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29.08.2020 | Hamburgische Kommende des Johanniterordens

„Dem Schwachen hilf‘, treu zu sein“ – gilt das auch für uns?

„Dem Schwachen hilf‘, treu zu sein“ – das ist das Thema, das Paulus für den jungen Gemeindeleiter Timotheus von Christus her entfaltet. Kennen wir diesen Timotheus in uns? Eine Predigt von Pastor Alexander Röder beim Johanniter-Rittertag 2020.

Im 2. Brief an Timotheus schreibt Paulus: „Halt im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten, aus dem Geschlecht Davids, nach meinem Evangelium, für welches ich leide bis dahin, dass ich gebunden bin wie ein Übeltäter; aber Gottes Wort ist nicht gebunden.

Darum dulde ich alles um der Auserwählten willen, auf dass auch sie die Seligkeit erlangen in Christus Jesus mit ewiger Herrlichkeit.

Das ist gewisslich wahr: Sind wir mit gestorben, so werden wir mit leben; dulden wir, so werden wir mit herrschen; verleugnen wir, so wird er uns auch verleugnen; sind wir untreu, so bleibt er treu; denn er kann sich selbst nicht verleugnen.“

Liebe Schwestern und Brüder,

„dem Schwachen hilf, treu zu sein“ heißt es im Ordensgebet. Das genau ist das Thema, das Paulus für den jungen Gemeindeleiter Timotheus von Christus her entfaltet. Timotheus ist durch seine nichtchristliche und oft feindselige Umwelt und erst recht durch verwirrende Meinungen und Lehren innerhalb der Kirche verunsichert und mutlos dem Evangelium gegenüber.

Timotheus ist der „Schwache“. Nicht schwach an Körperkraft, noch nicht einmal schwach im Glauben, sondern ein Schwacher darin, diesen Glauben allen Widerständen zum Trotz fröhlich zu leben und so Christus zu verkündigen.

Kennen wir diesen Timotheus in uns? Haben wir, wenn wir das Ordensgebet sprechen, auch uns selbst im Sinn und vor Augen, wenn wir Gottes Hilfe für den Schwachen erbitten, dass er treu bleiben möge?

Paulus geht es im Blick auf seinen Schützling Timotheus um zweierlei. Da ist das Evangelium von Jesus Christus. Es erzählt – im Neuen Testament in vier Varianten von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes aufgeschrieben – vom Wirken des Sohnes Gottes an den Menschen und führt uns am Ende zum Höhepunkt, dem Wirken Jesu für alle Menschen – durch sein Leiden, seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung. Es geht im Evangelium um Heilung der Kranken und Siechen, um diakonische Zuwendung zu den Armen und den Menschen am Rande und um soziale Gerechtigkeit. Dann aber geht es um die endgültige Erlösung vom Tod und das ewige Heil des Menschen. Paulus nennt das die „Seligkeit in Jesus Christus mit ewiger Herrlichkeit“.

So weit, so gut. Das ist die Lehre. Darin ist Timotheus unterwiesen von Jugend auf. Und wir hoffentlich auch. Was Paulus aber anfragt, ist das Evangelium, das Timotheus in sich trägt und wie er das lebt und predigt durch Wort und Tat. Welche „gute Mär“ haben wir der Welt zu erzählen, um Luthers Weihnachtslied zu zitieren? Ist das Evangelium wie ein Schild des Glaubens, den wir vor uns halten, aber damit letztlich auch auf Abstand halten von unserem Innersten?

Gottes Verheißung in Jesus Christus gilt es, schon jetzt und hier mit Worten und Taten zu verkündigen und zu leben – auch gegen Widerstände; wenn es sein muss – wie im Fall des Apostels Paulus – auch unter Inkaufnahme von Leiden und Verfolgung. Es geht um alles, nämlich die ewige Seligkeit. Und das macht es nicht leicht, immer treu zu sein und zu bleiben.

Die Kirche und die Gemeinde und somit auch unser Orden sind Erinnerungsgemeinschaften. Timotheus wurde der Glaube von seiner Mutter und seiner Großmutter vermittelt. Von anderen hat er gehört und dann für sich angenommen, wer Jesus Christus ist, und Paulus als ein guter Seelsorger erinnert ihn daran, macht ihm Mut und ermahnt ihn zugleich mit der Heilsbotschaft von Tod und Auferstehung Jesu Christi und, dass Timotheus daran schon jetzt Anteil hat durch seine Taufe. Auch das ist aktives Verkünden des Evangeliums, ist Hilfe für den Schwachen, treu zu sein.

„Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei?“ fragt Jesus seine Jünger nach dem Zeugnis des Matthäus. „Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten.“ „Und ihr?“ fragt Jesus weiter. Paulus fragt Timotheus und fragt uns: Wer ist Jesus für dich? Was ist dein Zeugnis über ihn? Ist er der gute Lehrer? Der bessere Mensch? Das Vorbild, der Ethiker? Eines der ältesten Glaubensbekenntnisse der Kirche sagt, Jesus sei Sohn Gottes und sei „Soter“, das heißt Retter und Erlöser, und zwar vom Tod.

Wunderbar auch, dass uns die Evangelisten Hilfestellungen und Bilder vorgeben: Jesus ist der leidende Gottesknecht, sagt Markus. Er ist der König der Juden, schreibt Matthäus. Ein großer Arzt der Menschen proklamiert Lukas und ganz anders wiederum Johannes: Er ist das Lamm Gottes. Aber du, wer sagst du, wer Jesus für dich sei. Was sagst du den Menschen, denen du begegnest, über ihn? Was ist dein ganz persönliches Evangelium?

Paulus schreibt von seinem Evangelium, das ihm selbst in der verzweifelten Lage, in der er sich befindet, Halt und Zukunft gibt. Jesus ist der Gekreuzigte und Auferstandene – nicht für sich selbst, sondern für Paulus in seiner misslichen Situation und für Timotheus in seiner Kümmernis und für uns.

Wie war es damals und in den Jahrzehnten, die folgen sollten? Die Christen wurden verfolgt, gefoltert und ermordet. Aber sie hatten das Evangelium. Das Zeugnis, dass Jesus seinen Weg auch für sie gegangen war – ans Kreuz, in den Tod und dann in ein neues, unzerstörbares Leben. Sie hatten das als ihr Eigen. Was nennen wir unser Eigen? Mein Haus, mein Beruf, meine Familie. Und wie steht es mit meinem Evangelium? – fragt uns Paulus.

„Halte das im Gedächtnis, Timotheus! Halte Jesus Christus in deinem Gedächtnis. Allezeit. In allem, was du tust.“

Gedächtnis – das ist mehr als bloße Erinnerung. Es ist die Gegenwart des Heils, die Gott mir schenken will, in meinem Alltag. Es ist die Wahrheit Gottes für mein Leben.

Das Zeugnis der Evangelisten zu meinem Zeugnis zu machen für mein Leben und in der Welt und vor der Welt, das ist es, was Paulus Timotheus gegenüber als Treue bezeichnet.

Und selbst da, wo wir schwach sind, bleibt Jesus diesem Evangelium treu. Es bleibt so stark und wahr, wie es von Gott her ist, selbst dann, wenn es von Menschen und in der Kirche verwässert, verdreht, verschwiegen oder verleugnet wird. Und weil Christus treu bleibt, eröffnet er zugleich für jeden von uns zu jeder Zeit die Möglichkeit, zu dieser Treue umzukehren.

Christus kann sich nicht selbst verleugnen. Das ist ein starkes Wort, und falls der junge Timotheus bis dahin noch immer nicht verstanden hatte, dass der Erfolg seiner Verkündigung gerade nicht auf seiner eigenen Kreativität und seinen persönlichen Einsichten beruht, so haben ihm diese Verse des Briefes hoffentlich die Augen und das Herz geöffnet und ihm geholfen. Und hoffentlich helfen sie auch uns. Denn so verschieden von der Situation damals ist unsere heutige nicht.

Darum ist dieser starke Kernsatz so entscheidend: Christus bleibt treu, weil er sich selbst nicht verleugnen kann – weder seinen Tod noch seine Auferstehung für uns, weder seine Herrschaft über alle Welt noch seinen Willen, uns zu retten und mit ewiger Herrlichkeit zu beschenken.

Der kurze Abschnitt aus dem 2. Brief des Paulus an Timotheus ist damals wie heute eine Aufforderung und Ermahnung, im Glauben und für das Leben den Blick auf das „Erste“ zu konzentrieren, wie Paulus es an die Korinther schreibt: „Als Erstes habe ich euch weitergegeben…: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift.“ Und dass es dafür erste Zeugen gibt und danach weitere – und nun bist du an der Reihe, Timotheus, nicht mehr als Augen-, aber als Ohrenzeuge und als Mund.

Und heute sind wir es: Blickt auf das, was erste Bedeutung hat im Glauben! Hören und annehmen, danach zu leben versuchen und bezeugen, was wir als Wahrheit erkannt haben. Das ist die Treue, in der wir uns gegenseitig stärken und trösten sollen, ganz so, wie Paulus Timotheus tröstet und ermutigt. Das ist die Treue, um die wir immer wieder füreinander beten sollten: Dem Schwachen hilf, treu zu sein.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Der Text wurde übernommen aus dem Kommende-Kurier 2/2020 der Hamburgischen Kommende des Johanniterordens.