Michael M.
// Michael arbeitet in der Verwaltung des Johanniterhauses Johann Sebastian Bach in Salzgitter.

„Als ich 15 war, hatte ich ein spirituelles Erlebnis, das mich auf besondere Weise geprägt hat. Damals waren wir auf Klassenfahrt in Würzburg. Dort haben wir auch den Würzburger Dom besichtigt. Erst einmal nichts Besonderes für einen Teenager. Im Dom verspürte ich jedoch plötzlich das Bedürfnis, mich kurz von der Gruppe zu entfernen. Ich fand eine kleine Gebetsnische und beschloss, dort kurz für mich zu sein und zu beten. Ich war zwar getauft und auch konfirmiert, doch Zuhause spielte Religion keine Rolle. Die Idee, dass es einen Gott gibt, jemanden, der immer über einen wacht, fand ich damals schon ganz gut. Eine persönliche Beziehung zu Gott hatte ich bis dahin aber nicht. Doch als ich dort in dieser kleinen Nische betete, habe ich plötzlich gespürt: Da ist etwas – oder jemand. Mich überkam ein Gefühl von Liebe und Geborgenheit. Ich sprach nicht nur zu einer Wand oder zur Decke! Ich spürte tief: Da ist jemand, der dich hört, der dich annimmt, wie du bist. Und dann kam mir noch ein Gedanke: ‚Wenn es Gott tatsächlich gibt, was habe ich dann mit all dem zu tun?‘
Das war vor mehr als 30 Jahren. Mein Glaube hat mich seitdem immer begleitet. Damals fing ich an, in die Kirche zu gehen. Dort habe ich auch meine Frau Natalia kennengelernt. Schon zu Beginn haben wir uns durch unseren Glauben verbunden gefühlt. Natalia und ich wollten beide eine große Familie, heute haben wir fünf Kinder. Doch das bedeutet natürlich auch viel Verantwortung. Als ich noch im kaufmännischen Bereich tätig war, gab es auf der Arbeit Situationen, die sehr herausfordernd waren. Das ging zum Teil bis hin zu Mobbing. Mein Glaube half mir, nicht aufzugeben. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen: Da gibt es abgesehen vom Betriebsrat noch einen anderen Ort, wo ich hingehen kann. Etwas, das mir Hoffnung gibt. Auch durch Zeiten von Arbeitslosigkeit und finanziellen Engpässen hat der Glaube mich getragen. Bei allen äußeren Schwierigkeiten weiß ich: Deswegen bricht die Welt nicht zusammen! Denn es gibt noch etwas Höheres!“

„Wie viel Kraft und Zuversicht der Glaube an Gott den Menschen tatsächlich geben kann, habe ich bei meinen Schwiegereltern gesehen. Sie waren die Pflegeeltern meiner Frau. Natalia haben sie wie eine Tochter großgezogen und sich auch rührend um unsere fünf Kinder gekümmert, als sie noch klein waren und wir Hilfe brauchten. Ihr Schicksal hat mich sehr beeindruckt und mir gezeigt, was Hoffnung bewirken kann. Natalias Familie kommt aus der ehemaligen Sowjetunion. Vor dem zweiten Weltkrieg lebten meine Schwiegereltern als deutsche Siedler in der Ukraine. Nach Ausbruch des Krieges wurden sie von dort nach Sibirien in Arbeitslager verschleppt. Viele haben die grausamen Lager damals nicht überlebt. Selbst die Reise dorthin konnte einen schon das Leben kosten. Es gab ja zum Teil noch nicht mal fertige Bahnstrecken, die Menschen mussten die Zuggleise selber bauen, nur um dann auf eben diesen Gleisen ins Lager transportiert zu werden.
Meine Schwiegereltern haben das als junge Menschen selbst erlebt. Doch sie haben nie die Hoffnung aufgegeben, sind nie verbittert. Ihre unzerstörbare Hoffnung, ihre Fröhlichkeit, das haben sie ihrem Glauben zu verdanken. Diesen haben sie über die Jahrzehnte hinweggerettet, in der atheistischen Sowjetunion, in der sie als deutschstämmige und auch als Christen verfolgt und ausgegrenzt wurden. Auch im Alter, als es mit der Gesundheit bergab ging, haben sie bei keiner Diagnose, bei keiner noch so aufreibenden Behandlung den Glauben verloren. Aus ihm schöpften sie Geduld, alles zu ertragen, um noch etwas länger für andere da zu sein, für uns und für ihre Enkelkinder. Ihr ungebrochener Optimismus hat mich tief beeindruckt und mir gezeigt, dass Glaube wirklich Berge versetzen kann.“

„Ich habe schon längere Zeit darüber nachgedacht, beruflich nochmal ganz von vorne anzufangen. Viele Jahre war ich im kaufmännischen Bereich tätig, doch der Wunsch nach einem sinnstiftenden Beruf wurde immer größer. Das ist leichter gesagt als getan, wenn man fünf Kinder hat, von denen vier noch zuhause wohnen. Doch vor etwa drei Jahren beschloss ich, es trotzdem zu wagen. Als junger Mann habe ich meinen Zivildienst und anschließend ein Pflegepraktikum in einer Pflegeeinrichtung absolviert. So entstand die Idee, in die Pflege zu gehen. Für mich bedeutete das: Alles auf Anfang! Ich war darauf eingestellt, in die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft zu starten. Finanziell würde das für unsere Familie nicht einfach werden. Doch ich war überzeugt, dass es der richtige Weg ist.
Auf der Suche nach Ausbildungsmöglichkeiten zum Quereinstieg in die Altenpflege durfte ich mich im Johanniterhaus Johann Sebastian Bach vorstellen. Hier wurde mir anstelle einer Pflegetätigkeit eine Stelle in der Verwaltung in Aussicht gestellt. Heute weiß ich, dass dieses Angebot wie gerufen kam.
Vom ersten Tag an war es, als sei ich schon immer Teil des Teams gewesen. Man wurde wertgeschätzt, nicht nur für erbrachte Leistungen, sondern wirklich als Mensch. Und mehr noch: Hier habe ich die Möglichkeit bekommen, eine Seelsorge-Fortbildung zu machen und bin heute neben meinem eigentlichen Job auch als Seelsorger in zwei Einrichtungen unterwegs. Eine sinnstiftende Tätigkeit, die ich mir immer gewünscht habe!
Neben dem Beruf mache ich derzeit noch eine Prädikantenausbildung, in der es darum geht, Predigten zu verfassen und Abendmahlsgottesdienste zu halten. Und ich lasse mich zum Diakon ausbilden. Das ist schon sehr anspruchsvoll, doch die Johanniter unterstützen mich auch hier, wo immer es geht. Endlich habe ich einen Beruf, der Sinn stiftet und meine Familie ernährt. Und gleichzeitig den nötigen Freiraum, um die Dinge zu verfolgen, die mir besonders am Herzen liegen.“