Auf eigenen Wegen
Hier zählt jede Stimme: Seit einem Jahr gibt es die Johanniter-Kita in der Mitgaustraße/Kinderparlament geplant
Braunschweig. Das Baugebiet „Nördliches Ringgleis“ hat eine ganz eigene Dynamik: An vielen Ecken wird gewerkelt, Bagger rumpeln durch die Straßen, Bürgersteige sind noch Pisten, Bauzäune säumen die Wege. Vieles rund um die modernen Wohnanlagen, die in den vergangenen Jahren entstanden sind, ist im Wandel. Eine Dynamik, die perfekt zur Johanniter-Kita Mitgaustraße passt.
Wenn Kita-Leiterin Silke Prieske durch die langen Gänge der rund 1000 Quadratmeter großen Einrichtung läuft, dann hat das Drumherum auch eine schwungvolle Dynamik. In den Gruppenräumen wird gewuselt, gespielt und gebastelt, Bobbycars sausen über die Flure und ein fröhliches Stimmengewirr untermalt die lebendige Atmosphäre. Draußen wie drinnen: Es ist etwas in Bewegung.
Im August 2019 hat der Braunschweiger Johanniter-Ortsverband seine zweite Kita in der Löwenstadt eröffnet. Platz haben in der Ganztagseinrichtung (Öffnungszeit 7:30 Uhr bis 16:30 Uhr) 88 Mädchen und Jungen – verteilt auf fünf Gruppen: drei Kita- und zwei Krippen-Gruppen. Das Besondere: Es gibt eine so genannte Integrationsgruppe. Dort werden Kinder mit und ohne Behinderung von zwei pädagogischen Fachkräften und einem Heilpädagogen gemeinsam betreut. Vier Plätze (von insgesamt 18) sind für Mädchen und Jungen mit speziellen Bedürfnissen reserviert.
Bewegung ist auch ein Thema, wenn es um die Struktur der Kita geht. Silke Prieske ist daran gelegen, eine moderne Einrichtung zu schaffen. In der Mitgaustraße wird nach dem ,Situationsansatz‘ gearbeitet. Ein Stichwort: Partizipation, also Teilhabe. Die Kinder sollen eine Stimme haben, ebenso die Eltern, und natürlich auch das 25-köpfige Team. „Mitbestimmung ist extrem wichtig“, sagt Prieske. Jeder hat eine Stimme, jeder hat eine Meinung. Das wird an mehreren Stellen deutlich. So wählen die Kinder zum Beispiel jedes Jahr ihren Gruppennamen neu. Das, was in vielen anderen Kindergärten als unveränderlich gilt, wird in der Mitgaustraße immer wieder neu bestimmt. Ein Prozess, in den sich jedes Kind einbringen kann und soll. Gewählt wurde in den vergangenen Wochen ganz demokratisch: Zunächst gab es Namensvorschläge, dann wurde mithilfe von Tischtennisbällen, die in einer „Wahlurne“ landeten, die Auswahl getroffen. Das Ziel: „Am Ende müssen sich alle mit dem neuen Namen identifizieren können“, sagt Silke Prieske. Und für die Kinder bleibt das Gefühl: „Ich kann hier etwas entscheiden.“ Eine Empfindung, die noch weiter gestärkt werden soll. Noch im Oktober wird zum Beispiel das erste Kinderparlament in der Kita Mitgaustraße tagen. Aus jeder Gruppe werden zwei Vertreter/-innen gewählt, die dann in regelmäßigen Abständen mit den Erziehern zusammenkommen, um über wichtige Themen zu sprechen. „Wir geben natürlich einen Rahmen vor“, sagt Prieske. „Aber in diesem Rahmen dürfen die Kinder selbst entscheiden.“ Auch die Eltern werden um eine Meinung gebeten. Gleich am Eingang der Kita hängt eine Pinnwand, dort ist Platz für Verbesserungsvorschläge, Wünsche und Ideen. „Wir möchten den Eltern viel Platz geben, sich einzubringen.“
Die Mitarbeitenden der Kita Mitgaustraße arbeiten erst seit 14 Monaten zusammen. „Das klappt alles super, ich bin sehr zufrieden“, sagt Prieske. Trotzdem hat die Pandemie den sorgsam strukturierten Alltag gehörig über den Haufen geworfen. Plötzlich mussten die Türen der einzelnen Gruppen geschlossen bleiben, Veranstaltungen wurden abgesagt. „Das war eine große Umstellung für uns alle“, sagt die Kitaleiterin. Nach der Sommerschließzeit ist nun ein neuer Start gelungen, trotz Corona, trotz Baustellen vor den Fenstern. Wandel bedeutet ja auch immer Fortschritt.