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Nicole

// Nicole arbeitet als Ergotherapeutin und Leiterin des Sozialen Dienstes im Johanniterhaus "Am Mariannenpark" Leipzig.

„Das schönste Geschenk, das ich als Kind bekommen habe, war ein großer Stapel Kopierpapier. Ich bin in der DDR großgeworden. Meine Mutter zog mich und meine drei Geschwister alleine groß. Das war nicht leicht, oft mussten wir jeden Pfennig dreimal umdrehen. Ich weiß genau, wie es ist, wenn man das Kind ist, das keine coolen Klamotten hat. Ich musste auf vieles verzichten, doch ich war kreativ und habe unglaublich gern gezeichnet. Meine Familie gab mir immer Halt. Ich erinnere mich noch genau, wie groß die Freude war, als meine Mama mir den Stapel Papier überreichte. Ich verkroch mich in meinem Zimmer und zeichnete stundenlang.

In Zeitz hatte ich dennoch eine schöne Kindheit. Damals war unser Städtchen noch lebendig. Wenn meine Mutter Besorgungen machte, gab es ein knuspriges Brötchen vom Bäcker und beim Metzger immer eine Wurst geschenkt – das waren richtige Glücksmomente! Heute sieht es in Zeitz leider anders aus. Nach der Wende verloren viele ihre Jobs. Die Läden schlossen, plötzlich war meine geliebte Buchhandlung verschwunden. Auf den Straßen wurde die Stimmung deutlich angespannter. Ich habe noch lange dort gelebt, erst 2018 sind wir aufgrund unserer Patchwork-Familie nach Leipzig gezogen.

Die Kreativität aus meiner Kindheit habe ich mir bis heute bewahrt. Eine Zeit lang war ich als Mediengestalterin tätig, malte Wandbilder für Kunden und habe sogar einmal ein Kinderbuch illustriert, das beinahe veröffentlicht wurde. Leider scheiterte es an internen Problemen im Verlag. 

Auch als Ergotherapeutin fällt mir immer wieder etwas Neues und Kreatives ein, um die Stimmung der Bewohnerinnen und Bewohner zu heben!“ 

„Mit Anfang Dreißig habe ich noch mal von vorne angefangen, in vielerlei Hinsicht. Ich habe damals in der Finanz-Firma meines Mannes gearbeitet. Während er darin aufging, spürte ich schon lange, dass es überhaupt nicht mein Ding ist. Ich war nicht in meinem Element. Also beschloss ich, mich nach etwas anderem umzusehen und begann eine Ausbildung zur Ergotherapeutin. Zuvor hatte ich bereits therapeutisch mit Jugendlichen gearbeitet, das hatte mir großen Spaß gemacht. Ich wollte einen Job machen, in dem ich aufgehen kann. 

Doch kurz nachdem die Ausbildung gestartet war, ging meine Ehe in die Brüche. Die Trennung war nicht leicht, wir haben ja eine gemeinsame Tochter. Doch ich wollte nicht aufgeben. ‚Das schaffst du auch allein!‘ sagte ich mir. Mein großes Vorbild: Meine Mutter. Trotz aller Widrigkeiten, denen sie damals als Alleinerziehende begegnet war, ist sie für uns immer der Fels in der Brandung gewesen. Sie war unbeirrbar! 

Also zog ich es durch. Vormittags drückte ich die Schulbank, und am Abend, wenn meine Tochter schlief, schrieb ich Hausarbeiten oder lernte. Das war eine harte Zeit, doch es hat sich gelohnt. Heute kann ich meinen Kindern viele Dinge ermöglichen, die ich als Kind nicht hatte. Wir reisen gerne und haben schon viele Länder gesehen. Trotzdem ist mir wichtig, dass meine Kinder die Dinge wertschätzen. Ich selbst bin im Alltag dankbar, dass wir im Supermarkt nicht auf die Preise achten müssen. Bei mir war das nicht immer so, das ist für mich wahrer Luxus!“ 

„‘Du bist die geborene Entertainerin!‘ Ein Satz, den ich bei der Arbeit öfter höre. Wenn es darum geht, gute Laune zu verbreiten, bin ich zu allem bereit. Für die Bewohnerinnen und Bewohner bin ich gern Stand-Up-Comedian oder Zauberkünstlerin. Meine Zaubershow ist gern gesehen in unserer Einrichtung! Für unser Verkleidungs-Bingo schlüpfe ich in unterschiedlichste Rollen, beim Frühlingsfest bin ich mal Flamenco-Tänzerin, mal Kapitänin. Die Menschen vergessen ihre Krankheiten, ihre Sorgen, ihre Trauer um verstorbene Freunde. Dafür mache ich mich gern zur Ulk-Nudel. An Halloween verkleiden wir uns dann gemeinsam mit tollen Accessoires, es macht einfach so viel Spaß!

Nach meiner Ausbildung habe ich als Ergotherapeutin in einer Klinik gearbeitet. Dort habe ich nicht sehr viel Wertschätzung erfahren. Ich beschloss, zu den Johannitern zu wechseln. Nach dem erfolgreichen Bewerbungsgespräch stellte ich jedoch fest, dass ich wieder schwanger war. Meine beruflichen Pläne mussten pausieren. Doch ich blieb in Kontakt, kam als Ehrenamtlerin immer wieder in die Einrichtung. Als mein kleiner Sohn dann in die Kita kam, bot man mir die Leitung des Sozialen Dienstes an. Gleich eine Führungsposition! Damit hatte ich nicht gerechnet. 

Natürlich musste ich erst in den Job reinwachsen, mir ein Team aufbauen. Heute bin ich glücklich über diese Chance. Ich habe wirklich ein klasse Team, auf das ich immer zählen kann. Wir sind immer füreinander da. Wir helfen den Menschen dabei, wieder ins Leben zu finden. Ich liebe meinen Job und gehe jeden Tag gern zur Arbeit, das habe ich mir immer gewünscht! Und neben der Arbeit bin ich natürlich dankbar für meinen liebevollen Mann.“