Flüchtlingshilfe und Integration

Teil des Jahresberichts 2023

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Neue Lebenschancen schaffen

Mit dem Betrieb von Notunterkünften bieten wir Geflüchteten eine erste Bleibe. Umfangreiche Angebote unterstützen sie bei der Integration in Deutschland und helfen ihnen beim Neuanfang. Rund 1.500 hauptamtliche und mehr als 1.000 ehrenamtliche Johanniter engagieren sich in der Flüchtlingshilfe und sind täglich mit großem Engagement in den Unterkünften, in Beratungs- und Bildungsangeboten sowie in der Kinderbetreuung im Einsatz. Derzeit betreiben die Johanniter im Auftrag der Länder und Kommunen 202 Unterkünfte mit mehr als 34.000 Plätzen für Geflüchtete und unterstützen sie mit umfangreichen Integrationsmaßnahmen, darunter Erstorientierungskurse.

34.039
untergebrachte Personen
2.500
Mitarbeitende
202
Unterkünfte
80
bundesweite Projekte
Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan, besuchte ein Sprachcafé der Johanniter in Berlin, um sich über das Projekt "Ehrenamt vereint" zu informieren. Foto: Birte Zellentin

Ehrenamt vereint

Menschen, die in Deutschland Zuflucht suchen, durchlaufen häufig verschiedene Phasen: Zunächst überwiegt das Gefühl der Erleichterung, in Sicherheit zu sein. Es folgt bei vielen ein Gefühl des Aufbruchs, das Interesse an dem Land, dem neuen Umfeld, den Menschen und der Kultur. Damit verbunden ist oft der Wunsch, sich ein privates Umfeld zu schaffen und das eigene Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. In dieser neuen Situation benötigen Geflüchtete oft Unterstützung und Beratung. An verschiedenen Projektstandorten in über fünf Bundesländern bieten wir Ihnen die Möglichkeit, Kontakt zu Menschen verschiedener Kulturen und in ihrer Nachbarschaft herzustellen und ihr Leben selbstständig und selbstwirksam zu gestalten. Unser in 2023 gestartetes Projekt "Ehrenamt vereint!" ist ein bundesweites Pilotprojekt zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration geflüchteter Menschen. Im Rahmen des Projekts unterstützen die Johanniter zudem Ehrenamtliche mit und ohne Migrationsbiografie dabei, sich aktiv mit ihren individuellen Möglichkeiten einzubringen.

2023 boten die Johanniter 34.039 Menschen einen Platz in ihren Geflüchtetenunterkünften.

Malnachmittag im Treffpunkt Lamspringe. Foto: Lisa Sackmann

Gemeinsam Integration gestalten

Wie kommen Geflüchtete und Menschen ohne Fluchterfahrung zusammen? Das Projekt „Ehrenamt vereint!“ koordiniert und fördert ehrenamtliche Aktivitäten, die genau das ermöglichen. Zum Beispiel im Johanniter-Treffpunkt in Lamspringe bei Hildesheim.

Der Malnachmittag ist eine feste Größe in Lamspringe. Schon seit Anfang 2023 treffen sich alle 14 Tage Geflüchtete und Einheimische, inzwischen hauptsächlich Kinder, in den Räumen der Johanniter. Geleitet wird der Zeichenkurs ehrenamtlich vom Künstler und Illustrator Micha Kloth, der im Dorf geboren ist.

Geflüchtete und Einheimische vernetzen

Unterstützung bekommt die Gruppe von Leyla Kaplan. Sie ist Koordinatorin im Projekt „Ehrenamt vereint!“, das an mehreren Standorten im Regionalverband Südniedersachsen durchgeführt wird. Ziel des Projektes ist, ehrenamtliche Strukturen vor Ort aufzubauen, die den Geflüchteten bei der Integration helfen. Aber nicht nur das. „Umgekehrt bringen sich auch Geflüchtete ein und helfen zum Beispiel ehrenamtlich bei der Gartenarbeit“, sagt Leyla Kaplan. „So haben beide Seiten etwas davon.

Der Malnachmittag ist längst nicht das einzige Angebot, das im Rahmen des Projekts stattfindet. Es gibt zum Beispiel eine Eltern-Kind-Gruppe und den Nachmittag für ukrainische Familien, beides wird von ehrenamtlichen Helferinnen aus Lamspringe organisiert. Im wahrsten Sinne des Wortes zur besseren Verständigung trägt auch Abdessamad Talhaoui bei, der sich in der örtlichen Unterkunft für geflüchtete Männer aus Syrien und Afghanistan als Dolmetscher engagiert. Talhaoui, der 2015 selbst aus Marokko nach Deutschland kam, begleitet sie bei Behördengängen oder zum Arzt.

Besonderer Höhepunkt: Ausflug ins Theater

Theaterbesuch in Lamspringe. Foto: Lisa Sackmann

Manchmal besorgen Ehrenamtliche auch Ausstellungs- oder Konzerttickets. Ein besonderer Höhepunkt war der gemeinsame Theaterbesuch einer Gruppe von 27 Kindern und 15 Erwachsenen mit und ohne Migrationshintergrund. Aufgeführt wurde das Stück „Auf der Suche“ nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Ronja Pardular, die ebenfalls aus Lamspringe stammt.

Gerade in ländlichen Regionen wie bei uns in Südniedersachsen kann man beobachten, dass sich vor allem die Menschen engagieren, die stark mit ihren Ortschaften verwurzelt sind“, sagt Leyla Kaplan. „Wir freuen uns, dass mehrere der von uns angestoßenen Angebote sich seit Projektbeginn bis heute gehalten haben und immer noch von den Ehrenamtlichen weitergeführt werden.

Das Projekt „Ehrenamt vereint!“ wird von der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie Antirassismus gefördert. Seit Januar 2023 wird es in mehreren Regionalverbänden der Johanniter durchgeführt, darunter auch im Regionalverband Südniedersachsen.

"Die Aufnahme und Integration von Geflüchteten ist auch mit Blick auf die anhaltend hohen Flüchtlingszahlen eine dauerhafte Aufgabe für unsere Gesellschaft und für uns Johanniter."

Anne Ernst, Geschäftsbereichsleiterin Krisenmanagement & Nothilfe

Mathe und Tee. Foto: Johanniter

Schule von A bis Z

Das Integrationsprojekt Schule von A bis Z in Jüterbog hilft Kindern und Eltern, die aus Drittstaaten nach Deutschland flüchten, im deutschen Schulsystem anzukommen. Dadurch werden auch die Schulen entlastet, die in Brandenburg extrem mit Lehrermangel zu kämpfen haben.

Punkt 14 Uhr. Anna* stürmt durch die Glastür in das helle Ladenlokal nahe dem Stadtzentrum von Jüterbog. Die 6-Jährige ist in der Ukraine geboren. 2023 flüchtete sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder vor dem Krieg nach Brandenburg. Damals sprach Anna kein Wort Deutsch und war im Kindergarten isoliert. Dann kam sie in die Schule von A bis Z.

Chancen auf Bildung verbessern

Ein Klassenzimmer des Projekts. Foto: Johanniter

Das Integrationsprojekt der Johanniter-Unfall-Hilfe richtet sich an Kinder und Jugendliche, die aus Nicht-EU-Staaten nach Deutschland kommen. „Wir wollen ihnen die Chance auf gute Bildung geben und ihnen helfen, sich in ihrer neuen Lernumgebung zurechtzufinden“, sagt Antje Lange, die zusammen mit Lilia Friesen die Schule von A bis Z verantwortet.

Auf 80 freundlich eingerichteten Quadratmetern organisieren die beiden Erzieherinnen Nachhilfe und Hausaufgabenhilfe. Aber nicht nur das. Sie helfen den Kindern und Jugendlichen auch beim Lernen und üben mit ihnen, im Alltag Deutsch zu sprechen. Die Nachfrage ist riesig. Rund 15 Schülerinnen und Schüler pro Tag besuchen die Schule von A bis Z, auch Kinder im Vorschulalter wie Anna sind dabei. Zur Not werden auch Hausbesuche gemacht. Viele Familien kommen aus der Ukraine, aus Syrien und Afghanistan.

Eltern gezielt einbinden

Unterstützt wird die Arbeit von Ehrenamtlichen, meist Erwachsene und Jugendliche aus der Region. Darunter sind zwei Schüler, die selbst aus Syrien stammen und den Drittstaatangehörigen als Sprachmittler zur Seite stehen.

Auch die Eltern werden in das Projekt eingebunden. Für sie gibt es zweimal wöchentlich das Kompetenztraining „Mamaclub“, zu dem auch Väter und Großeltern willkommen sind. Dort lernen sie gezielt Vokabeln, die ihnen helfen, ihre Kinder bei den Hausaufgaben besser zu unterstützen. Bei Bedarf werden sie auch zu Elterngesprächen begleitet.

Schulen in der Region entlasten

Das kommt in den Schulen gut an. Denn in Brandenburg ist der Lehrermangel besonders hoch und die Lehrkräfte sind überlastet. „Wir bekommen sehr viel positives Feedback, weil wir mit unserer Arbeit die Schulen massiv entlasten“, berichtet Antje Lange. Erst kürzlich wurde das neue Schulprojekt „Deutsch spielen“ aus der Taufe gehoben.

Gleichzeitig zielt das Projekt darauf ab, das interkulturelle Miteinander im ländlichen Raum zu verbessern. „Wir sind gut vernetzt mit Initiativen und Vereinen, auch die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen steigert die Akzeptanz“, sagt Lilia Friesen.

Für die kleine Anna war die Schule von A bis Z ein Glücksfall. „Schon nach zwei Monaten kam aus der Kita die Rückmeldung: ‚Sie spricht!‘“, erinnert sich Antje Lange und strahlt. Gerade hat Anna den Test für ihre Einschulung bestanden.

*Name geändert

Gut zu wissen

Die Schule von A bis Z in Jüterbog ist ein Integrationsprojekt des Johanniter-Regionalverbands Potsdam-Mittelmark-Fläming, finanziert durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfond (AMIF) und kofinanziert von der UNO-Flüchtlingshilfe. Das Projekt wurde von Oliver Brückner, Einrichtungsleiter im Haus der Jugend in Potsdam, initiiert und im März 2023 eröffnet.