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Hanka

// Hanka arbeitet als Pflegehilfskraft im Johanniterhaus Rieseberg Gardelegen.

„Es gab Zeiten in meinem Leben, da wusste ich wirklich nicht, wie es weitergehen soll. Damals war ich 25 und lebte seit 6 Jahren mit meinem Freund zusammen. Wir wollten ein Kind, eine Familie. Eines Tages kam ich vom Arzt nach Hause und verkündete freudig, dass ich in der 9. Woche schwanger bin. Am selben Tag packte mein Freund seine Sachen und verließ mich. Ohne Vorwarnung, ohne Erklärung. Ich war geschockt. Nun stand ich vor einer schwierigen Entscheidung: Sollte ich das Kind alleine bekommen? Wie sollte ich das schaffen? Ich hatte große Angst. Trotzdem entschied ich mich für das Kind. Zum Glück, denke ich heute, wenn ich sehe, wie wunderbar mein Sohn Valentin geraten ist. 

Mit dem Kleinen zog ich zurück in meine Heimatstadt und lernte einen neuen Mann kennen. Wir kauften ein kleines Häuschen, das wir ausbauten, ich wurde wieder Mama. Kurz schien das Familienglück perfekt. Doch mit der Zeit zeigte mein Partner immer mehr sein wahres Gesicht. Ich habe mich immer für eine starke, selbstbewusste Frau gehalten. Nun fühlte ich mich klein und wertlos. Es war schrecklich. 

Eines Tages stand Valentin weinend vor mir. ‚Mama, wir können so nicht mehr leben, wir müssen hier weg‘. Das war der Moment, als ich einen Entschluss fasste. Durch Zufall fand ich sofort eine passende Wohnung. Ich packte nur das Nötigste ein, nahm die Kinder und zog aus. Ich war traumatisiert und wusste, dass ich heilen musste. Am Ende war es ein Hobby, das mir half, mich als Frau wieder stark und schön zu fühlen.“ 

„Meine Freundin Selma und ich haben uns seit über 35 Jahren nicht mehr gesehen. Wir lernten uns in einem Ferienlager kennen, als wir 11 Jahre alt waren. Das war 1988, zu DDR-Zeiten. Selma stammt aus Namibia, sie ist als Waisenkind in die DDR gebracht worden und wuchs in einem Waisenhaus in Staßfurt auf. Im Ferienlager wurden wir richtig dicke Freundinnen. Zuhause angekommen, begannen wir, einander zu schreiben. Doch dann kam der Mauerfall. 

Nach der Wiedervereinigung wurde Selma zurück in ihr Herkunftsland geschickt. Ein Land, das sie nicht kannte – sie war ja hier aufgewachsen. Nun schrieb sie mir aus Namibia. Sie war in einer Gastfamilie untergebracht worden, später lebte sie wieder in einem Waisenhaus. Meine Briefe schickte ich nun per Flugpost, hin und wieder auch ein Päckchen. Selma war ein riesen Michael-Jackson-Fan, einmal schickte ich ihr ein bedrucktes T-Shirt. Das hat sie bis heute aufbewahrt! 

Später machte Selma eine Ausbildung zur Stewardess. Sie ist viel rumgekommen, heute lebt sie in New York, hat dort lange bei einer Fluggesellschaft gearbeitet. Als wir zuletzt telefonierten, fragte ich nach ihrem Job. ‚Du wirst es nicht glauben, Hanka,‘ sagte sie ‚Ich arbeite jetzt in der Pflege, wie du!‘ 

Oft malen wir uns aus, wie es wäre, einander in die Arme zu schließen, am Flughafenterminal, nach so vielen Jahren. ‚Du musst mit deinen Jungs endlich nach New York kommen!‘ sagte sie kürzlich zu mir. Ich hoffe sehr, dass es nächstes Jahr klappt. Das wäre ein großes Wiedersehen!“

„Ich war schon Mitte Dreißig, als mich ein Fotograf auf der Straße ansprach. Ob ich mir vorstellen könnte, zu modeln? Als junges Mädchen habe ich von einer Modelkarriere geträumt. Ich bin groß, schlank und blond, mein großes Vorbild damals: Claudia Schiffer. Und jetzt lief ich tatsächlich auf einer Hochzeitsmesse über den Laufsteg – ein Riesenspaß! So kam ich auch in Kontakt mit anderen Fotografen. Immer öfter stand ich vor der Kamera für verschiedene Aufnahmen, es wurde zu einem Hobby. 

Nach vielen Jahren in einer destruktiven Beziehung war mein Selbstwert am Boden. Das war der Moment, als ich beschloss, mich wieder vor die Kamera zu stellen. Um zu zeigen: Die Schläge haben keine sichtbaren Narben hinterlassen. Ich bin noch immer schön. Ich bin stark. Meine Fotos und ein Interview wurden sogar in einem Magazin abgedruckt. Ich wollte meine Geschichte erzählen, um andere Frauen zu stärken. Mir persönlich haben die Bilder geholfen, wieder ein positives Selbstbild zu bekommen. 

Heute weiß ich, dass ich jede Krise bewältigen kann. Vor sechs Jahren zum Beispiel, als der Friseursalon, in dem ich arbeitete, nicht mehr lief und ich von heute auf morgen gekündigt wurde. Erst war es ein Schock. Doch dann dachte ich: ‚Das schaffst du, irgendwie!‘. Ich beschloss, offen für Neues zu sein. Und keinen Monat später unterschrieb ich einen Arbeitsvertrag bei den Johannitern. Ein Richtungswechsel, über den ich heute absolut glücklich bin!“