Familienhilfe in Corona-Zeiten
Die Anforderungen an sozialpädagogische Fachkräfte sind gestiegen
Stabilität vermitteln, Vertrauen schenken und Hilfe zur Selbsthilfe geben: In der aktuellen Situation sind die Kompetenzen der Ambulanten Kinder- und Jugendhilfe besonders gefragt. Angefordert vom Jugendamt der Hansestadt Lübeck stehen Fachkräfte der freien Träger den Familien zur Seite. Doch der Arbeitsalltag hat sich stark verändert. „Mehr als sonst müssen wir als Familienhelfer kreativ, pragmatisch und situativ arbeiten“, erklärt Christopher Huck – einer von 15 Mitarbeitenden der Lübecker Johanniter. Er unterstützt Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern in schwierigen Lebenslagen, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen und setzt sich für den Kinderschutz ein.
Wenn Christopher Huck mit Schäferhund Leo beim Familienbesuch vor der Tür steht, warten die Kinder und Jugendlichen oft schon warm eingepackt. Denn möglichst viele Termine finden nun draußen statt – egal bei welchem Wetter. Auf diese Weise können die Familienhelfer die Termine mit bestmöglichem Schutz vor Ansteckung gestalten und bieten gleichzeitig ihren Schützlingen nicht nur viel Bewegung außerhalb der eigenen vier Wände, sondern halten ein Mindestmaß an Struktur, Verbindlichkeit und Ritualen aufrecht. „Für ältere Jugendliche gestalte ich ein Workout, das ihnen kleine Erfolgserlebnisse ermöglicht“, so Huck.
Familien stehen zurzeit vor der Herausforderung den fehlenden normalen Alltag neu zu organisieren: Statt Kita und Schule heißt es jetzt Homeschooling. Freizeitangebote, wie etwa Sportvereine, werden nicht angeboten, soziale Kontakte fehlen. Eine Kraftaufgabe, bei der die Familien auf die pädagogischen Fachkräfte als konstante Vertrauenspersonen zählen können. „Wir haben außerdem den Kinderschutz im Blick – besonders jetzt, da dies Kitas, Schulen und Freizeiteinrichtungen nicht leisten können“, erklärt Huck. Zu seinen Klienten gehören auch Jugendliche mit Depressionen, denen heilsame Strukturen und Kontakte weggebrochen sind. „Bei meinen Besuchen schaffe ich bewusst gemeinsame Erlebnisse, die verbinden und Probleme für einen Moment vergessen lassen.“ Durch die regelmäßigen Termine neigen die Jugendlichen weniger dazu sich unter der Bettdecke zu verkriechen.
Mit Hilfeplänen des Jugendamts arbeiten die Fachkräfte an bestimmten Themen, wie etwa Erziehungskompetenzen, Bewegung oder Ernährung. „In Corona-Zeiten müssen bewährte Methoden mitunter angepasst werden“, erklärt Sandra David, Leiterin der Kinder- und Jugendhilfe der Lübecker Johanniter. „Doch das hat auch Vorteile: Durch das Rausgehen und die vermehrte Bewegung schaffen wir einen guten Ausgleich und verringern gleichzeitig den Medienkonsum.“ Natürlich müssen bei Besuchen in den Wohnungen die strengen Hygienemaßnahmen eingehalten werden. „Das macht den Kontakt unpersönlicher“, so David. „Aber wir werden dadurch auch zu Vorbildern, weil wir konsequent aufzeigen, wie man sich zurzeit am besten verhält. Wir waschen uns zusammen die Hände, tragen Masken und lüften natürlich regelmäßig.“
Trotz allem arbeitet die Kinder- und Jugendhilfe weiterhin mit persönlichen Kontakten und weicht nur in Ausnahmefällen auf telefonische Hilfe aus. „Nur so können wir den Familien die Unterstützung geben, die sie brauchen, Frustrationen abbauen und Ängste nehmen“, sagt David. „Wir geben den Menschen in manchmal ausweglos scheinenden Situationen Perspektiven und bringen durch Empathie einen Hoffnungsschimmer in den tristen Alltag.“