DR Kongo: Für eine stabile Gesundheitsversorgung in Krisenzeiten

Die Provinz Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo befindet sich seit Jahren in einer latenten Ausnahmesituation. Bewaffnete Auseinandersetzungen, Vertreibungen, Epidemien und die Corona-Pandemie haben eine der größten humanitären Krisen entstehen lassen, auf welche die Weltgemeinschaft kaum blickt. Die Johanniter bemühen sich um eine stabile Gesundheitsversorgung und kämpfen gegen chronische Unterernährung vor allem bei Kindern.

Der Betrieb ländlicher Gesundheitsstationen in Nord-Kivu ist wichtig, um medizinische Versorgung bereitstellen zu können.

Die Wangen des Kindes auf dem Foto sind eingefallen, die dünnen Beine und Arme hängen kraftlos nach unten. „Ich war mir damals sicher, dass mein Sohn sterben würde“, erinnert sich Kahindo Machozi heute. Es ist nur wenige Monate her, dass das Leben ihres fünfjährigen Sohnes Kombosi auf Messers Schneide stand. Ihr Sohn litt an chronischem Durchfall und fehlendem Appetit. Der Bauch schwoll an und seine Haut wurde fahl. Als er dann stark an Gewicht verlor, brachte die Mutter ihn in die Gesundheitsstation Kahanga in der Gesundheitszone von Pinga, die von den Johannitern unterstützt wird.

Sofort bei der Ankunft habe ihr die Krankenschwester gesagt, dass Kombosi dringend stationär behandelt werden müsse. „Ich war verzweifelt wegen der Behandlungskosten, aber mir wurde versichert, dass die Johanniter die Kosten übernehmen“, erzählt Kahindo. Kombosi war eines von zu vielen Kindern, die in der Region an Unterernährung leiden: Fast jedes zweite Kind unter fünf Jahren ist chronisch unterernährt, jedes elfte Kind leidet an akuter Unterernährung, oft gepaart mit Krankheiten. Ganze vier Wochen verbrachte Kahindo in der Gesundheitsstation, wo er spezielle Nahrung und Medikamente erhielt, um zu genesen. Einen weiteren Monat wurde er ambulant behandelt.

Bewusstsein für bessere Ernährung

Kombosi mit seiner Mutter Kahindo: Zweimonatiger Kampf ums Überleben.

Für die 32-jährige Kahindo hat sich in dieser Zeit Grundlegendes geändert. Während der Junge behandelt wurde, nahm sie an Kursen teil, welche das Johanniter-Team durchführt. Dort lernte sie, wie sie die Ernährung für die Familie mit einfachen Mitteln verbessern kann. Gab es früher meist nur ein Mal am Tag Fufu-Brei, bemüht sich Kahindo heute um mehrere ausgewogene Mahlzeiten. „Ich habe gelernt, dass sich sein Gehirn besser entwickelt und er schlauer wird, wenn er sich gut ernährt“, sagt die Mutter. Sie will, das Kombosi wieder so schnell wie möglich die Schule besuchen kann und keine neue Krankheit und Unterernährung ihn davon abhalte. Dafür baut sie nun verschiedene Gemüsesorten und Getreide an. Bevor sie davon etwas verkauft, stellt sie sicher, genug für die eigene Familie zu behalten.

Was einfach klingt, ist ein immenser Kraft- und Balanceakt. Kahindo lebt von der Landwirtschaft auf dem kleinen Acker, den ihr Mann hinterlassen hat. Er wurde im gleichen Jahr ermordet, als Kombosi zur Welt kam. Eine bewaffnete Gruppe überfiel damals das Dorf. Kahindo zog mit der Familie in das Haus der Mutter, dass jedoch von Rebellen zerstört wurde. Dank einer französischen Hilfsorganisation konnte das Haus wiederaufgebaut werden. Seitdem wohnt Kahindos Familie mit ihrer Schwester, deren Kindern und der Mutter zusammen in einem einfachen Lehmhaus. Zu zwölft teilen sie sich drei kleine Zimmer. Immerhin.

Die am meisten vernachlässigte Vertreibungskrise weltweit

Ein Dach über dem Kopf, auch wenn es klein ist: Die Familie von Kahindo und Kombosi.

Ihr Schicksal ist kein Einzelfall im Osten der Demokratischen Republik Kongo, wo bewaffnete Gruppen seit Jahren für Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung sorgen. Erst letztes Jahr mussten nach Kämpfen zwischen verfeindeten Gruppen rund 30.000 Menschen innerhalb der Region fliehen, in der Kahindo mit ihrer Familie lebt. Eine Randnotiz, die außerhalb kaum wahrgenommen wird. Die Flüchtlingskrise in der DR Kongo zählt laut dem Norwegian Refugee Council (NRC) zu den am meisten vernachlässigten Vertreibungskrisen der Welt. Nur ein Bruchteil des Bedarfs an humanitärer Hilfe war bis Jahresmitte finanziert, der eigentlich nötig ist, um Millionen Menschen vor einer Hungersnot zu bewahren.

Zu dieser Krise kamen in den vergangenen Monaten noch Corona und weitere Ebola-Ausbrüche hinzu. Die Folgen waren für die Region im Osten und das ganze Land verheerend. „Es gibt mittlerweile mehr als 25 Millionen Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Das ist jeder dritte Mensch im Land“, sagt Swirri Aboringong. Sie ist für das Projekt-Monitoring bei den Johannitern verantwortlich und konnte miterleben, wie Corona den Hunger verstärkte. „Allein zehn Millionen Menschen kamen während der Corona-Pandemie hinzu“, so Aboringong. Dabei sei längst nicht das wahre Ausmaß der Not bekannt, denn viele Regionen in Nord-Kivu melden weder regelmäßige Daten zu Corona-Infektionen, noch zur Unterernährung. Wo Häuser und Felder niedergebrannt werden und kaum Infrastruktur existiert, sind verlässliche Zahlen nur schwer zu erheben und Menschen noch schwerer zu erreichen. Umso wichtiger sind erreichbare Basisstrukturen vor Ort, die den Menschen eine Gesundheitsversorgung ermöglichen und wie bei Kombosi Leben retten. „Wenn mein Sohn in Zukunft krank wird, weiß ich, wo ich hingehen kann und uns kostenlos geholfen wird“, sagt Kahindo.

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Mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie Pooled Funds der Vereinten Nationen unterstützen die Johanniter acht Gesundheitszonen und deren Einrichtungen in der Provinz Nord-Kivu. Die medizinische Versorgung und die Behandlung von Unterernährung werden stabilisiert und Menschen über Ernährungs- und Hygienepraktiken aufgeklärt.

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Hunderttausende flohen Ende Mai vor einem möglichen weiteren Vulkanausbruch im Osten des Kongo. Die Johanniter sendeten Kochsalzlösungen für Cholera-Erkrankte.

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