Philippinen: Die schleichende Katastrophe abwenden
Berlin / Mindanao, 13. Oktober 2021
Auf den Philippinen passt sich ein Zusammenschluss von neun lokalen Küstengemeinden den langsamen Veränderungen durch den Klimawandel an. Entwicklungspläne berücksichtigen dort zukünftig die Ergebnisse von Klimarisikoanalysen, denn kaum ein Land ist von den Auswirkungen des Klimawandels und regelmäßigen Katastrophen stärker betroffen.
Je abstrakter und zeitlich entfernter Katastrophenszenarien sind, desto schwieriger ist es, gemeinschaftlich Maßnahmen zu ergreifen. Auf den Philippinen gibt es nur begrenzte Forschungen, Analysen oder das Verständnis von sogenannten Slow Onset Events, also schleichenden Veränderungen mit katastrophalen Auswirkungen. Dabei ist der Inselstaat besonders vom steigenden Meeresspiegel und zunehmenden Stürmen oder Dürren betroffen. Betroffenheit hängt dabei vor allem von der Verletzlichkeit der Menschen, Familien und ganzen Gemeinden ab. Armut ist ein elementarer Faktor.
Seit November 2019 unterstützen die Johanniter mit ihrem Partner HIPPE einen Zusammenschluss von Küstengemeinden in der Provinz Surigao del Norte. Die Hinatuan Passage Development Alliance (HIPADA) plant integrierte Klimaschutzmaßnahmen, die auf vorhandenem Wissen und finanziellen Ressourcen basieren. Arme Gemeinschaften werden befähigt, Klima-, Katastrophen- und Umweltrisiken zu bewältigen und einen Plan zur nachhaltigen Entwicklung einzuschlagen. Denn durch die Auswirkungen von Armut und Klimarisiken haben traditionelle Lebensgrundlagen immer häufiger ausgedient. Neue und nachhaltige Optionen als Existenzgrundlagen sind notwendig.
Heute arbeiten rund 1600 Bauern- oder Fischerfamilien an alternativen und anpassungsfähigen Lebensgrundlagen. Sie nutzen andere Pflanzenarten, verwenden weniger Wasser oder satteln komplett auf neue und innovative Einkommensquellen um. Entscheidend war zuvor, dass Klimarisikoanalysen ausgewertet und verstanden wurden, um die Ergebnisse in lokale Entwicklungspläne einfließen zu lassen. Das wandelt abstrakte Risiken in konkrete Maßnahmen um, die über den Projektzeitraum Bestand haben.
Welche Einkommensmaßnahmen einige Gemeinden durchgeführt haben, lesen Sie hier:
Während viele Menschen aufgrund fehlender Flächen Schwierigkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, steht der Amoslog Fisherman's Association (AFA) viel ungenutztes Land in ihrer Gemeinde zur Verfügung. Die Gemeinde lebt hauptsächlich von der Landwirtschaft, weshalb die Mitglieder von AFA vorhatten, das brachliegende Land für den Anbau von Getreide, Gemüse und anderen wertvollen Produkten zu nutzen. Es stellte sich jedoch heraus, dass das Land aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels einen hohen Salzgehalt aufweist und nicht geeignet ist. Als der Organisation das Konzept der umweltbasierten Existenzsicherung (EBA) vorgestellt wurde, gaben sie ihre bisherigen Pläne auf und entschieden sich unter Berücksichtigung der Anpassung an den Klimawandel um. Sie begannen mit dem Bau und der Bewirtschaftung eines Schlammkrabbenteichs. Die Arbeiten starteten im Jahr 2020 und umfassten hauptsächlich die Anlage des Schlammkrabbenteichs im Wert von umgerechnet 27.000 Euro und die Aufzucht der ersten Schlammkrabben. Die Mitglieder überwachen und pflegen heute die Einrichtung auf freiwilliger Basis. Für das anstehende jährliche Stadtfest von Surigao City rechnet die Organisation mit einer steigenden Nachfrage nach Delikatessen wie Krabben und Garnelen. 95% ihrer derzeitigen Ernte wird dann eingefahren und bis zum Ende 2021 sollen mehr als 100.000 Pesos (ca. 1800 Euro) eingenommen werden. Die Einnahmen werden gesammelt, gespart und am Jahresende zu gleichen Teilen unter den Mitgliedern aufgeteilt.
Laut Elli Padilla, der Präsidentin der Organisation, profitiert die Gemeinde von einem zusätzlichen Einkommen und hat nun eine alternative Lebensgrundlage, die das zuvor brachliegende Land in ihrer Gemeinde nutzt. Zusätzlich trägt es dazu bei, dass die einheimischen Meerestiere nicht weiter gefährdet werden.
Conchita Salasperal leitet die Organisation Campo Bacuag Rice and Corn Association (CAMRICOFA), die sich für die Sicherung des Lebensunterhalts von Landwirten und Landwirtinnen im Bezrik Bacuag einsetzt. Auf Grund des Klimawandels klagen viele der Mitglieder über eine erschreckende Zunahme der Intensität und Dauer von Trockenperioden und Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen, oder das plötzliche Eindringen von Salzwasser in einige ihrer Wasserquellen. Um die Lebensgrundlage weiterhin zu sichern, begann die Organisation im April 2020 mit der Produktion von Austernpilzen, sowie der Wurmkompostierung. Zwar handelt es sich bei beiden um in der gesamten Provinz recht neuartige landwirtschaftliche Methoden, jedoch sind sie perfekt geeignet, um die zwei gesetzten Ziele zu erreichen, indem sie örtlichen Landwirtinnen und Landwirte natürliche Düngeralternativen bereitstellen und die Ernährungssituation nachhaltig und umweltfreundlich verbessern. So konnte die Organisation bis August 2021 bereits 139 Kilogramm Austernpilze ernten und damit insgesamt 20.850 Pesos einnehmen. Für die nächste Ernte rechnet sie mit Einnahmen von mehr als 57.000 Pesos (rund 1000 Euro).
Da die Methode neu war, musste den Mitgliedern die Methode zunächst durch Workshops nähergebracht werden. Mit Erfolg: Laut Conchita Salasperal hat die Gemeinschaft bessere Ernährungsgewohnheiten entwickelt und konnte ihre finanzielle Situation verbessern. Die Mitglieder sind motiviert, die Arbeit fortzusetzen und andere Menschen zu ermutigen, ebenfalls neue Alternativen auszuprobieren. So hat auch die Hinatigan Farmers Development Association (HIFADA) den Anbau von Austernpilzen und die Produktion von Wurmkompositerung begonnen. Sie können die technischen Fähigkeiten ihrer Mitglieder im Hinblick auf den ökologischen Landbau bestens einbringen und die Umtellung ermöglicht es ihnen, neue Ansätze und Innovationen zu erlernen. Die Aktivitäten haben den Mitgliedern vor allem während der eingeschränkten Coronazeit die Einnahmen erleichtert und eine Routine in ihrem Leben gegeben. Salasperal ist zuversichtlich, dass sie die Herausforderungen des Klimawandels überstehen werden: "Mit den Pilzen sprießt nicht nur ein Nahrungsmittel, sondern auch Hoffnung."
Für Menschen, deren Lebensgrundlage von natürlichen Ressourcen abhängt, ist das ökologische Gleichgewicht der lokalen Ökosysteme immens wichtig. Sie müssen stets überwacht und aufrechterhalten werden, damit die Ressourcen auch in den kommenden Jahren fortbestehen. Dies hat sich die San Isidro Coastal Dwellers Association (SICDAI), die Fischerorganisation des Dorfs San Isidro, zur Aufgabe gemacht. Die Bewohner des Dorfs sind stolz auf die Vielzahl der Fische, Muschen, Hummer, Krustentiere sowie Algen, die das ganze Jahr über in ihren Gewässern zu finden sind. Doch die zunehmende Überfischung durch Wanderfischer belastet die Bestände. Die Gemeinde hat zwar Initiativen ergriffen, um sie aus ihren Gewässern fernzuhalten, dennoch konnte die Frage nach dem Fortbestand ihrer Haupteinnahmequelle lange nicht beantwortet werden. Basierend auf dem vorhandenen Wissen der Einheimischen wurde eine ideale, umweltorientierte Maßnahme zur Sicherung des Lebensunterhalts schnell gefunden: schwimmende Fischkäfige. Mit der Marikultur können die Bewohner ihre Abhängigkeit von der schrumpfenden Meerespopulation in ihrem Gebiet verringern und es dem Ökosystem ermöglichen, sich von der Überfischung zu erholen. Die Mitglieder der Organisation helfen auf freiwilliger Basis, die schwimmenden Fischkäfige zu verwalten und zu pflegen. Für sie hat das Projekt bereits nach kurzer Zeit dazu beigetragen, die Beziehungen innerhalb der Organisation zu verbessern und ihre produktive Leistung zu steigern.
Leid verhindern, bevor es geschieht
Die Katastrophenvorsorge ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit.