„Ich will einfach etwas zurückgeben“
Michael Freudensprung und Jonathan Maier stehen als Krisenhelfer ehrenamtlich Menschen zur Seite, die plötzliches Leid ertragen müssen
Ihre Aufgabe ist es, Menschen zu betreuen, die gerade den Tod eines Angehörigen oder einen schweren Unfall miterleben mussten. Dafür stehen sie nachts auf, verzichten auf Freizeit und sind immer auf Abruf. Doch Michael Freudensprung, 34, und Jonathan Maier, 22, empfinden das alles nicht als Belastung. Für sie ist es ein Glück, anderen Menschen helfen zu können.
Beide engagieren sich im Team der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) bei den oberfränkischen Johannitern: Michael Freudensprung seit einem Jahr, Jonathan Maier seit rund sechs Monaten. Das PSNV-Team wird von der Leitstelle Bamberg-Forchheim immer dann angefordert, wenn Menschen nach einem Notfallereignis unter großer psychischer Belastung stehen. Wenn die Krisenhelfer auf die Angehörigen, Zeugen oder Ersthelfer treffen, wissen sie meist nur umrisshaft, was auf sie zukommt. Jonathan Maier hat bei seinem ersten Einsatz die Ehefrau eines Mannes betreut, die gerade dessen erfolglose Reanimation miterleben musste: „Man weiß nie, was einen erwartet und jeder Mensch reagiert anders in so einer Situation. Manche sind ganz ruhig, viele weinen. Aber wir hatten auch schon Menschen, die aggressiv wurden gegen die Einsatzkräfte. Natürlich kommt auch immer wieder die Frage nach dem ‚Warum‘. Auf jeden Fall sind wir eine Art Schutzschild für die Betroffenen, wir schirmen sie ab, hören zu, sind einfach da, schweigen gemeinsam oder übernehmen auch Anrufe, zu denen die Betroffenen in dem Moment nicht im Stande sind.“ In der Regel ist das PSNV-Team einige Stunden vor Ort und steht den Betroffenen zur Seite, wenn die Einsatzkräfte oder der Notarzt längst wieder weg sind.
Die Ehrenamtlichen werden fundiert auf ihre herausfordernde Aufgabe vorbereitet. Bevor sie bei ersten Einsätzen hospitieren, durchlaufen sie eine Ausbildung zur „Fachkraft Krisenintervention“ und auch später stehen immer wieder Weiterbildungen auf dem Programm. Michael Freudensprung arbeitet hauptamtlich im Fahrdienst der Johanniter. Yvonne Wagner, Leiterin des Johanniter-PSNV-Teams, hat ihn auf das ungewöhnliche Ehrenamt angesprochen: „Sie hat mitbekommen, dass ich bereits mehrmals als Ersthelfer ohne Scheu oder Angst bei Notfällen eingegriffen habe. Nachdem ich mir dann angeschaut habe, wie solche Kriseneinsätze ablaufen, war ich sofort dabei.“
Jonathan und Michael haben in den ersten Monaten bereits zahlreiche Einsätze hinter sich gebracht, darunter auch besonders tragische wie den Tod eines Kindes im Bamberger Stadionbad. Wie gehen sie mit solchen Erlebnissen um? „Wenn ich die Einsatzkleidung daheim ausziehe, dann ist es für mich vorbei. Man muss das ablegen, vom Privaten trennen“, so der 34-Jährige Johanniter. Natürlich werden die Einsätze direkt nachbesprochen und am Folgetag auch noch einmal mit der Teamleiterin reflektiert. Das ist wichtig, um abschließen zu können. Der angehende Grundschullehrer Jonathan Maier ergänzt: „Man darf sich selbst nicht zu viel Last auflegen, auch wenn man viel Trauriges hört.“
Und was ist die Motivation der beiden, sich neben Job und Studium so zu engagieren? Michael Freudensprung will „der Gesellschaft einfach etwas zurückgeben“ und Jonathan Maier betont, dass er sich auch „Hilfe wünschen würde, wenn mir etwas passiert“. Besonders wichtig ist den beiden aber auch, dass sie in einem tollen Team arbeiten. Trotz aller tragischen Momente gibt ihnen das Ehrenamt in der PSNV viel zurück: Freude, Zusammenhalt und eine gemeinsame Aufgabe. „Das ist der Grund, warum wir gut in jeden Einsatz gehen können.“ Eines aber verstehen beide nicht: Dass sich ein Projekt wie die PSNV durch Spenden finanzieren muss. Sie würden sich mehr Unterstützung durch offizielle Stellen wünschen, „damit wir zum Beispiel ein eigenes Einsatzfahrzeug finanzieren könnten und den Menschen so noch besser helfen könnten“.