Osnabrücker Johanniter Tobias Schönberger bei Übung in Lissabon
EU-MODEX spielt Katastrophe von 1755 nach
Nur drei bis sechs Minuten dauerten die Erdstöße am frühen Vormittag des 1. November 1755. Danach lag die portugiesische Hauptstadt Lissabon in Trümmern, Brände wüteten. Die meisten waren aber 40 Minuten später schon wieder gelöscht – nachdem ein Tsunami über die Reste der Stadt gerollt war. Das Epizentrum des Bebens mit einer Stärke von 8,5 auf der Momenten-Magnituden-Skala lag im Atlantik entlang der Azoren-Gibraltar-Bruchzone. Die Schätzungen der Zahl der Todesopfer reicht von 30.000 bis 100.000 und gaben den Anstoß für die moderne Erdbebenforschung. Auch heute ist ein solches Ereignis durchaus denkbar. Um für einen solchen Katastrophenfall vorbereitet zu sein und schnelle, koordinierte und effiziente Hilfe bei Notfällen im Rahmen des Europäischen Unionsverfahrens für Katastrophenschutz (UCPM) gewährleisten zu können, müssen Einsatzteams, nationale Behörden und mitwirkende Akteure gut zusammenarbeiten. Vom 27. bis 31. Januar wurde eine solche Zusammenarbeit im Lissabon bei einer großen EU-MODEX-Übung erprobt. Mit dabei war Tobias Schönberger vom Ortsverband Osnabrück der Johanniter-Unfall-Hilfe, der sich ehrenamtlich als Senior Logistician in der Johanniter-Auslandshilfe engagiert.
Bei der Übung wurde das Szenario eines verheerenden Erdbebens der Stärke 8,5 simuliert, das enorme Schäden und viele verletzte Menschen zur Folge hat. Zeitgleich trifft ein Tsunami die Küste und verschärft die Einsatzlage. Insgesamt waren 322 Teilnehmende aus sieben Nationen (Niederlande, Spanien, Ungarn, Italien, Spanien, Deutschland und Portugal) beteiligt, darunter das EMT der Johanniter, das die medizinische Versorgung von Betroffenen im Katastrophenfall unterstützt und dabei durch ein mobiles Laborteam des Robert-Koch-Instituts und des französischen Instituts Pasteur begleitet wird. Pro Veranstaltungstag erwarteten die Teams an die 200 Einsatzszenarien, bei denen sie beispielsweise die Einsatzfähigkeit ihres Lagers, die Trinkwasseraufbereitung und die medizinische Versorgung der Patienten vor Ort übten, aber auch auf sicherheitstechnische Herausforderungen trafen.
„Das war eine sehr gute und herausfordernde Übung“, sagt Tobias Schönberger. Starker Regen erschwerte die Übung, machte den Einsatz aber noch realistischer. Letztlich müssen sich Einsatzkräfte in Notlagen auch auf extreme Wetterereignisse einstellen. „Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, was alles im Zuge einer europäischen Zusammenarbeit stemmbar ist“, betont der Osnabrücker Johanniter. „Dies macht mir insbesondere im Hinblick auf aktuelle politische Entwicklungen und immer häufiger eintretenden Extremwetterereignissen Mut.“ Als Senior Logistician trägt er die Gesamtverantwortung für die logistischen Aufgaben des Emergency Medical Teams (EMT) und sorgt für die reibungslose Abwicklung aller logistischen Belange während der Einsatz- und Missionsphase. Dies umfasst unter anderem den Aufbau, die Wartung und den Abbau von Lager und Unterkünften, Stromversorgung, Kommunikationsmittel, Flottenmanagement und Transport, Lagerung und Nachschub sowie Wasseraufbereitung, der Betrieb der sanitären Einrichtungen, Abfallmanagement und vieles mehr.
Alle Mitglieder des Johanniter-EMT engagieren sich ehrenamtlich. „Ich bin froh, dass wir Johanniter durch diese Übungen, die durch die Europäische Union finanziert und mit unseren Partnern durchgeführt werden, mithelfen können. Man muss nur Nachrichten lesen oder sehen, um zu wissen wie notwendig dies ist", sagt Mario Di Gennaro, Leiter des Kompetenzzentrums Europäischer Katastrophenschutz und Katastrophenhilfe (EUCC) der JUH. Wer sich auch an internationalen Einsätzen im Rahmen des Katastrophenschutzes beteiligen möchte, kann sich als Soforthelfer/in bei den Johannitern ausbilden und registrieren lassen. Die Johanniter haben derzeit ein Emergency Medical Team Typ1 mobile im Rahmen des EU Katastrophenschutzverfahrens registriert. Die Zertifizierung und Registrierung zum Team Typ 1 fixed wird im Laufe des Jahres erfolgen. Dieses wird bei einem offiziellen Hilfeersuchen innerhalb von 48 Stunden in den internationalen Einsatz entsendet.
Fotos: Mareike Harms