"Die Nähe, die ein Hund vermitteln kann, wirkt wie ein Zauber"
Seit zehn Jahren engagiert sich Harmine Dörflein, 64, bei den Hunden im Besuchsdienst im Regionalverband Harburg. Die ehrenamtliche Gruppe besucht mit ihren vierbeinigen Helfern vor allem ältere Menschen und spendet Freude und Abwechslung im oftmals grauen Alltag. Im Interview berichtet die gelernte Kinderkrankenschwester davon, wie Hunde die Einsamkeit der Menschen lindern können.
Warum engagieren Sie sich ehrenamtlich bei den Besuchshunden?
"Hunde begleiten mich fast mein ganzes Leben lang – seit meiner Kindheit gab es nur kurze Phasen, in denen ich ohne Hund war. Lange habe ich mich mit der Rettungshundearbeit beschäftigt, doch mit Familie bin ich zeitlich an meine Grenzen gestoßen. So habe ich eine andere Möglichkeit gesucht und bin auf die Besuchshunde gestoßen. Vor zehn Jahren, im Oktober 2009, habe ich zusammen mit meinen Johanniter-Kollegen Birgit und Ingo zum Felde die Hunde im Besuchsdienst gegründet. Mein Ziel war und ist es, Freude und Abwechslung in das Leben der Menschen zu bringen, egal, ob jung oder alt. Die Möglichkeit, die aktive Ausbildung und Beschäftigung meiner Hunde mit einer sinnvollen ehrenamtlichen Tätigkeit zu verknüpfen, erfüllt mich seit vielen Jahren mit innerer Zufriedenheit."
Wie läuft ein Besuch der Hunde ab?
"Das ist sehr individuell abgestimmt auf die Bedürfnisse der Menschen, die wir natürlich berücksichtigen. Und auch die Bedürfnisse der Hunde sind wichtig. Wenn Hund oder Mensch von einer Besuchssituation überfordert oder gestresst sind, dann brechen wir sofort ab. Aber das ist die absolute Ausnahme. Dennoch muss jeder Besuch gut vorbereitet sein und bestimmten Regeln folgen. Zum Beispiel habe ich gemeinsam mit Sonja Eikhof, der Leiterin der Johanniter-Tagespflege in Marmstorf, Standards für die Besuche in der Einrichtung erarbeitet. So wissen nicht nur die Pflegekräfte, worauf sie achten müssen, wenn wir mit unseren Besuchshunden kommen, sondern auch für die besuchten Senioren und unsere Tiere entsteht eine Verlässlichkeit und Routine. In den Standards werden etwa die benötigten Materialien, der Ablauf und die maximale Anzahl von Menschen festgelegt. Das ist wichtig, damit jede besuchte Person auch individuell Zeit mit dem Hund verbringen und Streicheleinheiten und Leckerlies geben kann."
Was bewirken Ihre Besuche bei den Senioren?
"Die regelmäßigen Besuche helfen, Struktur in den Alltag der Menschen zu bringen. Sie fördern das Wohlbefinden und regen zur Kommunikation an – und zwar nicht nur während der Besuche: Auch lange nach den Besuchen unterhalten sich die Menschen darüber. Das hören wir oft von den Angehörigen oder den Pflegekräften. Das beflügelt mich, weiterzumachen."
Warum haben die Hunde und andere tiergestützte Dienste diesen Effekt auf Menschen?
"Unsere Besuche erfüllen die Grundbedürfnisse der besuchten Personen. Dazu zählen Wertschätzung und Anerkennung. Gerade Menschen im hohen Alter möchten diese zu Recht nicht missen. Wertschätzung drücke ich durch mein Interesse an dem Menschen und durch meine Körpersprache aus. Der Hund tut dies durch seine Nähe und Gelassenheit: Er lässt sich streicheln und füttern. Einen Hund anfassen, streicheln, riechen, füttern, sehen und hören zu dürfen, ist im hohen Alter ein Geschenk, dass jeder Mensch bekommen sollte, so oft er oder sie möchte. Die Wärme und Nähe, die ein Hund vermitteln kann, wirken oft wie ein magischer Zauber und sind wunderbar. Auch Menschen mit demenziellen Veränderungen werden davon berührt."
Welche Rolle spielt das Thema Einsamkeit im Alter in Ihrem Ehrenamt?
"Jeder Besuch lindert die Einsamkeit. Die Besuchshundeteams versuchen mit ihren Einsätzen in Pflegeheimen, Tagespflegen oder in der Häuslichkeit der Einsamkeit im Alter den Schrecken zu nehmen. Dieses Unterfangen stellt uns vor hohe Anforderungen, denn es gibt leider zu wenige ausgebildete Hundeteams im Landkreis Harburg, um den Bedarf zu decken. Ein gut ausgebildetes Hundeteam benötigt für die Ausbildung, je nach Alter des Hundes, bis zu zwei Jahre. Das ist eine lange Zeit, wenn Beruf und Familie im Vordergrund stehen. Doch es lohnt sich, wenn man sieht, was man mit seinen Besuchen bewegen kann."
Können Sie uns von einem besonderen Erlebnis in diesem Kontext berichten?
"Mit meinem ersten Besuchshund, Roberta, besuchte ich einen Herrn, der seit langer Zeit nicht mehr aus dem Bett aufgestanden war. Seine Frau war verstorben und die Familie wohnte weit entfernt. Nach unserer Begrüßung und der Bitte, doch ein Ballspiel mit dem Hund zu beginnen, stand der Herr innerhalb von zwei Minuten mit Hausschuhen versehen neben seinem Bett und fragte: "Was soll ich machen?" Das sind absolute Glücksmomente innerhalb meiner Tätigkeit."
Was ist Ihre persönliche Empfehlung gegen Einsamkeit im Alter?
"Alter ist für mich persönlich nicht mit etwas Negativem behaftet. Im Gegenteil: Je älter man wird, desto mehr Erfahrung hat man. In meiner Heimat Ostfriesland werden ältere Menschen mit viel Respekt behandelt, das kenne ich seit meiner Kindheit. Deshalb gehe ich mit dem Alter anders um als viele andere Menschen. Meine Empfehlung gegen Einsamkeit ist, so lange wie möglich mobil zu bleiben und an allen Themen des täglichen Lebens, wie Politik oder Gesundheit, mit Interesse teilzuhaben. Wichtig ist ein umfangreiches Geflecht aus Sozialkontakten zu unterhalten, den Humor nicht zu verlieren und technische Hilfsmittel, wie Brille oder Hörgeräte frühzeitig zuzulassen. Denn: Wer überall hinkommt, mitreden kann, möglichst lange gesund bleibt und gute Gedanken in sich trägt, ist bei Familie und Freunden gern gesehen und schlägt der Einsamkeit im Alter gekonnt ein Schnippchen."