Helga Hedi Denu: Portrait einer Erste-Hilfe-Trainerin
Helga Hedi Denu ist Erste-Hilfe-Trainerin der Johanniter in Baden-Württemberg. In ihrem Kurs merkt man schnell, dass sie auch Erlebnispädagogin ist und das Konzept des kooperativen Lernens lebt. Sie steht für die Diversität von uns Johanniterinnen und Johanniter und hat eine Botschaft. Lernt sie und ihre Arbeit zum Beginn des PrideMonths kennen.
Helga Hedi Denu
-
Fachberaterin Beratungsstellen geschlechtliche Vielfalt e.V
-
HEP
-
EH-Trainerin und Mentorin
-
Erlebnispädagogin
-
Interkulturelle Lotsin
-
Dozentin Medien-, Spiel- und Erlebnispädagogik
-
Fachberaterin Landesnetzwerk LSBTTIQ
Helga Hedi Denu arbeitet unter anderem auch als Erlebnispädagogin bei Eins & Alles im Welzheimer Wald und jobbt im Winter im SI-Zentrum.
"Ich ertrage Blicke, kontere blöde Sprüche gekonnt und bin sichtbarer, als ich es mir manchmal wünsche", lächelt die 58jährige. "Aber auch dadurch verhindere ich Gewalt gegen Menschen, die an den Rand gedrängt sind und helfe, Vielfalt Raum zu geben."
Es ist kurz vor 9 Uhr, die Sonne scheint, vor dem Versicherungsgebäude in der Stuttgarter Innenstadt ist viel los. Mitarbeiter bringen mit Lastenfahrrädern ihre Kinder in die Betriebskita neben dem Gebäude, Frauen und Männer in Businesskleidung laufen zügig ins Gebäude. Da hält ein weißer Ford Transit direkt vor den Eingangstüren. Erste-Hilfe-Trainerin Helga Hedi Denu steigt beschwingt aus ihrem Bus und schleppt vier große Taschen mit Materialien für den Erste-Hilfe-Kurs durch die Türen. Die Mitarbeiterin des Betriebsärztlichen Dienstes der Versicherung wartet schon beim Empfang auf sie, strahlt und ruft: "Ah, hallo, perfekt, 8 Minuten haben wir noch, das schaffen wir". Die beiden Frauen lachen und ziehen die Taschen durch das Gewusel der Mitarbeitenden in den Aufzug.
Im dritten Stock angekommen sitzen in einem großen Raum mit modernen Bildern an den Wänden im Halbkreis auf Stühlen rund 15 Männer und Frauen. Die Stimmung ist hier ruhig, manchen unterhalten sich leise. Helga Hedi Denu geht mit Smalltalk auf die Wartenden ein, packt nach und nach die Taschen aus und richtet sich ein. "Technik brauche ich nicht zwingend, mal schauen." Dann geht es los, Helga stellt sich vor den Stuhlkreis und stellt sich vor: "Ich bin Erste-Hilfe-Trainerin bei den Johannitern, neurodivers, Frau mit Migrationshintergrund, Erlebnispädagogin und Papa von drei Söhnen." Und sie erklärt die verschiedenen Methoden, die sie anwenden wird.
In der anschließenden Vorstellungsrunde erzählen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie lange sie schon Betriebshelfende sind. Manche sind schon seit 20 Jahren dabei, aber es gibt auch Neulinge. "Ich habe vor einiger Zeit erlebt, wie eine Kollegin hier in der Toilette gestürzt ist und sich schwer verletzt hat. Ich bin rumgerannt wie ein aufgeregtes Huhn und das will ich so nicht nochmal erleben", begründet ein Mitarbeiter seine Motivation. Helga Hedi Denu merkt sich alle Namen der Teilnehmenden während der Vorstellungsrunde, indem sie die Namen oft wiederholt und auf die Menschen eingeht. "Darum geht es mir heute, dass wir das aufgeregte Huhn einfangen und beherzt loslegen", sagt sie. Das kommt gut an, es wird gelacht. Ein Teilnehmer in der Runde erklärt, dass er auch neurodivers ist und eine Form des Autismus hat und deshalb vielleicht ab und zu abwesend wirken wird. Die Runde ist gut gelaunt, die Teilnehmenden sind entspannt und konzentriert
Und dann geht es los mit den Inhalten, die in jedem Erste-Hilfe-Kurs der Johanniter vorkommen. Damit sich alle die wichtigsten Schritte der Ersten Hilfe gut merken können, arbeitet Helga mit einem langen Seil, das sie mitgebracht hat. Bei der Vorstellungsrunde konnten sich die Männer und Frauen einen Gegenstand aus einem kleinen Säckchen nehmen. Jeder Gegenstand steht für einen Baustein der Kette. Zum Beispiel eine Mini-Wärmedecke für Warmhalten. Und ein kleiner Teddy für Trösten und Mut machen. Zu jedem Gegenstand und somit für jeden Schritt macht Helga einen Knoten in das Seil. Am Schluss der Einheit stehen alle im Kreis und halten das Seil und wiederholen die Schritte. "Das macht mir Spaß, dass ich auch Methoden aus der Erlebnispädagogik anwenden kann", sagt Helga.
Die Reanimation ist ein wichtiger Schwerpunkt in jedem Kurs. "Wie lange kann man ohne Sauerstoff überleben?" fragt die Trainerin. "Sechs Minuten", vermutet ein Teilnehmer. "Nur wenn Du ein Schnabelwal bist, überlebst Du sehr lange ohne Sauerstoff, Menschen nur 3 Minuten", kommt die Auflösung. Beim Drücken an der Puppe sieht man, dass die Teilnehmenden fast ins Schwitzen kommen, alle strengen sich an. "Ihr macht das super, sehr gut", motiviert Helga die Teams. Sie erklärt auch jeweils die Hintergründe der Maßnahmen, damit die Versicherungsmitarbeitenden als Ersthelfer im Notfall auch improvisieren können. Die stabile Seitenlage ist gar nicht so einfach, welcher Arm ist nochmal oben und unten. Helga führt den Kurs mit Humor, Freundlichkeit und Bestimmtheit. "Magen oben, Mund unten - dann passt alles grob mit der stabilen Seitenlage". In Gruppenarbeiten beschäftigen sich die Männer und Frauen mit den verschiedenen Verletzungsarten und sammeln die Ergebnisse auf Flipcharts.
Johanniterin ist Helga seit 2016, beim Supermarkt ums Eck sah sie damals einen Aushang: Es wurden neue Ehrenamtliche für das Kriseninterventionsteam KIT in Stuttgart gesucht. Das Team betreut Menschen in psychischen Ausnahmesituationen, zum Beispiel wenn sie Zeuginnen oder Zeugen eines schweren Unfalls wurden. Helga durchläuft die aufwendige Ausbildung des KIT. Im Zuge der Ausbildung machte sie auch einen Sanitätshelferkurs und der Trainer dort warb sie als Trainerin an. 2022 war sie dann ein Jahr lang hauptamtlich bei den Johannitern als Erste-Hilfe-Trainerin. Die gelernte Heilerziehungspflegerin arbeitet gerne mit Menschen und ist am liebsten in der Beratung und als Coach tätig. So arbeitet sie seit kurzem in einer Beratungsstelle für Teilhabe. Die Erste-Hilfe-Kurse wird sie weiterhin machen, das Unterrichten macht ihr Spaß. Aber es geht ihr auch um mehr:
"Ich habe in der Zeit bisher rund 5.500 Menschen in den Kursen in Erster Hilfe geschult. Sie haben mich einen Tag lang als Helga kennengelernt und als Trainerin erlebt."
Sie ist sich sicher, dass das hilft, Vorurteile abzubauen und dass ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer in kritischen Situationen Partei ergreifen werden für Menschen in ihrer Situation, die nicht so stark und selbstbewusst sind. "Ich finde es ein Geschenk, mich und das, was ich bin, so vielen Leuten erlebbar zu machen."
Mit blöden Sprüchen oder Anfeindungen hat sie in den Kursen nicht zu tun gehabt, jüngere Teilnehmende aus Führerscheinkursen müssen manchmal lachen bei Situationen, "aber ich muss dann auch mit lachen", sagt sie. Außerdem bietet sie immer an, dass die Menschen aus dem Kurs sie in der Pause alles fragen können. Manchmal ergeben sich dann richtig gute Gespräche, berichtet Helga.
"Ich glaube, meine Authentizität ist das Geheimnis", sagt sie.
Zu Beginn des Kurses in der Versicherung war ihr Versprechen: "In Zukunft könnt Ihr sagen, ich war bei der Helga im Kurs, mir kann nichts passieren, ich geb' Gas beim Helfen." Und da sind die Mitarbeitenden am Ende des Tages alle zuversichtlich. Die Rückmeldungen für den Kurs sind alle sehr positiv. Ein Teilnehmer schreibt am Abend dem Betriebsärztlichen Dienst: "Ich bin begeistert von Inhalt, Aufbau, Methodeneinsatz und der Kursleiterin Helga selbst. Selten habe ich einfacher und informativer gelernt und geübt."