Jahresthema Ehrenamt: "Ehrenamt ist Wertschätzung für andere – und für mich selbst"
Seit 1953 engagiert sich Dirk Walter bei der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. in Hamburg. Im Interview berichtet er, was ihn dazu animiert und was sich im Ehrenamt seit den Anfängen verändert hat.
Sie sind seit 1953 ehrenamtlich bei den Johannitern engagiert. Was hat Sie ursprünglich dazu animiert und warum sind Sie bis heute am Ball geblieben?
Dirk Walter: „Die Freude, etwas Sinnvolles in meiner Freizeit zu tun und den Wunsch, den eigenen Horizont zu erweitern, beides hatte ich schon als junger Mensch. Diese Gene haben meine jüngere Schwester und ich von meiner Mutter geerbt. Sie war Kinderkrankenschwester in einem Kinderkrankenhaus der „Herrnhuter Brüdergemeinde“ in Königsfeld im Schwarzwald. Ich bin als Jugendlicher in die christliche Pfadfinderschaft eingetreten und habe mit meiner Pfadfindergruppe an einem der ersten Erste-Hilfe-Kurse der Johanniter in Hamburg teilgenommen – da war ich 15 Jahre alt. Die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. in Hamburg war 1953 gerade erst gegründet worden, bundesweit gab es die Organisation seit 1952, alles befand sich im Aufbau. Der damalige Johanniter-Landesarzt Dr. Gerhard Marienberg und die damalige Landesaufbildungsleiterin Frau v. Windheim übernahmen den Abschluss des Kurses und warben für die Kurse für Fortgeschrittene. Die Idee dahinter war, eine Sanitätsorganisation aufzubauen, so wie das Deutsche Rote Kreuz. Die Hilfsorganisationen waren von der Regierung beauftragt worden, die Bevölkerung in Erster Hilfe auszubilden und auch eine Katastrophenschutz-Ausbildung zu implementieren. Auch die Ausbildung für Schwesternhelferinnen in der Pflege sollte eingeführt werden. Das war wie ein Weckruf und ich und einige meiner Pfadfinder-Freunde waren von der Idee begeistert, von Anfang an dabei zu sein, wenn so eine wichtige Entscheidung in unserem Land umgesetzt wird. Wir wollten soziale Verantwortung übernehmen.
Teamgeist, Gemeinschaftsgefühl und der Spaß am Aufbau einer Organisation in dieser Tradition haben mich immer wieder neu angetrieben. Das erlebe ich auch heute noch so. Dazu beigetragen hat aber auch die Dankbarkeit der Menschen, denen wir im Laufe der Zeit geholfen haben. Diese Dankbarkeit zu erleben, gibt mir nach wie vor die Kraft weiterzumachen. Auch nach 67 Jahren ehrenamtlichen Engagements.
In den vergangenen sieben Jahrzehnten meiner ehrenamtlichen Tätigkeit war ich immer an vorderster Front dabei, ich konnte viele Entscheidungen auf Orts- und Bundesebene mitgestalten und entscheiden. Heute unterstütze ich das Frauenarztmobil des Women’s Health Team als ehrenamtlicher Fahrer. So lange ich kann, werde ich meinen Teil zu unserer Gemeinschaft beitragen.“
Hat sich ehrenamtliches Engagement in den vergangenen Jahrzehnten verändert und wenn ja, inwiefern?
Dirk Walter: „Ja, auf jeden Fall. Als wir jung waren, kannten wir kein Kino oder Fernsehen, das steckte alles in den Kinderschuhen. An Internet war gar nicht zu denken. Auch Themen wie Klimawandel oder die weltweite Politik waren für uns nicht auf der Agenda. Für die meisten bedeutete das schlicht: Schule, Studium oder Ausbildung, dann Job. Als Hobbies gab es Sportvereine oder die Mitgliedschaft in Organisationen wie den Pfadfindern, einer Kirchengemeinde oder ähnliches. Da boten Hilfsorganisationen wie die Johanniter komplett neue Angebote des Engagements.
Heutzutage sind die Möglichkeiten für ehrenamtliche Aktivitäten 100-fach gestiegen. Neben den Hilfsorganisationen gibt es die Freiwillige Feuerwehr oder das THW, man kann sich im Chor, in der Nachbarschaftshilfe oder im Sport engagieren. Oder man kümmert sich um Natur- oder Tierschutz, um Hilfebedürftige vor Ort oder weltweit. Für Jung bis Alt ist etwas dabei. Gleichzeitig konkurrieren alle ehrenamtlichen Angebote um die knappe Zeit der Menschen, die andere Hobbies ausüben, lieber Serien im Fernsehen schauen oder anderen Interessen nachgehen. Das ist eine große Herausforderung bei der Suche nach Nachwuchskräften.“
Glauben Sie, dass Ehrenamt die Gesellschaft verändern kann?
Dirk Walter: „Ja! Unbedingt! Das Ehrenamt ist eine wichtige Stütze der Gesellschaft geworden und ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Da muss man nur einmal kurz überlegen, was es alles nicht geben würde, wenn Ehrenamtliche nicht ihre Zeit für andere einsetzen würden: Keine Besuche bei einsamen älteren Menschen zum Beispiel, keine Unterstützung für Hilfebedürftige. Es hat sich ganz viel getan in dieser Richtung und ich glaube fest daran. Wir müssen die Dinge selbst in die Hand nehmen, wenn uns unsere Mitmenschen etwas bedeuten. Ehrenamt ist Wertschätzung für andere – und für mich selbst.
Besonders beeindruckt mich, wie sehr sich unsere Jugendlichen engagieren: Die Jugend setzt sich immer mehr ehrenamtlich ein für Klimaschutz, Umweltschutz oder Tierwohl. Das macht mir Mut für die Zukunft.“
Das gesamte Interview lesen Sie auf unserer Seite zum Jahresthema Ehrenamt.