„Lichtstrahlen im Herzen“
Angehende Erzieherin in Johanniter-Kita Märchenland in Melle schreibt Geschichte, um Kindern den Umgang mit Tod und Verlust geliebter Menschen zu erleichtern
Eigentlich ein viel zu großes Thema für die Kleinen: Der Verlust eines geliebten Menschen. Was Erwachsene schon kaum begreifen können, ist umso schwerer für ein Kind zu verstehen. Doch fernhalten von den Kleinsten kann niemand die Trauer, Ohnmacht oder auch Wut, die Todesfälle mit sich bringen – vor allem im näheren Umfeld. Eine angehende Erzieherin in der Johanniter-Kita Märchenland in Melle hat sich Gedanken gemacht, wie sie Kinder in solchen Trauerphasen begleiten und die negativen Gefühle in etwas Positives wandeln kann. Herausgekommen ist die Geschichte „Lichtstrahlen im Herzen“. Für die Bebilderung der Geschichte nutzte die junge Frau künstliche Intelligenz, die sie mit genauen Beschreibungen fütterte, um Bilder zu erhalten, die zum Text passen und einen einheitlichen Stil haben.
Juan Hasun ist Sozialassistentin und angehende Erzieherin in der Kita der Johanniter-Unfall-Hilfe. Sie wurde immer wieder mit den Themen Tod und Verlust konfrontiert. Sei es die verstorbene Großmutter oder der Familienhund, von Zeit zu Zeit steht ein Kind vor ihr, das mit schwierigen Gefühlen umgehen muss und Redebedarf hat. Und auch ihr selbst ging das Thema lange nicht aus dem Kopf: „Ich habe 2018 meine Schwester verloren und lange gebraucht, das zu verarbeiten.“
In der Schule behandelte die Klasse dann die Themen Trauer und Tod. Irgendwann konnte Hasun nicht mehr mitarbeiten, ihre Gefühle nahmen überhand. Ihre Lehrerin spürte, was in der jungen Frau vorging und hatte die richtige Idee. Sie schickte Juan Hasun raus auf einen Spaziergang. Für die junge Mutter, die zwischen Kind, Arbeit und Lernen kaum Pausen hat, war es seit langem ein Moment, in dem sie sich ihren Gefühlen und Gedanken widmen konnte. „Da kamen mir so viele Gedanken. Immer wieder kommen Kinder und suchen Trost und müssen reden. Es geht ja nicht immer nur um den Tod, sondern auch darum, dass jemand einfach nicht mehr da ist. Es gibt viele Kinder von Alleinerziehenden in der Kita“, erklärt Hasun. Die Fragen der Kinder kennt sie selbst von ihrer mittlerweile achtjährigen Tochter, die nach ihrem Vater fragt und wie schwer es ist, Antworten zu finden. Sie wusste, dass immer wieder Kinder kommen würden, die etwas verarbeiten müssen. Und sie wusste, dass auch sie noch einiges zu verarbeiten hat. So kam sie auf die Idee, ein Buch zu schreiben, dass ihr und den Kindern hilft. Die Idee für „Lichtstrahlen im Herzen“ und einen Erinnerungsgarten auf dem Kita-Gelände war geboren. Im Erinnerungsgarten werden Gegenstände, die mit der vermissten Person zusammenhängen gesammelt. Das können Muscheln von gemeinsamen Urlauben sein, ein schönes Bild, ein bemalter Stein mit den Lieblingsfarben der geliebten Person oder einem wichtigen Motiv im Leben dieses Menschen. Alles ist möglich. Der Erinnerungsgarten soll ein Ort werden, an dem die Kinder Zugang zu ihren Gefühlen und möglichst positiven Erinnerungen finden. Es soll ein geschützter Raum sein, in dem die Emotionen Platz haben, auch Tränen und Gespräche, über das, was gerade in dem Kind vorgeht. Hasun sagt über den Garten: „Die Sachen sollen dort ganz, ganz lange bleiben, so dass die Kinder immer darauf zurückgreifen können.“
Hasun glaubt, dass die Konzentration der Kinder im Alltag sich verbessert, wenn sie in einer schwierigen Phase nicht ständig mit dem Gefühl beschäftigt sind, sondern an einem bestimmten Ort und einem zeitlichen Rahmen Platz dafür ist. Juan Hasun erklärt, dass im Garten ein gesunder Umgang mit schwierigen Situationen und Empfindungen gelernt werden kann. Denn können Kinder nicht mit ihren Gefühlen umgehen, kann sich das in Trauer, Wut und Aggression äußern, was nur zu noch mehr Problemen führt. Gerade Jungen muss vermittelt werden, dass es in Ordnung ist, Gefühle zu teilen, und dass es keine Schwäche ist: „Dafür müssen wir als Erwachsene gute Vorbilder sein“, sagt sie. Der Erinnerungsgarten ist nämlich auch für das Kita-Team ein Anlaufpunkt.
Bücher über Trauer, auch extra für Kinder, gibt es viele. Für Juan Hasun fühlte sich das aber immer unzureichend an: „Ein Buch stumpf zu lesen, fand ich zu wenig. Danach ist das Buch zu. Aber das Kind braucht viel mehr Zeit, vielleicht Monate um eine Lösung zu finden - und auch einen Ort.“ Zu dieser Erkenntnis gelangte sie, während ihrer eigenen Besuche auf dem Friedhof. Außerdem möchte Hasun das Thema in den Gruppen behandeln, damit es das betroffenen Kind einfacher hat, sich zu öffnen, und die anderen Kinder sensibilisiert und behutsam sind.
Die 34-jährige Juan Hasun ist alleinerziehende Mutter einer Tochter und pendelt täglich zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Ihre Ausbildung zur Sozialassistentin musste sie in Niedersachsen wiederholen, da ihr Abschluss im Nachbarbundesland nicht anerkannt wurde. Einrichtungsleitung Nadine Münstermann ermutigte sie, den Weg weiterzugehen und sich zur Erzieherin weiter zu qualifizieren. Der Rückhalt, den sie in der Johanniter-Kita erfährt, bestätigt ihr gutes Bauchgefühl im Bewerbungsverfahren: „Ich wollte unbedingt in dieser Kita arbeiten.“
Juan Hasun hofft, dass ihre Geschichte vielen Kindern hilft. Ihr Wunsch ist „Lichtstrahlen im Herzen“ irgendwann als richtiges Buch in Händen zu halten.