Wenn jede Minute zählt
Die ehrenamtlichen Helfer vor Ort aus Eggolsheim stehen Menschen zur Seite bis der Rettungsdienst eintrifft
Bei einem Notfall spielt die Zeit eine entscheidende Rolle: Gerade bei schweren Verletzungen kann jede Minute zählen. Zwar ist der Rettungsdienst in Bayern ist so organisiert, dass jeder an einer Straße liegende Einsatzort innerhalb von 12 Minuten erreicht werden kann, doch auch diese Minuten können lang werden: Diese Lücke schließen in vielen, vor allem ländlichen Regionen die Helfer vor Ort - zum Beispiel in Eggolsheim im Landkreis Forchheim. 20 Ehrenamtliche engagieren sich dort aktuell als sogenannte First Responder. Ihr Ziel ist es, den Menschen zu helfen noch bevor der Rettungsdienst vor Ort ist. Sie überbrücken die sogenannte therapiefreie Zeit und leisten Erste Hilfe. Eine von ihnen ist die Maschinenbaustudentin Lara Stöhr. Ihre Motivation für dieses herausfordernde Ehrenamt? „Menschen zu helfen, für andere da sein und immer etwas Neues lernen.“ Wie ihre Kolleginnen und Kollegen bringt sie das Engagement und die Zeit freiwillig auf – neben dem Studium. Die Gruppe aus Eggolsheim ist bunt gemischt, Ältere und Jüngere, Handwerker und Studenten, Menschen, die auch im Hauptberuf bei einer Hilfsorganisation arbeiten, andere, die vor ihrem Engagement bei den Helfern vor Ort gar keinen Bezug zur Notfallrettung hatten. Der Einstieg für Lara und die anderen ist in der Regel eine Ausbildung zum Sanitätshelfer mit 48 Unterrichtseinheiten. Hinzu kommt bei den Johannitern, zu der die Helfer vor Ort Eggolsheim gehören, ein Aufbaumodul und ein Modul für First Responder mit 32 Unterrichtseinheiten. Wer nach einem solchen Kurs das Gelernte praktisch anwenden will, ist bei den Helfern vor Ort richtig.
Wenn ein Team der Eggolsheimer Helfer vor Ort „dienstverfügbar“ ist, melden sie sich bei der Rettungsleitstelle Bamberg/Forchheim an und werden dann im Notfall auch von dort alarmiert. Die Schichten gehen jeweils von 19 Uhr abends bis 7 Uhr früh. Was einen erwartet, weiß man dabei nie. „Wir erleben alles, vom Verkehrsunfall bis zum Herzinfarkt, vom chirurgischen Notfall bis zum Selbstmord“, so Standortleiter Anton Martin. Deshalb ist es besonders wichtig, die Ehrenamtlichen gut auf den Ernstfall vorzubereiten. Ende November haben sich deshalb alle zum jährlichen Fortbildungstag getroffen: Dort wird das theoretische Wissen aufgefrischt, aber auch ganz praktisch geübt. Zum Beispiel die Anwendung eines Defibrillators oder die Herz-Lungen-Wiederbelebung. „Kontinuierliche Weiterbildung ist wichtig, doch der erste echte Einsatz ist dann doch nochmal eine ganz andere Herausforderung“, so Anton Martin. Deswegen werden Neulinge auch nicht gleich alleine ins kalte Wasser geworfen: „Erst einmal sind sie nur als Praktikanten bei mehreren Einsätzen mit zwei erfahrenen Kolleginnen und Kollegen dabei. Wenn das gut läuft, können sie dann alleine mit einem Kollegen oder einer Kollegin Schichten übernehmen.“ Lara Stöhr fühlte sich vor ihrem ersten Einsatz auf jeden Fall gut vorbereitet: „Durch dieses interne Praktikum, die Übungen und Fortbildungen bekommt man Sicherheit.“
Corona hat natürlich auch Auswirkungen auf den Einsatz der Helfer vor Ort. Aus Eigenschutzgründen rückten die Ehrenamtlichen für einige Zeit nicht aus, inzwischen sind sie wieder in Alarmbereitschaft – geimpft, in Hygienemaßnahmen geschult und ausgestattet mit der entsprechenden Corona-Schutzausrüstung. Im Schnitt sind die Helfer vor Ort 100 bis 120 Mal pro Jahr in den Gemeinden Eggolsheim, Buttenheim, Hallerndorf und Altendorf im Einsatz und übernehmen dann vor Ort die komplette Erstversorgung bis der Rettungsdienst eintrifft: „Wir leisten Erste Hilfe, führen im schlimmsten Fall eine Reanimation durch, bereiten alles für eine Übergabe an den Rettungsdienst oder den Notarzt vor und natürlich beruhigen und betreuen wir auch die Betroffenen“, schildert Anton Martin. Er selbst musste bereits zweimal einen Menschen reanimieren. „Beim ersten Mal hat man daran schon zu knabbern. Vor allem für neue Ehrenamtliche ist das nicht leicht zu verarbeiten.“ Dann wird im Team viel geredet, bei Bedarf kann sich jeder an einen Seelsorger oder an das Team der Psychosozialen Notfallversorgung der Johanniter wenden, das speziell dafür ausgebildet ist, auch Einsatzkräften nach belastenden Erfahrungen zur Seite zu stehen.
Und was sollte man mitbringen für ein Ehrenamt bei den Helfern vor Ort? „Lust sich zu engagieren und gute Laune“, findet Anton Martin. „Egal welcher Typ jemand ist, wir geben den Leuten auf jeden Fall das nötige Rüstzeug mit, um diese Aufgabe zu bewältigen.“ Wer mehr über die Helfer vor Ort wissen will, kann sich gerne an die oberfränkischen Johanniter wenden.