Integration bleibt wichtige gesellschaftliche Aufgabe
Vor dem Flüchtlingsgipfel: Johanniter appellieren an Bund und Länder, Angebote für eine gute Integration und Unterbringung dauerhaft sicherzustellen.
Im Vorfeld des anstehenden „Flüchtlingsgipfels“ im Bundeskanzleramt betont Jörg Lüssem, Mitglied des Bundesvorstandes der Johanniter-Unfall-Hilfe: „Die Aufnahme und Integration von Geflüchteten ist eine dauerhafte Aufgabe unserer Gesellschaft und für uns Johanniter. In der täglichen Arbeit sehen wir wachsende Dringlichkeiten. Wir appellieren daher an Bund und Länder, die Betreuung sowie wichtige Angebote der Integration und Unterbringung durch eine dauerhafte Förderung abzusichern.“
Rund 1.500 hauptamtliche und mehr als 1.000 ehrenamtliche Johanniter bringen sich in der Flüchtlingshilfe ein und sind täglich mit großem Engagement in den Unterkünften, in Beratungs- und Bildungsangeboten und in der Kinderbetreuung im Einsatz. Derzeit betreiben und unterstützen die Johanniter im Auftrag der Länder und Kommunen rund 130 Unterkünfte mit mehr als 30.000 Plätzen für Geflüchtete sowie umfangreichen Aktivitäten der Integration, darunter Erstorientierungskurse.
Die Forderungen der Johanniter:
- Langfristige Beauftragung und nachhaltige Finanzierung für Flüchtlingsunterkünfte
Im Sinne einer finanziell nachhaltigen Planung ist eine längerfristige Beauftragung für Flüchtlingsunterkünfte und Vorhaltekapazitäten unerlässlich. Derzeit werden viele Unter-künfte sehr kurzfristig ausgeschrieben, mit kurzen Vertragslaufzeiten versehen und wieder geschlossen. Qualifiziertes Personal ist unter diesen Rahmenbedingungen schwer zu finden und zu halten.
- Verbindliche Qualitätsstandards in der Unterbringung von Geflüchteten
Gleichzeitig sollten gerade bei längerfristigen Ausschreibungen Qualitätsstandards verstärkt berücksichtigt werden. Hilfsorganisationen wie die Johanniter-Unfall-Hilfe agieren in Ausnahmesituationen wie zu Beginn des russischen Angriffskrieges im Rahmen der Nothilfe. Bei (Neu-)Ausschreibungen von Unterkünften nach der Nothilfephase haben Hilfsorganisationen jedoch häufig das Nachsehen, da die Angebote oft ausschließlich oder vorrangig nach dem Preis bewertet werden. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass sich die Abstriche in der Betreuungsqualität etwa in einer Zunahme von Konflikten in und um Unterkünfte zeigen. Daher treten wir für verbindliche Qualitätsstandards in der Unterbringung von Geflüchteten und für eine sorgsame Abwägung der Kriterien „Preis versus Qualität“ in Ausschreibungen ein.
- Adäquate Unterbringungsmöglichkeiten für vulnerable Personen
Gerade aus der Ukraine sind seit Beginn des russischen Angriffskrieges viele Frauen mit Kin-dern, alleinreisende Jugendliche, erkrankte Personen, Menschen mit Behinderung und Seni-orinnen und Senioren nach Deutschland gekommen. Eine menschenwürdige Unterbringung vulnerabler Gruppen ist in Großunterkünften kaum möglich. Es bedarf dringend adäquater, barrierefreier Unterbringungsmöglichkeiten und Betreuungskapazitäten für vulnerable Per-sonen.
- Dauerhafte Finanzierung von Angeboten der Erstorientierung
Neben der Unterbringung bieten die Johanniter auch umfangreiche Aktivitäten der Erstintegration an, zum Beispiel Erstorientierungskurse, niederschwellige und mobile Beratung, psychosoziale Betreuung und Begegnungsangebote. Diese Projekte können meist nur über befristete und unsichere Projektfinanzierungen oder über Spenden umgesetzt werden. Das macht eine eine sichere Planung unmöglich und die dauerhaft notwendige Mittelakquise bindet Ressourcen. Häufig müssen Aktivitäten zudem eher an Ausschreibungsmerkmalen ausgerichtet werden, als an den tatsächlichen Bedarfen. Es braucht dringend eine längerfristige Planung und Finanzierung, um Angebote der Erstintegration qualifiziert und nachhaltig implementieren zu können.
Beispielsweise für die Erstorientierungskurse wurden die entsprechenden Bundesmittel in diesem Jahr nicht an die weiterhin hohe Nachfrage angepasst. Vielerorts werden die Mittel bereits zur Jahresmittel vollständig aufgebraucht sein. Wenn keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden, werden in einigen Bundesländern in der zweiten Jahreshälfte keine Erstorientierungskurse mehr stattfinden können.
- Anpassung der Zulassungsvoraussetzungen für Integrationskursträger
Die geplante Aufstockung der Mittel für Integrationskurse ist sehr zu begrüßen, da Integrati-onskurse eine langfristige Integration in Gesellschaft, Bildung und Beruf ermöglichen. Hier-bei regen wir eine Überprüfung der Zulassungsvoraussetzungen für Integrationskursträger und für Lehrkräfte an. Die Johanniter setzen seit 2016 Erstorientierungskurse um, die einen hohen Anteil an Sprachvermittlung beinhalten. Dies wird den Johannitern jedoch bei der Bewerbung als Integrationskursträger nicht anerkannt. Hier sollte dringend nachgebessert werden, um einen zügigen Ausbau der Kurse und damit ein breiteres Bildungsangebot für geflüchtete Menschen zu ermöglichen.
Über die Johanniter-Unfall-Hilfe
Die Johanniter-Unfall-Hilfe ist mit rund 29.000 Beschäftigten, mehr als 46.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und 1,2 Millionen Fördermitgliedern eine der größten Hilfsorganisationen in Deutschland und zugleich ein großes Unternehmen der Sozialwirtschaft. Die Johanniter engagieren sich in den Bereichen Rettungs- und Sanitätsdienst, Katastrophenschutz, Betreuung und Pflege von alten und kranken Menschen, Fahrdienst für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Hospizarbeit und anderen Hilfeleistungen im karitativen Bereich sowie in der humanitären Hilfe im Ausland.