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30.10.2023 | Hamburgische Kommende des Johanniterordens

Taufe - was ist das eigentlich?

Es ist immer weniger selbstverständlich, dass Kinder getauft werden. Zeit, die Frage zu stellen: Was ist Taufe eigentlich? Darauf gibt es keine einfache Anwort. Eine Annäherung in sieben Sakramenten von Pastor Martin Hofmann.

Sehr verehrte Damen und Herren,

nun werde ich Ihnen mal die Taufe erklären. Ich hoffe, es wird mir nicht gelingen. Unsere Sakramente sterben nämlich, wenn sie erklärt werden. Sie sind mehr als in eine Dogmatik passt oder in den Kopf einer Taufmutter - von Pastorenköpfen ganz zu schweigen. Ich werde Ihnen nicht sagen, wie Sie Taufe zu verstehen haben. Dinge, die man versteht, verlieren ihren Zauber, aber Gott sei Dank (im wahrsten Sinne des Wortes) gibt es in unserer Welt Raum für Mysterien, für Dinge, die wir begrifflich nicht so schnell am Nacken packen können. Unsere Sakramente gehören dazu, Gott selbstverständlich auch, Liebe, Leben, Tod, warum einzelne Socken in Waschmaschinen verschwinden, alles höchst mysteriös. Was ist Taufe? Rilke riet in einem Brief einmal einem jungen Mann, die Fragen lieben zu lernen, wenn die Antworten schwerfallen.

Was ist Taufe? Fragt man 2023 Taufeltern, bekommt man auf die Tauffrage zumeist ähnliche Antworten. Eine ist mir in Erinnerung geblieben: „Herr Hofmann, wir möchten unser Kind taufen lassen, weil wir im Sommer so viel Auto fahren.“ Es dauerte eine Zeit, bis mir klar wurde: Es geht um Schutz. Natürlich wussten die Eltern, dass die Taufe keinen Airbag ersetzt. Es ist eine diffuse Volksfrömmigkeit, die Hermann van Veen einmal so umschrieb: „Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod. Aber ich würde auch alle Fälle meine Zahnbürste mitnehmen.“ Taufe. Sicher is’

Diffuse Frömmigkeit… Irgendwie hat Taufe was mit Schutz zu tun, irgendwas mit Dankbarkeit, irgendwie was mit christlichen Werten und mit Annahme. Manchmal raunt mir ein Vater auch nur auf die Frage, warum Taufe, zu: „Meine Schwiegermutter will es so…“ Das ist - von der Schwiegermutter mal abgesehen - der Traditionsbegriff. Wir taufen, weil es die Alten auch schon getan haben. Irgendwie soll in der Taufe auch noch gesagt werden, dass der kleine Leopold-Maximilian das schönste und klügste Kind unter Gottes Sonne ist. Ernsthaft: Manche Taufe erinnert eher an eine Inthronisation: Aus einem Gottesdienst wird ein Leopold-Maximiliandienst. Der arme Kerl. Aber wer will darüber richten?

Diffuse Tauffrömmigkeit. Ich hüte mich, in Taufgesprächen sie tot zu erklären, wedle nicht mit Römer 6, wo doch ganz klar steht, was denn eigentlich Taufe sei. Schätzen wir es doch erst einmal wert, dass 80.000 Menschen 2020 evangelisch getauft wurden, davon 70.000 Kinder (im Jahr 2019 waren es übrigens doppelt so viele. Corona lässt grüßen.) Um noch einmal aufs Taufgespräch 2023 zurückzukommen, fast alle Gespräche enden mit: „Ach, ja, Herr Hofmann, das ist noch eine Sache: Ein (zwei, drei, vier) Paten sind nicht mehr in der Kirche. Aber immerhin ist einer Anthroposoph. Macht doch nichts. Oder?“ Soweit ein kleiner Einblick in den pastoralen Nähkasten.

Ich möchte Ihnen gleich einen kurzen Überblick über die Taufe geben. Kurz. Und ich schließe mit einigen Zugängen zum Mysterium Taufe. Aber bleiben wir einmal kurz bei Leopold-Maximilian. (Ich hoffe, keiner Ihrer Söhne heißt so). Ganz ehrlich und unter uns: sooo schön und klug war er gar nicht mit seinen sechs Monaten. Ganz ehrlich und unter uns: Leopold-Maximilan ist ein ganz normaler kleiner Mensch. Ich weiß nicht, wie viele Kinder ich getauft habe, aber ich habe in den letzten zwei Jahrzehnten gelernt: So originell sind Kinder gar nicht (Erwachsene übrigens auch nicht). Ich offenbare, dass ich ein Lied zur Taufe nur halbbegeistert singe: „Vergiss es nie…“ Es ist relativ verbreitet, vielleicht kennen es auch einige von Ihnen und mögen es mehr als ich. Ich hoffe, Sie grüßen mich trotzdem: Das Lied endet mit den Worten: „Du bist du, das ist der Clou, ja der Clou, ja du bist du.“ Es ist ein Zeichen unserer Zeit, jede Taufe zum Event und jeden Säugling zum Clou erklären zu müssen. Ganz ehrlich und unter uns: Geht’s auch eine Nummer kleiner? Natürlich: Man spürt die Elternliebe hinter dem Clou, aber - so traue ich mich zu fragen: Könnte sich Elternliebe nicht auch darin zeigen, dass man sein Kind nicht über andere erhöht? Fulbert Steffensky prägte einmal den schönen und heilsamen Begriff der „Entwichtigung“. Ein Substantiv, das dem deutschen Wortschatz 2023 schmerzlich fehlt: Es ist eine Gnade, einfach mal ein absolut durchschnittlicher, normaler und vielleicht sogar etwas langweiliger Mensch sein zu dürfen. Letzten Samstag habe ich übrigens den kleinen Johannes getauft, eine Taufgemeinde mit 25 Menschen, schief kopierten Liedzetteln und die Taufkerze hätte der Vater beinahe im Kinderwagen vor der Tür vergessen. Danach meinte unser Organist zu mir: „Was war das schön. Endlich mal wieder eine ganz normale Taufe ohne großes Tamtam…“

Auch in der Kirche greift die Eventisierung um sich. Unsere Hamburger Kirchenkreise haben mit viel Geld und Personal eine Ritualagentur ins Leben gerufen. Sie trägt den Namen st.moments. Sollte jemand von Ihnen Kinder oder Enkel haben, die noch nicht getauft sind: Kommen Sie am 1. September zwischen 16.00 und 22.00 Uhr hier in diese Kirche und feiern sie Ihren sogenannten „Goldmoment“: Einfach spontan mal vorbeischauen, mit einer Pastorin reden und sich taufen lassen. Die Bibelfesten unter uns mögen sich an den Kämmerer von Äthiopien erinnern, der sich nach der Unterweisung durch einen Tramper namens Philippus spontan taufen ließ.

Da sprach der Kämmerer (in Apostelgeschichte 8): Siehe, da ist Wasser; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse? Nichts scheint es zu hindern, denn so weiter: Er ließ den Wagen halten und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich.

Der erste Goldmoment der Bibel. Wenn Sie am 1. September dabei sind, erzählen Sie mir bitte, ob der Geist des Herrn auch die Spontantäuferinnen entrückt hat. Die goldenen Momente haben in unserem Kirchengemeinderat nach einer Andacht heftige Gefühle hervorgerufen. Darf man das? Einfach so taufen? Theologisch kann sich st.moments auf die Apostelgeschichte 8 berufen.

Im Laufe der letzten 2000 Jahre ist uns Christenmenschen die Spontaneität ein wenig abhandengekommen. Schon im 2. Jahrhundert dauerte christliche Spontaneität drei Jahre, bei guter Führung im Taufunterricht vielleicht etwas kürzer. Kurz vor der eigentlichen Taufe wurde geprüft, ob die Katechumenen ehrenwert lebten, ob sie die Kranken besuchten und ob sie von guten Werken erfüllt seien. Dann kam der Bischof zum ersten Exorzismus (auf den wir noch gesondert zu sprechen kommen), die Taufanwärter hatten sich am Donnerstag zu waschen, am Frei- und Samstag zu fasten, um dann am Samstagabend noch einmal exorziert zu werden. Die ganze Nacht sollen sie wach zubringen, in dem man indem man ihnen vorliest und sie belehrt. Wenn der Hahn kräht, soll zunächst über dem Wasser gebetet werden. Dann sollen sich die Täuflinge entkleiden, die Kinder kommen zuerst. Alle, die für sich sprechen können, sollen für sich sprechen. Für die anderen sollen die Eltern sprechen. Nach den Kindern kommen die Männer, dann die Frauen, die allen Schmuck abzulegen haben. Niemand soll einen fremden Gegenstand mit sich ins Wasser nehmen. Der Bischof spricht den Dank über dem Öl der Danksagung und exorziert das Öl des Exorzismus. Dann werden die Taufanwärter mit eben diesem Öl zum 3. Mal exorziert und ab geht es nackt ins Wasser.

Glaubst du an Gott, den allmächtigen Vater?

Ich glaube. Erstes Untertauchen.

Glaubst du an Jesus Christus, Gottes Sohn, der durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria geboren ist und gekreuzigt unter Pontius Pilatus und gestorben und am dritten Tag lebend von den Toten auferstanden ist und in den Himmel hinaufgestiegen ist und zur Rechten des Vaters sitzt, der kommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten.

Ich glaube. Zweites Untertauchen.

Glaubst du an den Heiligen Geist und die Heilige Kirche und die Auferstehung des Fleisches?

Ich glaube. Drittes Untertauchen.

Dann: Raus aus dem Wasser. Salbung mit dem Öl der Danksagung. Abtrocknen. Anziehen. Abendmahl.

Ich habe die Traditio Apostolica aus dem 2. Jahrhundert leicht gekürzt, aber Sie merken: Spontaneität sieht anders aus. Die meisten Taufen, die wir erleben, schwanken irgendwo zwischen der Traditio und Goldmoments. Ich behaupte, die wenigsten werden in einer ev.-luth. Landeskirche schon einmal das volle Programm mitgekommen haben. Heute haben wir das Taufformular massiv zusammengestrichen: Taufbefehl, Gebet, Zuspruch, Glaubensbekenntnis, Taufhandlung, Votum mit Handauflegung Taufspruch. Zehn Minuten reichen.

Seit Konstantin wurde die Taufe vom Sakrament der Umkehr immer mehr zu einem Sakrament der Initiation. Es wurde immer normaler, dass Säuglinge getauft wurden, etwas, wofür im Neuen Testament nur mit sehr großer Mühe ein Befund zu finden ist. Der linke Flügel der Reformation, z.B. die Täufer und die Mennoniten und später die Baptisten bekämpften die Kindertaufe bekanntlich als unbiblisch. Die lutherische Tradition kennen Sie alle aus Ihrem Kleinen Katechismus.

Was gibt oder nützt die Taufe? Sie wirkt Vergebung der Sünden, erlöst vom Tode und Teufel und gibt die ewige Seligkeit allen, die es glauben, wie die Worte und Verheißung Gottes lauten.

Nach der Aufklärung und durch die liberale Theologie wurde aus dem Sakrament der Bekehrung, der Absage vom Bösen und der Eingliederung in die Gemeinde immer mehr ein Willkommensritual: „Wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst.“ Was Taufe für unsere reformatorischen Mütter und Väter hieß, muss ich Ihnen nicht groß erklären, denn das kann man auch singen. Machen wir jetzt auch:

Ich bin getauft auf deinen Namen

Ich bin getauft auf deinen Namen, Gott Vater, Sohn und Heil'ger Geist, Ich bin gezählt zu deinem Samen, Zum Volk, das dir geheiligt heißt, Ich bin in Christum eingesenkt, Ich bin mit seinem Geist beschenkt.

Du hast zu deinem Kind und Erben, Mein lieber Vater, mich erklärt, Du hast die Frucht von deinem Sterben, Mein treuer Heiland, mir gewährt. Du willst in aller Not und Pein, O guter Geist, mein Tröster sein.

Doch habe ich dir Furcht und Liebe, Treu' und Gehorsam zugesagt. Ich hab' aus deines Geistes Triebe Dein Eigentum zu sein gewagt. Hingegen sagt' ich bis ins Grab des Satans schnöden Werken ab.

Mein treuer Gott, auf deiner Seite bleibt dieser Bund wohl feste stehn; Wenn aber ich ihn überschreite, so lass mich nicht verlorengeh‘n! Nimm mich, dein Kind, zu Gnaden an, Wenn ich hab' einen Fall getan!

Ich gebe dir, mein Gott, aufs Neue Leib, Seel' und Herz zum Opfer hin. Erwecke mich zu neuer Treue und nimm Besitz von meinem Sinn; es sei in mir kein Tropfen Blut, der nicht, Herr, deinen Willen tut.

Lass diesen Vorsatz nimmer wanken, Gott Vater, Sohn und Heil'ger Geist! Halt mich in deines Bundes Schranken, bis mich dein Wille sterben heißt! So leb' ich dir, so sterb' ich dir, so lob' ich dich dort für und für.

Es ist immer weniger selbstverständlich, dass Kinder getauft werden. Die Taufbereitschaft sank in den letzten Jahren rapide. Immer wieder gehörtes Argument: Das soll das Kind später einmal selbst entscheiden, ob es Christ sein will. Ein Satz, den ich ebenso überzeugend finde wie: Das soll das Kind später einmal selbst entscheiden, ob es Spanisch sprechen kann.

Besonders Alleinerziehende tun sich schwer mit der Taufe. Das mag an der Überhöhung der Taufe als Fest der Heiligen Familie liegen und mit der Scham, allein mit dem Baby am Taufbecken zu stehen. Hinzu kommt: Nicht jede kann sich den Aufwand und die Kosten eines Familienfestes leisten. Nebenbei: Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein mussten mancherorts Frauen für die Taufe ihres unehelich geborenen Kindes dem Pfarrer eine erhöhte Gebühr zahlen. Begründung: Dieser müsse ja neben der Taufpredigt zu Beginn des Gottesdienstes noch eine Bußpredigt wegen der Unzucht halten. Damals wie heute: Menschen machen Pastoren immer nur Arbeit. Schlimm! Vor diesem Hintergrund scheinen eigene Tauffeste wirklich eine Möglichkeit, bestimmte Zielgruppen zu erreichen…

Bevor ich zu verschiedenen Bedeutungsebenen der Taufe komme, ein kurzer biblischer Überblick (Da Alexander Röder schon umfassend im Kolleg über Johannes den Täufer referiert hat, halte ich mich kurz.).

Die griechisch-römische Antike kennt viele Formen von Waschungen und Besprengungsriten, vergleichbar mit der Taufe sind sie nicht. Der Psalmist betet:

„Entsündige mich mit Ysop, dass ich rein werde; wasche mich, dass ich weißer werde als Schnee.“ (51,9)

Reinigungsbäder waren und sind im Judentum weit verbreitet: in fließenden Gewässern und eigens gebauten Mikwen. Hier knüpft Johannes an, setzt das Untertauchen aber in einen anderen Kontext: Es ist eine Bußtaufe, die auf Bekehrung angesichts des nahenden Gerichts zielt: Die Wassertaufe schützt vor der Feuertaufe, durch die das Volk Israel zu gehen hat. Vielleicht war sie damals das Gegenritual zum Tempelkult.

Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe, berichtet der Evangelist Markus (1). Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt zu! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er’s ihm zu. Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Dass Jesus das Bad der Sündenvergebung nötig gehabt hätte, hat nachfolgende Theologengenerationen irritiert. Das apokryphe Nazaräer Evangelium kommentiert: Jesus hätte allein die Sünde der Unwissenheit begangen. Jesus erkennt den Täufer an, vielleicht gehörte er selbst eine Zeit zu seiner Schule. Er selbst taufte nicht, wohl aber seine Jünger, wenn man dem Johannesevangelium (4,1ff.) glauben darf. Wie die johannäische Taufe nach Ostern zum christlichen Ritual wurde, bleibt umstritten. Vielleicht sehnten sich die ersten Christenmenschen nach einem Ritual, dass der Beschneidung gleichkam.

Der erste namentlich genannte christlich Getaufte ist im Neuen Testament ein Herr namens Saulus, der irgendwo bei Damaskus vom Pferd fiel. Sie kennen die Geschichte… Nachdem aus dem Saulus ein Paulus geworden war, schreibt er vergleichsweise wenig über die Taufe. Ich werde auf einige Ansätze gleich noch einmal zurückkommen. Zehn Kapitel nach seinem Damaskuserlebnis trifft Paulus in Ephesus einige Jünger (Apg 19) und fragt sie:

Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet? Sie sprachen zu ihm: Wir haben noch nie gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt. Und er fragte sie: Worauf seid ihr denn getauft? Sie antworteten: auf die Taufe des Johannes. Paulus aber sprach: Johannes hat getauft mit der Taufe der Buße und dem Volk gesagt, sie sollten an den glauben, der nach ihm kommen werde, nämlich an Jesus. Als sie das hörten, ließen sie sich taufen auf den Namen des Herrn Jesus. Und als Paulus ihnen die Hände auflegte, kam der Heilige Geist auf sie und sie redeten in Zungen und weissagten.

Die Epheser schienen sich „vertauft“ zu haben: Statt den Heiligen Geist zu empfangen, waren sie im Bußruf des Johannes steckengeblieben. Taufe - so der erste Zugang zur Taufe - ist das Sakrament der Geistverleihung.

Sie ist mehr als Segen. Wir erinnern uns an die Taufe Jesu, bei der der Heilige Geist als Taube vom Himmel herabkam. Geistverleihung… Etwas, was wir Evangelisch-Lutherischen manchmal etwas argwöhnisch als Pfingstlerisch betrachten… Dabei ist diese Geistverleihung bei Paulus stramm lutherisch, es ist in Wasser gegossene Rechtfertigung. Paulus schreibt 1. Kor 6,11:

Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes.

2. Zugang: Taufe, das ist das Sakrament der Annahme.

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! (Jes. 43,1)

Ein beliebter Taufvers. Der Begriff “auf den Namen” taufen kam im Griechischen aus dem Geschäftsleben: “auf den Namen“ sagte man bei der Übereignung von Geld auf ein Konto. Auf die Taufe übertragen: Du gehörst jetzt Gott. Du atmest seinen Geist. Du bist mehr als Menschen in dir sehen. Fulbert Steffensky spricht von den zwei Namen des Menschen:

„Es gibt zwei Arten von Namen. Den Indianernamen und den Taufnamen. Den Indianernamen bekomme ich, wenn ich mich namhaft gemacht habe. Wenn ich also scharf sehen gelernt habe, nennt man mich Adlerauge. Wenn ich schnell laufen gelernt habe, nennt man mich Springender Hirsch. Der Indianername ist ein schöner Name, weil er die Stärken des Menschen ehrt. Aber wehe, wenn es nur ihn gibt! Wehe, wenn man nur angesehen wird, wenn man sich selber ansehnlich gemacht hat! In einer solchen Gesellschaft könnte man nicht Kind sein, nicht alter Mensch, nicht Kranker, nicht Behinderter und nicht Sterbender. Das Schönste, was uns das Christentum lehrt, ist die Überzeugung, dass wir nicht sind, weil wir uns verdient gemacht haben. Wir sind, weil wir schon vor aller eignen Liebenswürdigkeit geliebt sind. Unser Name ist schon in die Hand Gottes geschrieben, ehe wir uns namhaft gemacht haben.“

Wenn wir durch die Taufe in Gottes Hand gegeben werden, werden wir anderen Händen entrissen. Das ist für 2023 ein vielleicht ungewöhnlicher Gedanke.

Trotzdem: 3. Zugang: Die Taufe ist das Sakrament der Befreiung aus dem Bann des Bösen.

Ich habe vorhin schon vom Exorzismus gesprochen. Auch in der Evangelischen Kirche gehört(e) eigentlich ein Exorzismus vor die Taufe. In der Katholischen Kirche ging der Priester den Paten und dem Täufling bis an die Schwelle der Kirchentür entgegen und nahm dort den Taufwunsch entgegen. Dann blies er dem Täufling ins Gesicht: „Fahre aus, du unreiner Geist, und gib Raum dem Heiligen Geist!“ Der Täufling empfing daraufhin das Zeichen des Kreuzes auf Stirn und Brust, und nach einem Gebet hieß es wiederum: „Nimm von ihm alle Blindheit des Herzens. Zerreiße alle Fesseln Satans, mit denen er gebunden war.“ Schließlich, nach einigen weiteren Riten, folgte der eigentliche Exorzismus: „Ich beschwöre dich, du unreiner Geist, im Namen des + Vaters und des + Sohnes und des + Heiligen Geistes, dass du ausfahrest und weichest von diesem Diener Gottes. Denn der selbst befiehlt dir, Verfluchter und Verdammter, der sicheren Fußes über das Meer wandelte.“ Ich habe immer überlegt, ob ich das nicht auch einmal in der Christuskirche Othmarschen versuchen sollte. Ich bliebe damit sicher in Erinnerung…

Die wenigsten von uns werden an einen Teufel glauben, der vor der Taufe ausgetrieben werden muss. Doch behaupte ich: Wir kennen das Böse, das Böse, das kein Mensch einzeln zu verantworten hat, transpersonale Strukturen und Dynamiken, die dem Leben entgegenstehen: Taufe sagt: All das hat keine Macht über dich. Du bist erlöst, erlöst zum Widerstand gegen das Böse. Soweit die Theologie. Aber es stimmt auch, was Luther angeblich gesagt haben soll: In der Taufe wird der alte sündige Adam ersäuft, aber Vorsicht: Der Kerl kann schwimmen! So wird Taufe zum lebenslangen Prozess. Luther spricht vom täglichen unter die Taufe kriechen. Immer wenn bei Luther der alte Adam hochkam, die Angst, die Depression, die Anfechtung, soll er angeblich ein Stück Kreide genommen haben und schrieb vor sich auf die Tischplatte: Ego baptizatus sum. Ich bin getauft. Das heißt, so Dr. Martinus: "Ich bin nicht einfach ein Mensch, sondern ich bin getauft auf einen Mann, der da Christus heißt, der den Tod überwunden hat" Ich bin getauft auf Christus. Ich gehöre Gott. Taufe ist eine Familienfeier, nicht der Schnedermanns oder der Wesemöllers. Es ist die Feier der Familie Gottes:

4. Zugang: Die Taufe ist das Sakrament der Gemeinschaft.

1. Kor 12, 13: Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt.

Nicht Kirchensteuer, sondern Taufe konstituiert Kirchenmitgliedschaft. Durch die Taufe bekommen wir eine neue Schwester, einen neuen Bruder. Der beliebte Spruch, dass man für seinen Gott keine Kirche braucht, stimmt. Für unseren Gott aber braucht es Kirche. Wenn Taufe mehr als stümperhaftes pastorales Haarewaschen ist, dann hat sie Folgen, in der Erziehung und der Beziehung. Wir sind getauft. Wir sind unterschiedlich, von Temperament, Begabung, Weltanschauung, aber von einem Geist getränkt Wir sind keine Neigungsgruppe wie ein Hockeyclub oder ein Kaninchenzüchterverein. Und auch, wenn es so oft in Taufansprachen gesagt wird: Wir sind selbst gar nicht so wichtig, wie wir immer denken. Wie schon gesagt: Manche Taufen von Marie-Charlotte-Sophie oder Kevin Dustin erinnern an Krönungen kleiner Prinzessinnen und Prinzen. Der Clou der Taufe ist ja gerade: Du musst kein Clou sein. Taufe begründet zwar den individuellen Individualismus. Aber sie begrenzt ihn auch. Steffenskys Frau Dorothee Sölle nannte die Taufe das Sakrament gegen die Apartheit. Wir, ansehnlich oder nicht, stark oder schwach, arm oder reich werden durch die Taufe zum Leib Christi, eine Gemeinschaft, die Leid und Glück teilt, die aber auch gegenüber der Welt gemeinsam Christus repräsentiert. Und dieser Leib Christi besteht nicht nur aus evangelisch-lutherischen Nasen und Füßen, Er ist größer als wir denken. so kommen wir zum

5. Zugang: Taufe ist das Sakrament der Einheit

Eph 5,5: ein Herr, ein Glaube, eine Taufe;

Wir haben auf dieser Welt so viele Schwestern und Brüder, die wir noch gar nicht kennen: armenisch-orthodoxe Priester und indische, katholische Nonnen, verfolgte Schwestern in Nordkorea und schwerreiche Fernsehgemeinden in den Staaten. Fast alle Konfessionen erkennen (im Gegensatz zum Abendmahl) gegenseitig die Taufe an. Wir teilen uns Gottes gnädigen Blick. Schön wäre es, wenn wir alle dann irgendwann auch noch Brot und Wein teilen könnten. Durch die Taufe wird Christus global, vereint uns über die Konfessionen hinweg im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Wasser tut' s freilich nicht, haben die meisten von Ihnen irgendwann einmal auswendig gelernt, sondern das Wort Gottes, das mit und bei dem Wasser ist, und der Glaube, der solchem Worte Gottes im Wasser traut. Denn ohne Gottes Wort ist das Wasser schlicht Wasser und keine Taufe; aber mit dem Worte Gottes ist's eine Taufe, das ist ein gnadenreiches Wasser des Lebens und ein Bad der neuen Geburt im Heiligen Geist.

Wir taufen mit Wasser, dem Urelement des Lebens. Wir kommen aus dem Wasser. Leben durch Wasser. Und zugleich wissen wir um die Bedrohung durch Wasser, gerade in Zeiten des Klimawandels.

Also 6: 6. Die Taufe ist das Sakrament der neuen Schöpfung.

In der Taufe wird uns der Geist zugesprochen, der fortwährend in der Welt wirkt, der sie erhalten will und erneuert. Dieser Geist lehrt uns die Ehrfurcht vor dem Leben, lehrt uns als Stellvertreter Christi und Prokuristinnen Gottes diese Welt zu erhalten, bis sie erlöst wird. Denn das ist sie noch nicht: erlöst.  

Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt,

schreibt Paulus im Römerbrief (8,22). Es geht nicht um parteipolitische Umweltschutzprogramme. Die Taufe ist Zeichen: Ein Christenmensch ist Teil der Schöpfung Gottes und er hat Anteil am Schöpfungsauftrag. Der Mensch wird diese Welt nicht retten, aber er schreibt die Geschichte der Schöpfung mit fort, bis Gott einen neuen Himmel, eine neue Erde errichtet.

Sechs Bedeutungsebenen haben wir, zum Schluss noch eine, die für den sogenannten gesunden Menschenverstand nicht ohne weiteres zugänglich ist. Sie ist unerlässlich, weil ohne sie Taufe zumindest ansatzweise erklärbar wäre. Die Gemeinschaft der Getauften ist nicht allein die, die von seinem Geist erfüllt ausdrücklich angenommen ist, die dem Bösen widerstehen kann, die eine Gemeinschaft und weltweit eine Einheit darstellt und Ehrfurcht vor dem Leben durchbuchstabiert. Sie ist etwas Geheimnisvolles, ist Mysterium:

 (7.) Die Taufe ist das Sakrament der Christusverbundenheit.

Jede und jeder von uns wird durch die Taufe mit dem Tod und der Auferstehung Christi verbunden. Paulus greift im Römerbrief (6) auf griechische Mysterienkulte zurück, um Worte für die Taufe zu finden.

So sind wir ja mit Christus begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln.

Wir werden eins mit Christus. Manche Gemeinden meinten und meinen, sie seien damit schon erlöst, mit unglaublicher Arroganz gegenüber den angeblich nicht Erlösten. Oder sie sahen und sehen die Taufe als eine Art Freifahrtschein, sich alles leisten zu können. Wir haben durch die Taufe Anteil an Tod und Auferstehung, an der absoluten Gottesferne Golgathas und dem Sieg des Ostermorgens. Wir werden als neue Kreaturen aus der Tiefe, aus der Taufe gehoben, aber wir bleiben Angefochtene, Angefochtene, denen die Hoffnung eines ewigen Lebens in Gott offensteht. Wir dürfen hoffen: Christus bleibt uns verbunden in all unseren Dunkelheiten. Und Christus bleibt bei uns, wenn diese Dunkelheit endlich überwunden sein wird.

Soweit… Taufe, das ist das Sakrament der Geistverleihung, der Annahme, der Befreiung aus dem Bann des Bösen, der Gemeinschaft, der Einheit, der neuen Schöpfung und der Christusverbundenheit.

Viele Fragen habe ich nicht angesprochen: Wie es mit dem Patenamt aussieht in einer Zeit, in der sich immer weniger unserer Kirche zurechnen. Wie es gelingen kann, dass Täuflinge nicht als spirituelle Solisten aufwachsen, sondern in eine Gemeinde hinein.

Eine Frage trage ich seitdem ich denken kann, immer mit mir herum: Was ist mit den nicht Getauften? Mit den Kindern der Eltern, die nichts mit Religion anfangen können oder sagen: Mein Kind soll das später selbst entscheiden? Was ist mit denen, die an einen anderen Gott glauben oder an gar keinen? Ich halte es für zu vorschnell zu sagen: Natürlich gelten alle Zusagen und Verheißungen der Taufe auch für sie. Ich halte es für intellektuell unredlich zu behaupten: Wir glauben doch alle an denselben Gott, selbst dann, wenn wir nicht glauben. Ich halte für mich diese Frage seit Jahrzehnten offen. Ich weiß es nicht. Und ich muss es erfreulicherweise auch nicht wissen. Ich sagte ja schon anfangs: Ich kann Taufe nicht erklären, schon gar nicht tot. Vielen Dank.  


Predigt von Pastor Martin Hofmann anlässlich des Johanniterkolleg in St. Jacobi, 7. Juli 2023