und ein weiterer Rettungswagen fährt auf den Vorplatz. Die Verstärkung trifft ein. Die Jugendlichen bilden Teams und machen sich an die Arbeit. Wunden werden versorgt, Brüche geschient, die Lage stabilisiert. Immer unter der Anleitung von erfahrenen Rettungskräften, die bei Fragen zur Seite stehen.

Keine falsche Bewegung
Im Fahrzeuginneren kauert eine Person über das Lenkrad gebeugt. Ihr Zustand ist kritisch. "Verdacht auf Halswirbelsäulenverletzung und Kopfplatzwunde!", ruft ein Helfer seinen Kolleginnen und Kollegen zu. Jede falsche Bewegung könnte den Zustand der "Verletzten" verschlechtern. Sorgfältig stabilisieren die Helferinnen und Helfer den Kopf, während ein Stifneck, eine Halskrause, angelegt wird. Behutsam wird die Patientin mit einem speziellen Rettungsgerät, einem CombiCarrier, aus dem Fahrzeug gehoben. "Die achsengerechte Rettung ist ein Fokus dieser Übung", erklärt Finn Wendker. "Wir müssen davon ausgehen, dass die Wirbelsäule betroffen ist und versuchen, jede unnötige Bewegung zu vermeiden."

Von rot zu schwarz: Eine Reanimation unter realistischen Bedingungen
Doch plötzlich spitzt sich die Lage weiter zu. Auf einer Rasenfläche oberhalb des verunglückten Fahrzeugs liegt nun eine Reanimationspuppe anstelle der zuvor dort positionierten Darstellerin. Der Zustand des Patienten hat sich dramatisch verschlechtert. Keine Lebenszeichen. Sofort beginnt ein Team mit der Reanimation. Im Rhythmus von 30 Brustkorbkompressionen zu zwei Beatmungen arbeiten sie sich durch die kräftezehrenden Minuten. Sie wechseln sich ab. Nach einer halben Stunde trifft der Notfallarzt die Entscheidung: Der Patient konnte nicht gerettet werden. Hier ändert sich die Einstufung von rot auf schwarz. „Auch das gehört zur Arbeit von Rettungskräften dazu“, weiß Finn Wendker. "Es ist wichtig, systematisch vorzugehen, alles zu versuchen und im Anschluss die Situation gemeinsam zu reflektieren."

Lernen, Verantwortung zu übernehmen
Am Ende der Übung sind alle erschöpft, aber zufrieden. Solche Übungen sind äußerst aufwendig und erfordern eine sorgfältige Planung sowie die Zusammenarbeit vieler Beteiligter. Vom geschulten Personal, das die Verletzungen realistisch schminkt, bis hin zu den freiwilligen Helfern und Helferinnen, die die Übung mit Leben füllen. Ein besonderer Dank gilt daher allen, die mit ihrem Engagement und ihrer Expertise zum Erfolg dieser Übung beigetragen haben.

Die Jugendlichen haben in einem realitätsnahen Szenario wertvolle Erfahrungen gesammelt, die sie auf echte Notfälle vorbereiten. "Sie lernen früh, Verantwortung zu übernehmen und unter Druck ruhig zu handeln", resümiert Wendker nicht ohne Stolz auf die Truppe. "Und sie lernen, dass Teamarbeit in der Notfallversorgung alles ist."

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