VOSTbw

In Notlagen zur Stelle sein, wenn viele Menschen Hilfe benötigen: Die Ehrenamtlichen im Bevölkerungs- oder Katastrophenschutz bringen sich bei Großschadenslagen, wie bei der Hochwasserkatastrophe, ein. Zu den Einheiten gehört in Baden-Württemberg auch das VOSTbw. Dabei handelt es sich um ein Team, welches im Einsatzfall die Sozialen Medien beobachtet. Im Interview berichten Björn Gold und Andre Lindner über ihre Aufgaben. Weiteres Teammitglied ist Florian Reber.

Bevölkerungsschutz im digitalen Zeitalter: Das Virtual Operation Support Team

Die Digitalisierung verändert die Welt. Sie verändert auch den Bevölkerungsschutz. In Baden-Württemberg wurde im September 2018 daher vom Innenministerium eine schnelle, digitale Einsatztruppe aufgebaut, die bei Großschadenslagen, im Katastrophen- oder Krisenfall sofort zur Stelle ist. Das „Virtual Operations Support Team“ in Baden-Württemberg (VOSTbw) setzt sich aus 40 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern aus dem Bevölkerungsschutz aller Hilfsorganisationen zusammen, darunter auch drei Johanniter.

Sie beobachten die Sozialen Medien, werten die entsprechenden Informationen aus, bereiten sie auf und speisen sie in die Arbeit der jeweiligen Einsatzleitung oder des Katastrophenschutz-Stabs ein. Gerade in Zeiten von Fake News ist diese Arbeit besonders verantwortungsvoll und wichtig – für eine erfolgreiche Lagebewältigung sind die Stäbe und Einsatzverantwortlichen darauf angewiesen, nicht nur schnell, sondern auch zuverlässig auf Informationen zurückzugreifen und umgekehrt falsche Informationen in den Sozialen Medien sofort zu korrigieren. Die Informationen aus diesen Quellen werden in Form von Lageberichten und Lagekarten zusammengefasst.

Es ist ein deutlicher Unterschied, wenn kein Handydisplay, Fernseher o. ä. zwischen Dir und der gewaltigen Zerstörung mehr steht. Eindrücke, Gerüche und Emotionen lassen einen in solchen Situationen schnell an die Grenzen kommen.
Björn Gold

Seit April 2015 engagiert sich Björn Gold ehrenamtlich bei den Johannitern. Der 29-jährige ist als Zugführer im Regionalverband Oberschwaben/Bodensee aktiv, er ist verantwortlich für die Einsatzfähigkeit der Drohnen-Einheit und engagiert sich im Social Media-Team des Verbandes. Seine hohe Affinität zu allen Themen rund um Social Media haben ihn auch ins VOSTbw-Team gebracht. Dort scannt er vor allem Facebook und Instagram, bewertet die Beiträge und deren Bedeutung für die konkrete Einsatzlage. Im Hauptberuf ist er Brandschutzbeauftragter und Fachkraft für Arbeitssicherheit bei einem großen Sensoren-Hersteller am Bodensee.

„Ich arbeite ehrenamtlich im Bereich der Einsatzdienste bei den Johannitern, weil ich es liebe, mich in einem jungen, flexiblen und motivierten Team einzubringen. Sich gegenseitig zu motivieren und Menschen aus Überzeugung zu helfen, ist einfach ein großartiges Gefühl. Für Einsatzlagen, wie jetzt im Juli 2021 ist es nötig, bestmöglich vorbereitet und ausgebildet zu sein. Nur durch das ehrenamtliche Engagement aller – können solche Katastrophen bewältigt und verarbeitet werden,“ beschreibt Björn Gold seine Motivation. Während des Hochwassereinsatzes übernahm er gemeinsam mit dem baden-württembergischen Team Transporte von betroffenen Menschen in weiterentfernte und unversehrte Pflegeeinrichtungen. 

Besonders bewegt hat ihn der Einsatz vor Ort. „Die Arbeit als ehrenamtlicher im VOSTbw vor dem heimischen PC, hin zur Arbeit als ehrenamtlicher Bevölkerungsschützer mitten im Geschehen – und das in nur wenigen Stunden war eine immense Umstellung und hat mich persönlich sehr gefordert! Es ist ein deutlicher Unterschied, wenn kein Handydisplay, Fernseher o. ä. zwischen Dir und der gewaltigen Zerstörung mehr steht. Eindrücke, Gerüche und Emotionen lassen einen in solchen Situationen schnell an die Grenzen kommen“ beschreibt er seinen Einsatz. Das Besondere am Ehrenamt im Bereich Bevölkerungsschutz ist für ihn die schnelle und hohe Leistungs- und Einsatzfähigkeit aller Ehrenamtlichen, um im Team bestmöglich Menschen zu helfen.

In meinem Ehrenamt motiviert mich, dass ich dazu beitragen kann Unsicherheit und Angst zu beseitigen, Hilfe und Trost anzubieten, Not zu lindern oder auch einfach mal nur „Mitmensch“ zu sein. Mit anderen Worten: „Johanniter zu sein“.
Andre Lindner

Andre Lindner ist der zweite im VOSTbw-Team und seit 2016 bei den Johannitern. Der 48-jährige ist verheiratet, Vater einer Tochter und stolzer Hundebesitzer. Seine ehrenamtlichen Aktivitäten sind vielfältig: er ist aktiv im Regionalverband Stuttgart im Bevölkerungsschutz und bei Sanitätsdiensten, ist Rettungshundeführer und unterstützt im Bereich der Erste-Hilfe-Ausbildung und beim Weihnachtstrucker.

Beim Hochwassereinsatz bestanden seine Aufgaben im VOSTbw-Team primär im Sichten und der Verifikation von Nachrichten in Messengern. „Wir haben täglich bis zu 20.000 Postings aus unterschiedlichen Gruppen gesichtet. Hierbei war die hohe Zahl an leider bewusst sachlich falsch dargestellter oder auch frei erfundener Beiträge und die Vielzahl falscher Notrufe sehr anstrengend und belastend. Es gab auch viele Videobeiträge und Sprachnachrichten, deren Sichtung viel Zeit in Anspruch genommen hat,“ Diese Flut an Informationen kann von einer „klassischen Einsatzleitung“ nicht bewältigt werden, zumal neben praktischen Kenntnissen der Sozialen Medien auch einiges technisches Spezialwissen und Tools, Einsatzerfahrung und eine entsprechende Führungskräftequalifikation für diese Tätigkeiten erforderlich ist,“ berichtet Andre Lindner. Wichtig für die Tätigkeit in einem VOST ist neben dem Erfassen von Sachinfos auch das Erfassen von Stimmungen, Sorgen und Ängsten der Bevölkerung, um diese für eine exakte Lagebeurteilung an den Stab weiterzugeben. „Als Mitglied im VOST ist man quasi immer nur passiver Beobachter, greift also nie direkt ein oder reagiert selbst auf Meldungen. Das ist nicht leicht zu ertragen.“ so Lindner.

Besonders gefreut hat ihn daher bei diesem Einsatz, dass einem Landwirt, der ohne Wasser und Futter für sein Vieh abgeschnitten war, durch gezielte Weitergabe dieser Informationen schnell geholfen werden konnte. Im Hauptberuf ist Lindner Intensiv-Fachpfleger und ausgebildeter Rettungssanitäter. In seinem Ehrenamt motiviert ihn, „dass ich dazu beitragen kann Unsicherheit und Angst zu beseitigen, Hilfe und Trost anzubieten, Not zu lindern oder auch einfach mal nur „Mitmensch“ zu sein. Mit anderen Worten: „Johanniter zu sein“.