08.07.2021 | Regionalverband Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen

Anerkannte Hilfsorganisationen fürchten zukünftige Schwächung für den Bevölkerungsschutz

Rettungsdienstvergabe im Rhein-Sieg-Kreis setzt aus Sicht von Johannitern und DRK ein falsches Signal.

Ab 2022 werden die Johanniter in Much nicht mehr mit dem Rettungsdienst beauftragt werden.

Aufgrund der auslaufenden Rettungsdienstverträge mit dem Rhein-Sieg-Kreis schrieb dieser sieben Rettungswachen zur neuen Vergabe ab 2022 aus. Mit dem Ergebnis, dass das Deutsche Rote Kreuz und die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. ab dem kommenden Jahr in den Gemeinden Ruppichteroth und Much nicht mehr den Rettungsdienst stellen werden. Das Zuschlagskriterium war offensichtlich das wirtschaftlich günstigste Angebot.

Nicht ausreichend gewürdigt wurde damit das seit vielen Jahren bestehende breite ehrenamtliche Angebot, das beide Hilfsorganisationen mitbringen und welches eng mit dem Rettungsdienst verknüpft ist. Erstmals wird das Hamburger Unternehmen G.A.R.D (gemeinnützige Ambulanz und Rettungsdienst GmbH) im Rhein-Sieg-Kreis neben den anerkannten Hilfsorganisationen Deutsche Rotes Kreuz (DRK), Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. (JUH) und Malteser Hilfsdienst (MHD) - die bisher mit der Rettungsdienstleistung hier beauftragt waren - Rettungswachen übernehmen. Möglich macht dies der Erlass des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2019, in dem die Bereichsausnahme neu definiert wurde, sodass keine europaweiten Ausschreibungen mehr nötig sind, sondern beschränkte Ausschreibungen an gemeinnützige Organisationen möglich sind.

Für die beiden anerkannten Hilfsorganisationen stellt die aktuelle Vergabeentscheidung zugunsten eines Unternehmens eine Schwächung des Bevölkerungsschutzes im Kreis dar, da Engagement in diesem wichtigen Bereich aus unserer Sicht nicht ausreichend gewichtet wurde. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg (VerwG HH) ist jedoch auch die Mitwirkung im Katastrophenschutz ein zulässiges Kriterium.

Rettungsdienst und Bevölkerungsschutz sind eng verzahnt

Der Rettungsdienst ist die Speerspitze des Bevölkerungsschutzes und funktioniert nur als nahtloses, stufenlos aufwuchsfähiges System mit der ständigen Verknüpfung zum Ehrenamt als Basis des Bevölkerungsschutzes. Die Vergabe an ein Unternehmen, welches bisher im Kreis weder bekannt noch erkennbar ehrenamtlich verzahnt ist, stellt dieses System infrage und führt keinesfalls zu einer Stärkung. Die bisher im Kreis tätigen und anerkannten Hilfsorganisationen stellen ihre Leistungsfähigkeit seit vielen Jahren für die Bevölkerung spürbar unter Beweis: aktuell zum Beispiel bei Hilfeleistungen nach den Starkregenereignissen oder dem Großbrand im Siegwerk.
Auch in der Pandemie stehen die Hilfsorganisationen als zuverlässiger Partner mit zahlreichen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden und professionellem Equipment bereit, um zu helfen. Das DRK, die JUH und der MHD engagieren sich täglich, zum Beispiel im Impfzentrum oder in den zahlreichen Abstrichzentren. Ehrenamtliche Mitarbeitende stehen bereit, wenn Spitzenzeiten mehr Personal und Material erfordern.

Schwächung im Bevölkerungsschutz befürchtet

Um Ehrenamtlichen im Bevölkerungsschutz ausreichend Erfahrungshintergrund für ihre Tätigkeit zu ermöglichen, bedarf es einer engen Anbindung an den professionellen Rettungsdienst. Durch die Vergabe an einen Anbieter, der weder eine enge regionale Verknüpfung hat noch bisher Engagement in dieser breiten Aufgabe zeigte, werden die vorhandenen Strukturen im Bevölkerungsschutz aus unserer Sicht langfristig geschwächt.

Bleibt zu hoffen, dass sich das in den nächsten Jahren nicht durch ein geringeres Interesse der Ehrenamtlichen im Bevölkerungsschutz in dieser Region bemerkbar machen wird. Denn damit würden in Zukunft auch weniger Kräfte, die gut aufeinander eingespielt waren, zur Verfügung stehen, wenn die nächste Krisensituation ansteht.

Vor diesem Hintergrund, zu diesem Zeitpunkt und mit Blick auf die Herausforderungen, denen wir uns in diesem Jahr gestellt haben, ist das durch das Vergabeverfahren gesetzte Signal für uns nicht nachvollziehbar.