Auf dem Weg in einen neuen Alltag
Auf dem Weg in einen neuen Alltag
Salzgitter. Auf den ersten Blick scheint alles wie immer. In der kleinen Küche klappert das Geschirr, von draußen dringen Kinderstimmen durch die große Halle, und eine Mutter bringt ihre Tochter gerade zur Eingewöhnung in die Krippe. Kindergarten-Alltag.
Wären da nicht die schwarz-gelb gestreiften Pfeile auf dem Boden, die genau anzeigen, in welche Richtung die Halle durchschritten werden muss. Auf der einen Seite hin, auf der anderen zurück. Wären da nicht die vielen Hand-Desinfektionshinweise an den Wänden oder das Flatterband, das den Außenbereich in verschiedene Abschnitte teilt. Normalität? „Da sind wir noch ganz weit von entfernt“, sagt Svenja Schwarze, Leiterin der Johanniter-Kita „Fredolino“ am Fredenberg. Auch wenn seit dem 22. Juni wieder fast alle der 88 angemeldeten Kinder betreut werden können und die Freude darüber der Pädagogin ins Gesicht geschrieben steht: Das Corona-Virus hat alles verändert.
Rückblickend war die erste Woche des Lockdowns Mitte März die stressigste Zeit für Svenja Schwarze. Die Kita-Schließung, die Organisation, viel Unwissenheit, ratlose Eltern. „Wir wussten ja durchaus, was auf uns zukommt, aber nicht wie wir das umsetzen können“, erinnert sich die 37-Jährige. In den darauffolgenden Tagen musste es dann schnell gehen: Learning by doing war das Motto. Schwarze war auch während der Schließphase jeden Tag vor Ort in der Kita, war Ansprechpartnerin für Team und Eltern, hat Aufgaben ins Homeoffice verteilt und geplant für die Zeit mit den neuen Auflagen. Schritt für Schritt wurde die Notgruppe geöffnet: Zunächst kam Ende März ein Kind, Ende April waren es drei, einen Monat später dann schon rund 40. Sehr häufig hat sich Svenja Schwarze in den vergangenen Wochen die Sorgen und Nöte von Müttern und Vätern anhören müssen. Nicht immer waren das einfache Gespräche. Aber sie hat dafür Verständnis. „Man muss die Wut auch mal herauslassen“, unterstreicht die Johanniterin. Zudem sei die Einrichtung nie persönlich angegriffen worden, die große Mehrzahl der Eltern wusste genau, dass die Kita das umsetzen muss, was die Regierung vorgibt.
Seit knapp zwei Wochen kümmern sich die 25 Mitarbeiter wieder um 85 Mädchen und Jungen im Alter von ein paar Monaten bis zu sechs Jahren. Einige Krippenkinder mussten wieder neu eingewöhnt werden. Ansonsten aber, berichtet Schwarze, haben die Kinder mit Corona wohl die wenigsten Probleme. „Die machen das nämlich total super“, sagt die Salzgitteranerin. Es war natürlich ein Vorteil, dass die eine Hälfte schon seit Ende Mai in der Kita war und die neuen Gegebenheiten mit den Erziehern kennengelernt erlernt hat. Ansonsten ist Kreativität gefragt. „Die Kinder schießen zum Beispiel unter dem Absperrband den Ball hin und her.“ Allerdings: Gruppenübergreifende Freundschaften können gerade nicht gepflegt werden – jede Gruppe muss immer für sich bleiben. „Das liegt leider brach“, sagt Schwarze. Das pädagogische Personal arrangiert sich täglich mit der neuen Realität. Jeden Tag um 7.45 Uhr wird jeder Gruppenraum einmal desinfiziert und über alles penibel hinweg gewischt. Die Wasch- und Toilettenräume, die die Gruppen zusammen benutzen, sind nun zeitlich eingeteilt, Toiletten werden nicht mehr getauscht. Auch das Personal darf nicht wechseln, jeder bleibt in seiner Gruppe. Für die anstehende Urlaubszeit oder eventuelle Krankheitsfälle bedeutet das wieder viel Organisation, um die Betreuungszeiten von 8 Uhr bis 16 Uhr aufrecht zu erhalten. Mindestens bis Ende des Jahres wird es diese Auflagen geben, schätzt Svenja Schwarze.
Dann muss sie kurz raus, aufs Außengelände. Die Kinder singen ein Geburtstagslied für eine Mitarbeiterin. Jede Gruppe steht dabei hinter einem Absperrband, dazwischen zwei Meter Platz. Die Mitarbeiterin steckt den Kopf zum Fenster hinaus und winkt fröhlich: ein Kita-Geburtstag in Zeiten der Corona-Pandemie.