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26.10.2024 | Dienststelle Ortsverband Nordenham

"Wir müssen unverzichtbar sein"

Vortrag von Vorstandsmitglied und SAE-Mitglied Markus Wedemeyer bei der Fachtagung für Führungskräfte im Katastrophenschutz aus Weser-Ems

Während sich die Dunkelheit langsam herabsenkt, zeichnet auch der letzte Redner des Tages ein düsteres Bild. "Bevölkerungsschutz morgen: Wie wir bestehen werden" war der Titel des Vortrags von Vorstandsmitglied und SAE-Mitglied in Weser-Ems, Markus Wedemeyer, am Ende des ersten Tages der Fachtagung für Führungskräfte im Bevölkerungsschutz in Weser-Ems. Seine Prognose war alles andere als rosig, die Probleme groß und die Lösung so einfach wie herausfordernd: "Wir müssen unverzichtbar sein." Das Kernproblem sei das enorme finanzielle Defizit im Wirtschaftsplan des Regionalverbandes durch den Katastrophenschutz. So unverzichtbar dieser Bereich ist, so utopisch ist die Finanzierung - auch weil seitens der öffentlichen Hand die nötigen Handlungen fehlen: "Mit Blumen und schönen Worten werden wir überschüttet. Die Wahrheit dahinter sieht etwas anders aus. Unterm Strich kommt nicht das, was unsere Leute für ihren Auftrag brauchen." 

Und die Lage werde sich in den nächsten zehn Jahren zuspitzen. Wedemeyer führt vor, dass im Bundeshaushalt 2023 für die innere Sicherheit nur ein vergleichsweise niedrigen Prozentsatz veranschlagt ist. Er glaubt, der Druck werde wachsen in den nächsten Jahren, da sich beispielsweise auch beim Thema Rente und Gesundheitsversorgung die Lage weiter zuspitzen wird. Es sei der Anfang eines Verteilungskampfes: "Der Kuchen ist einfach zu klein für alle." Daraus folgert er, es sei "völlig unrealistisch", dass das Defizit der JUH durch den Katastrophenschutz durch den Staat gedeckt wird. Und die Richtung ist klar: Auf lange Sicht werden auch Küchen und große Geräte ersetzt werden müssen und die Kosten enorm steigen. Doch schon jetzt muss der Regionalvorstand jedes Jahr ein sechsstelliges Minus begründen.

Noch gelinge dies, doch auch die Führungsriegen der JUH sind im Wandel. Der Regionalvorstand erklärt, dass es zunehmend eine Mischung aus Eigengewächsen des Vereins gibt und Quereinsteigern, die einen anderen und auch kritischeren Blick auf die Finanzen haben. Längst sei die Überlegung ausgesprochen worden, die JUH grundsätzlich zu verändern und sich auf rentablen Dienste wie ambulante Pflege, Rettung oder auch die Versorgung von Geflüchteten und Ausbildung zu konzentrieren. Dennoch glaubt Wedemeyer: "Ich denke nicht, dass wir untergehen, aber wir müssen Realitäten akzeptieren." 

Seinen Weg in die Zukunft skizzierte Markus Wedemeyer in fünf Thesen:

1. Profession: "Ehrenamt darf keine Entschuldigung sein, dass es nicht läuft." Wedemeyer appellierte an die Führungskräfte, dass das, was sie und ihre Helfenden machen, gut sein muss und betonte die Wichtigkeit von Autarkie: "Im Zweifelsfall müssen wir es selbst können." 

2. Nicht bescheiden sein: Dumpingpreise oder veraltete Preisvorstellungen zum Beispiel bei Sanitätsdiensten sind ein Problem. Wedemeyer ermutigt zu mehr Selbstbewusstsein hinsichtlich der angebotenen Qualität der Dienste und deren Wert, der auch gegenüber öffentlichen Geldgebern betont werden muss.  

3. Zuverlässigkeit und Einsatzfähigkeit: Bevölkerungsschutz hat nur eine Berechtigung, wenn er zuverlässig sei und tatsächlich ausrücke, wenn man ihn rufe. Das sei am Ende auch das, woraus Führungskräfte ihre Zufriedenheit schöpfen könnten.

4. Bevölkerungsschützer seien heute Krisenreaktionskräfte: Eine Qualität, die in der Pandemie und bei der Aufnahme von Geflüchteten besonders wertvoll war. Schon jetzt sind die Johanniter dafür bekannt, Unterkünfte, Kitas und vieles mehr  in kürzester Zeit in einer hohen Qualität aus dem Boden stampfen zu können. Nach innen wie nach außen brauche eine Hilfsorganisation der Größe der JUH solche Kräfte.

Die fünfte und letzte These: "Wir müssen unverzichtbar sein." Kurz gesagt,  muss es unmöglich sein ohne enorme Nachteile den Katastrophenschutz abzuwickeln. Wedemeyer ist sich sicher: Es müsse "den Entscheidern richtig weh tun" - bedeutet: mehr Arbeitsaufwand, mehr Kosten und mehr Strukturprobleme. Es ist eine große Aufgabe, die der Redner den rund 60 Führungskräften aus ganz Weser-Ems auf die Schultern lud. Doch das Beispiel Göttingen vor zwei Wochen zeigte, dass es alles andere als unmöglich ist. Die dortigen Johanniter wurden im Zuge einer Bombenräumung angefordert, um für mehrere hundert Menschen Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen. Wedemeyer sagte nicht ohne Stolz: "Denn das können nur noch wir."

Text: Ann-Kathrin Stapf/Bilder: Anette Schulte