Am Anfang einer Krise steht der Schock. Der Krisenauslöser, ein Unfall, eine Nachricht, ein Ereignis, schlägt wie ein Blitz ein, zerstört ein durch Normen geordnetes und an ihnen orientiertes Leben. Unvorbereitet wird man mit einer Lebenssituation konfrontiert, die von der Norm abweicht: Die Krise ist ausgelöst, der Betroffene befindet sich in panischer Angst vor dem Unbekannten. Automatisch greift er auf erlernte Reaktionsmuster zurück, wehrt sich, baut Verteidigungsburgen, setzt rationale Rituale in Gang, tut alles und unterläßt nichts, um den Krisenauslöser zu verdrängen. Dieser kann nicht existent werden, weil er nicht existent sein darf. Der Betroffene kann ihn noch nicht ertragen und erkämpft sich Freiraum durch ständiges Hervorbringen von Abwehrmechanismen.
Allen Betroffenen gemeinsam ist in diesem Schwebezustand des Umkreisens der Krise das Hauptmerkmal der ‚impliziten Leugnung‘. Diesem Zustand der Ungewissheit entspricht auf der Ausdrucksebene die Frage „Was ist eigentlich los … ?“.
Dem gesprächsanalytisch Geschulten wird deutlich, daß sich hinter dem ‚eigentlich‘ bereits das uneingestanden Mitgedachte verbirgt, also die Anerkennung der Krise sich schon latent vorbereitet. Für die Begleitung ist es hilfreich, die 1. Spiralphase Ungewissheit als Erkennungs- oder Eingangs-Stadium noch genauer zu beschreiben. Es lassen sich drei typische Zwischenphasen feststellen, die einander sowohl ablösen wie neben- und miteinander bestehen können:
Zwischenphase 1.1 Unwissenheit: „Was soll das schon bedeuten...?“
Zwischenphase 1.2 Unsicherheit: „Hat das doch etwas zu bedeuten...?“
Zwischenphase 1.3 Unannehmbarkeit: „Das muss doch ein Irrtum sein…?“
Bei fehlender Prozeßbegleitung wird die Wahrheits-Entdeckung unverhältnismäßig lange hinausgeschoben. Durch angemessene Begleitung werden hier die Weichen gestellt, um einen Abbruch der Krisenverarbeitung mit Tendenz zu sozialer Isolierung zu verhindern. So wird ein Lernprozeß eröffnet, der Aussicht auf Miteinanderleben schafft.