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11.06.2018 | Hamburgische Kommende des Johanniterordens

Wie Gott dir vergibt, so vergib auch du!

Über eigene Schuld spricht niemand gerne, doch vielen fällt es auch schwer, anderen zu vergeben. Dabei lehrt uns Jesus mit dem Vaterunser: Wie Gott dir vergibt, so vergib auch du! Eine Andacht von Pastor Ulrich Rüß.

Wer lässt sich schon gerne auf die eigene Schuld ansprechen? Das Reden von Sünde und Schuld ist nicht nur außerhalb der Kirche zunehmend überholt und befremdlich, kommt auch bei christlichen Insidern nicht gut an.

Das Bedenken von eigener Sünde und Schuld bekommt aber unter der Wirklichkeit der Vergebung eine wichtigere Bedeutung. Meine und deine Schuld bleibt nicht stehen bei zerknirschender Selbstanklage und Verurteilung. Sie finden Bewältigung und Tilgung in der Vergebung. So geht jedenfalls Gott mit Schuld und Sünde der Menschen um. Christus bezeugt: Gott liebt dich Sünder. Er geht mir dir gnädig um. Schließlich hat sich Gott unsere Sünden zu seiner Sache gemacht, Christus nimmt unsere Schuld auf sich, stirbt für uns am Kreuz. Wir sind von Gott Begnadete. Wer eigene Sünde und Schuld verdrängt, verdrängt meist auch die große Befreiung von Gnade und Vergebung Gottes.

Aber das genau ist das Herzstück unsres Glaubens. Wo die Sünde groß ist, da ist die Gnade umso mächtiger! Gottes Liebe steht über deiner Schuld.

Im bekanntesten und weitverbreitetsten Gebet, das von Jesus stammt (Mat 6) – dem VATERUNSER – beten wir: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Nun geht es nicht mehr nur um meine Vergebung von Gott, sondern um unsere Vergebungsbereitschaft gegenüber jenen, die an uns schuldig geworden sind. Jesus will uns mit diesem Gebet lehren: Wie Gott dir vergibt, so vergib auch du! Gott will, dass wir bereit sind zu vergeben. In dem Maße, wie wir unseren Mitmenschen vergeben, wird Gott uns auch vergeben. Wir geben mit unserem Vergebungsverhalten Gott den Maßstab vor.

Haben wir nicht alle die Erfahrung gemacht, wie befreiend und erleichtert wir uns fühlten, wenn Eltern, Ehepartner, Freunde und Kollegen nachsichtig mit uns waren? Wenn sie uns nicht immer wieder die Schuld unter die Nase rieben, wenn uns vergeben wurde? Haben wir nicht auch die gegenteilige Erfahrung gemacht, wie das Leben eingeengt und belastend wurde, wie Beziehungen in die Brüche gingen, weil uns nicht verziehen wurde und wir auf unser Versagen festgenagelt wurden?

Wer nicht verzeihen kann, nimmt seiner Seele den Atem, weil er sich zusätzlich zur eigenen Schuld auch noch mit der Schuld des anderen belastet. Eine Doppelbelastung gleichsam. Manchmal habe ich den Eindruck, die Menschen vergäben sich etwas, wenn sie vergeben. Es geht gegen vermeintlichen Stolz und die eigene Ehre. Aber zu welchem Preis der Selbstschädigung. Gott will unsere Vergebung und unser Vergeben! Nicht die Schuld, sondern die Vergebung soll das letzte Wort haben. Mein Mitmensch und ich, wir beide sind auf wechselseitige Vergebung angewiesen. Ein Neuanfang in Liebe ist Wirklichkeit. Liebende leben von der Vergebung!

Wie befreiter, liebevoller, menschlicher und freudiger wäre unser Leben, wenn wir uns vom Geist der Vergebung leiten ließen! Dann sind wir als Gesegnete glücklich dran. Jesus hat uns das vorgelebt. Seine Vergebung machte Neuanfang möglich. Wer nachtragend ist, schleppt in seinem Leben zu viel mit sich herum.

Lasst uns von Herzen beten: Vergib und unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

RR Pastor Ulrich Rüß
(Andacht auf der JHG-Mitgliederversammlung 2018)