Was tun bei Nebel und hoher See?
Jan Lutz stellt beim Zukunftsforum Rettungsdienst Lösungen für die Offshore Rettung der Zukunft vor

Das Ziel ist weit weg, das Zieldatum schon relativ nahe: Gemäß des Windenergie-auf-See-Gesetzes (kurz WindSeeG, und ja, es heißt wirklich so) sollen bis zum Jahr 2035 mindestens 40 Gigawatt (GW) Leistung in deutschen Offshore-Windparks installiert sein. Die nördlichen Bundesländer und damit die Anrainer an Nord- und Ostsee wie die Betreiber der Übertragungsnetze wollen dieses Ziel sogar deutlich überschreiten und 50 GW installieren. Bis 2045 sollen es dann 70 GW sein. Das erfordert viele Anstrengungen, die von Menschen ausgeführt werden, die draußen auf hoher See arbeiten. Diese Menschen müssen im Notfall schnell Hilfe bekommen. Deshalb hat der Ortsverband Stedingen seit 2013 den Fachbereich Offshore Rettung, der medizinische Dienstleistungen für Mitarbeitende in den Offshore-Windparks anbietet, unter anderem die medizinische Gestellung von Notfallsanitätern und –sanitäterinnen, Telemedizin für Ersthelfende und vieles mehr. Jetzt stellte Jan Lutz, Fachbereichsleiter Offshore Rettung der Stedinger Johanniter, das Konzept Fachleuten auf dem 8. Zukunftsforum Rettungsdienst in Bremerhaven vor.
Er beleuchtete die Herausforderungen der Rettungskette im Offshore-Bereich und präsentierte moderne Lösungen für die Erstversorgung, Evakuierung und Telemedizin, die speziell auf die Bedingungen auf hoher See zugeschnitten sind. Zum Beispiel die Unkalkulierbarkeit mit dem Wetter. Herrscht Flugwetter, kann die Hilfe innerhalb einer Stunde vor Ort sein. Gibt es Seenebel und drei Meter hohe Wellen hingegen kann es Tage dauern. Das Problem: um die Ausbauziele zu erreichen, müssen Windparks in Bereichen der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee errichtet werden, die auch bei gutem Wetter nicht mehr mit dem Hubschrauber innerhalb von 60 Minuten erreichbar sind. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, so Jan Lutz, sei die Errichtung eines Standortes für den Rettungshubschrauber auf See in einem der Windparks, zum Beispiel auf einem Schiff oder einer Plattform. Dadurch verringere sich die Anflugzeit erheblich. Auch über neue, schnellere Fluggeräte wird diskutiert. Die aktuell eingesetzte EC155 von Airbus schafft 279 Stundenkilometer. Ein komplett anderes Konzept ist das Kipprotor-Wandelflugzeug AW609 von AgustaWestland, das immerhin 510 Stundenkilometer schafft. Problem: Um Menschen von Windkraftanlagen zu retten, kommen die Fluggeräte den Rotorblättern gefährlich nahe.
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Auch der Ausbau der Telemedizin sei eine Option für die Weiterentwicklung der Offshore Rettung. Damit ließen sich laut Jan Lutz schon eine Menge Probleme lösen. In den vergangenen zehn Jahren, in denen die Johanniter Marktführer in der Offshore Rettung sind, waren 95 Prozent der Versorgungen reine Gesundheitsfürsorge bzw. Hausarztmedizin, zum Beispiel Atemwegserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Probleme. Kopfschmerzen, Erkältungen, Halsschmerzen und ähnliches konnten überwiegend von dem medizinischen Personal in den Sanitätsstationen Offshore gelöst werden. Nur rund drei Prozent mussten als Notfall ausgeflogen werden. Interessant auch: Arbeitsunfälle machen nur rund vier Prozent der Notfälle aus, der überwiegende Teil sind internistische Fälle. Insgesamt haben sich die Johanniter gemeinsam mit ihren Partnern zu einem Anbieter innovativer Lösungen für die komplexe Rettung auf Hoher See entwickelt, der hervorragend auf die zukünftigen Herausforderungen mit dem weiteren Ausbau der Offshore Windparks vorbereitet ist.
Mehr Infos: www.johanniter-offshore.de
Text: Stefan Greiber, Foto: Sebastian Drolshagen