Libanon: Hilfe gegen den Zusammenbruch
Berlin / Beirut, 02. August 2021
Johanniter starten weitere Nahrungsmittelhilfen für die hungernde Bevölkerung
Die enorme Explosion im Hafen von Beirut am 4. August 2020 und die Coronapandemie haben die schwierige soziale und wirtschaftliche Lage des Landes sichtbar gemacht. Mehr als 50 Prozent der libanesischen Bevölkerung lebt mittlerweile unterhalb der Armutsgrenze, viele von ihnen in extremer Armut. Die libanesische Lira verliert täglich an Wert.
Aufgrund der Wirtschaftskrise haben viele ihre Arbeit verloren, und die Beschäftigten erhalten nicht regelmäßig ihre Gehälter. Grundlegende Dinge wie Lebensmittel, Treibstoff und medizinische Versorgung sind bei einer Inflation im dreistelligen Bereich kaum noch bezahlbar. Kostete eine Kilo Reis im Mai noch 8000 Lira, müsen die Menschen heute mehr als das Doppelte zahlen: 17.000 Lira, umgerechnet rund 9,50 Euro. Die Folgen für die Menschen im Land sind enorm.
Nahrungsmittelhilfe für 2000 Familien
Besonders verheerend ist die wirtschaftliche Situation für die syrischen und palästinensischen Flüchtlinge im Land. Deshalb unterstützten die Johanniter seit der Explosion kontinuierlich bis heute 600 Familien mit Bargeld, Nahrungsmitteln und Reparaturdienstleistungen. Aufgrund der akuten Situation wird diese Hilfe nun auf weitere 2000 Familien ausgeweitet. „Der Libanon braucht weiter Unterstützung, um einen totalen Zusammenbruch zu vermeiden“, so Raghavan.
Kein Geld für medizinische Untersuchung
Jean Darc hat früher als Näherin gearbeitet, aber aufgrund von Augenproblemen ist sie arbeitslos und nicht in der Lage, ihre täglichen Grundbedürfnisse zu decken. Ihr Neffe unterstützt sie mit Medikamenten und der Miete. Wichtige medizinische Untersuchungen kann sie sich nicht leisten. Dabei bräuchte Jean Darc dringend ein MRT und eine Biopsie ihrer Lunge, um eine anhaltende Schwellung zu untersuchen. Sie nimmt eine Reihe von Medikamenten ein, u. a. für Herz, Diabetes, Magen, Nervensystem und Cholesterin. Obwohl ihr Körper dringend gesunde Mahlzeiten und Vitamine benötigt, kann sie sich gesunde Lebensmittel nicht leisten und isst nur das, was verfügbar ist: Reis, Bohnen und Linsen.
Die Explosion traf ihr Haus in Beirut und verursachte Schäden an den Fenstern und dem Dach. Als besonders gefährdete Person wurde sie mit Lebensmittel- und Bargeldhilfe durch Naba´a unterstützt, was Jean Darc sehr schätzt. Ihre Sorgen sind dennoch geblieben. Neben ihrer Gesundheit fürchtet sie eine Zwangsräumung des Hauses durch den Eigentümer, der aufgrund der Wirtschaftskrise und der Inflation, die alle betrifft, mehr Miete verlangen könnte.
Keine Kaufkraft mehr durch Inflation
Der 59-jährige Suleiman Mohammad Gharib lebt im Beiruter Stadtviertel Bourj Hammoud, das stark von der Explosion betroffen war. Als Polizist verdiente er früher etwas mehr als eine Million libanesische Lira, was vor ein paar Jahren ein anständiger Betrag war. Durch den anhaltenden Wertverlust der libanesischen Lira reicht das Gehalt längst nicht mehr aus, um die Bedürfnisse seiner dreiköpfigen Familie zu decken. Ein Drittel seines Einkommens geht für die Miete drauf, der verbleibende Betrag reicht nicht mehr aus, um die Kosten zu decken. Seine Tochter musste er von der Schule nehmen, da er nicht mehr die Gebühren aufbringen konnte. Die Explosion hatte das Haus der Familie stark beschädigt. Im Rahmen des Hilfsprojekts erhielt Suleiman 215 US-Dollar, um damit die Instandsetzung der Fensterscheiben und zweier Türen des Hauses zu finanzieren. Er führte die Arbeiten teilweise selbst aus und konnte so etwas für die Zeit der Krise aufheben, anstatt Maler und Arbeiter zu bezahlen.
Kaum Jobs für Geflüchtete
Zaiter Ibrahim Al Hussain ist aus Syrien geflüchtet und lebt ebenfalls in Burj Hammoud mit seiner Frau und zwei Töchtern. Er zog in das Beiruter Viertel, weil er es für sicherer hält und dort von der Nachbarschaft, die hauptsächlich aus Migranten und Flüchtlingen aus verschiedenen Ländern besteht, akzeptiert wird. Durch die Flucht brach Zaiter sein Studium ab. Einen Job zu finden ist sehr schwierig. Er hat sich zwar beim UN-Flüchtlingshilfswerk registriert, aber Unterstützung erhält er keine. Notgedrungen arbeitet er auf dem nahe gelegenen christlichen Friedhof, wo er Tote bestattet. "In den letzten Monaten gab es viele Beerdigungen aufgrund von COVID-19. In der Regel bekomme ich einen Anruf, wenn ich die Gräber ausheben und die Beerdigungen samt Gottesdienst durchführen soll", erzählt Zaiter. Die Bezahlung für seine Dienstleistung sei freiwillig.
Zaiters größte Sorge ist, dass es keine Arbeitsmöglichkeiten für Syrer gibt und er bald die Miete nicht mehr begleichen kann. Bisher wurden sie von den Einheimischen nicht bedroht, wenn sie als Tagelöhner arbeiteten oder einige Dienstleistungen erbrachten. Aber die Situation verschlechtert sich täglich. Naba´a unterstützte die Familie bei der Sanierung der Deckenbalken und Säulen, zudem wurden neue Türen und Fenster eingebaut. Da die Wohnung jetzt renoviert ist und gut aussieht, fürchtet Zaiter, dass der Vermieter die Miete erhöht und sie auffordern könnte, das Haus zu räumen.
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