03.12.2021 | Regionalverband Stuttgart

Bei uns zählt der Mensch

Heiko Hauser ist ehrenamtlicher Regionalvorstand bei den Stuttgarter Johannitern. Er coacht, hört zu, gibt Impulse und packt selbst mit an. Am 05. Dezember ist Tag des Ehrenamtes. Anlass für uns dem Regionalvorstand ein paar Fragen zu stellen.

Herr Hauser, seit Jahren begleiten Sie aktiv das Ehrenamt. Welche Veränderungen zeichnen sich ab?

Die Pandemie hat uns dazu gezwungen, mit viel weniger direkten sozialen Kontakten zu leben. Vieles fand nur noch digital statt. Selbst unsere Kinder verabredeten sich virtuell. Das geht nicht spurlos an Menschen vorbei. Auch nicht am Ehrenamt. Gerade für sie ist ein persönlicher Austausch, mit regelmäßigen Fortbildungen oder Helferaben­de wichtig. Das ist alles weggefallen. Das Risiko für das Ehrenamt ist dabei, dass sich viele durch die Lock­downs neue Hobbies suchten, die sie unabhängig von sozialen Kontakten machen konnten. Die Chancen sehe ich im Sinn und in der Gemeinschaft, die ein Ehrenamt gibt. Gemeinschaftliches Handeln. Lernen. Gemeinsame Zeit. Punkte, die für viele heute einen viel größeren Stellenwert haben wie noch vor der Pandemie.

Wie gehen die Johanniter mit der Veränderung um? 

Wir investieren vor allem in gemeinsame Zeit. Zeit, die wir zum Austausch brauchen. Die genutzt wird, um Helfer zu informieren. In der Netzwerkarbeit stattfindet. In der kreative Ideen entwickelt werden für die Gegenwart und für die Zukunft. 

Wie nutzt das Ehrenamt den gesellschaftlichen Wandel? 

Schon seit jeher prägt uns eine Denkweise: Wir finden die Lücke der gesellschaftlichen Angebote und wollen diese schließen. Menschen brauchen Interakti­on mit anderen. Austausch, zusammen sein, Gemein­schaft. Auch die Digitalisierung ändert das nicht. Wir möchten sie uns zu Nutze machen. Hier gilt es, die jeweils aktuellen Lücken zu finden und sie mit innovativen, bedürfnisorientierten Ideen zu schließen. 

Viele entdeckten das Fahrradfahren wieder für sich. Wer also sein Hobby mit einer lebendigen Gemeinschaft und einer sinnstiftenden Tätigkeit verbinden möchte, ist herzlich willkommen in unserer Fahrradstaffel. Andere nutzten die Zeit, um sich mit Literatur und Geschichte auseinanderzu­setzen. Es gibt eine Johanniter-Historiengruppe, die genau das zum Leben erweckt. 

Warum ist Ehrenamt für unsere Gesellschaft wichtig? 

Ehrenamt ist eine Art der Selbstentfaltung. Es ist ein Hobby mit Menschlichkeit. Bei uns geht es um Werte wie Gemeinschaft und Nächstenliebe. Gerade die Pandemie zeigte, wie wichtig diese Werte sind. Wer sich für ein Ehrenamt ent­scheidet, der möchte Zeit schenken, um unsere Gesellschaft aktiv zu gestalten.

 Herr Hauser, was bekommt ein ehren­amtlicher Helfer nur bei den Johannitern? 

Eine über 900-jährige Tradition beim zeitgemä­ßen Helfen! Wir geben Ehrenamtlichen eine Heimat, in der sie sich entfalten dürfen. Wir planen keine Einheit und stülpen diese jemandem über. Bei uns entstehen die Angebote durch die Lücke, die jemand entdeckt und schließt. So ist auch das Kriseninter­ventionsteam (KIT) entstanden. Es wurde erkannt, dass sich bei schweren Situationen nur um die direkten Opfer gekümmert wurde. Angehörige oder Zuschauer wurden viel zu wenig beachtet. Es können hier aber auch schwere psychosoziale Notfälle entstehen, z.B. wenn ein Familienvater reanimiert wird und die Frau im Wohnzimmer alles mitbekommt. Dafür wurde das KIT gegründet. Sie kommen nur für die Angehörigen und geben Beistand. Ein Ehrenamt was man nicht am Reißbrett planen und niemandem überstülpen kann. 

Wir sind offen für Neues. Wer einen Bedarf sieht und uns von der Idee begeistert, den unterstützen wir und dem bieten wir eine Heimat. Wir leben nach dem Motto: Lass es uns probieren! 

Was ziehen Sie aus Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit? 

Ich spende Zeit. Zeit, die ich für etwas Sinnvolles einsetzen darf. Ich bin davon überzeugt, ein glückli­ches Leben besteht aus Vielfalt. Damit meine ich auch Vielfalt in den Bausteinen eines Lebens. Dazu gehören Familie, Freunde, Beruf, Hobby und für mich auch Ehrenamt. Wenn viele dieser Bausteine aktiv sind und eines davon in Schwierigkeiten gerät, kann noch aus den anderen Energie gezogen werden. Sind zu wenig aktiv, gerät ein Mensch leichter in Schieflage.

Wo sehen Sie das Ehrenamt der Johanniter in fünf Jahren? 

Ich sehe eine tolle Gemeinschaft aus inspirierenden Menschen, die konkret etwas bewegen wollen. Was für Angebote das sein werden, das kann ich heute noch nicht sagen. Das wäre gegen unsere Philoso­phie. Wir versuchen Lücken mit zeitgemäßen Angeboten zu schließen. Immer entwickelt von den Menschen, die vor Ort sind. 

Letzte Frage: Welche Art von Mensch passt per­fekt zu den Johannitern? 

Grundsätzlich jeder Mensch, der Gemeinschaft wünscht. Der unsere Werte leben möchte. Unsere Hilfsorganisation richtet sich an alle Menschen gleich welcher Religion, Nationalität und Kultur. Als Johanniter gestalten wir unsere Gesellschaft mit. Bei uns zählt der Mensch! Die Motivation und die Begeisterung sind uns wichtig. 

Vielen Dank für das Interview.