Darlyn

// Darlyn ist als Pflegehelferin im Johanniter-Stift Berlin-Johannisthal tätig.
7 Uhr früh am Montagmorgen. Darlyn ist auf dem Weg nach Hause. Sie freut sich über die Morgensonne, die gerade über den Dächern Berlins aufgeht. Noch ist nicht viel los in den Straßen. Andere stehen noch unter der Dusche, nippen am ersten Morgenkaffee, haben den Arbeitstag noch vor sich. Darlyn hat jetzt Feierabend. Sie geht die Treppe hoch zu ihrer Wohnung, schließt erwartungsvoll die Tür auf. Ihr Freund Vincent ist nicht mehr zuhause. Er muss früh raus, um 5 Uhr schon. Wenn Darlyn von der Nachtschicht kommt, verpassen die beiden sich am Morgen. Doch es gibt jemand anderen, der auf sie wartet.
Ein Jahr zuvor. Darlyn und Vincent sind gerade zusammengezogen. Ihre erste eigene Wohnung! Leicht war es nicht, etwas zu finden. Sie sind jung, noch nicht lange im Job. Vincent ist Fahrzeuglackierer, Darlyn hat vor kurzem als Pflegehelferin im Johanniter-Stift Berlin-Johannisthal angefangen. Doch sie hatten Glück. Endlich konnten sie ausziehen, auf eigenen Beinen stehen. Der perfekte Start ins gemeinsame Leben. Oder etwa nicht? Denn in letzter Zeit ist Vincent so viel am Handy. Schreibt mit jemandem. Wenn Darlyn nachfragt, wimmelt er sie ab. „Hast du etwa was am Laufen?“ fragt sie im Scherz, doch ihr Herz macht einen kleinen Sprung. Er lacht, schüttelt den Kopf. Dann gibt er es endlich zu. Er plant eine Überraschung für sie. Endlich kommt der große Tag. Sie fahren los, zu der Frau, mit der Vincent die ganze Zeit geschrieben hat. Eine Züchterin, bei der zwei kleine Böhmerkätzchen auf sie warten. Darlyn verliebt sich auf den ersten Blick in die Katzenschwestern. Überraschung gelungen!
Als Teenager hat Darlyn bei ihren Großeltern gelebt und sich mit um Kater Felix gekümmert. Seitdem wünscht sie sich nichts sehnlicher als eine eigene Katze. Und jetzt sind da gleich zwei, Ella und Nala, die sie miauend begrüßen, wenn sie von einer Schicht nach Hause kommt. Natürlich bedeuten die beiden auch Verantwortung. So ist das eben, wenn man Katzenmama ist. Und auch in ihrem neuen Job gehört es dazu, Verantwortung für andere zu übernehmen.

7:15 Uhr in der Früh. Darlyn beeilt sich nach Hause, schiebt hastig die Wohnungstür auf. Da sind sie schon zur Stelle, ihre Lieblinge Ella und Nala. Vier riesige blaue Augen strahlen sie an. „Na, habt ihr Hunger, ihr zwei?“ In der Küche stellt Darlyn den Katzen frisches Futter hin und setzt einen Kaffee auf. Müde ist sie noch nicht, trotz durchwachter Nacht. Erstmal runterfahren. Sie macht es sich auf dem Balkon bequem, nimmt einen großen Schluck Kaffee, lauscht der erwachenden Großstadt. Die Nachtschicht verlief ruhig, ganz ohne Überraschungen. Uff! Es läuft ja nicht immer alles glatt, weder im Job noch im Leben.
Vier Jahre zuvor. Darlyn ist von der Schule abgegangen, arbeitet als Verkäuferin. Richtig glücklich ist sie nicht. Immer diese Regale, die eingeräumt werden müssen. Ihr fehlt das Zwischenmenschliche. Der Austausch mit anderen. Sie muss an das Praktikum in der Pflegeeinrichtung denken. Das hat ihr viel mehr Freude bereitet. Anderen Menschen helfen, ihnen zuhören, für sie da sein. So wie ihre Großeltern für sie da waren, als Darlyn sie brauchte.
Nala springt in ihren Schoß und lässt sich genüsslich kraulen. Die Regale sind längst vergessen. Heute weiß Darlyn, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hat. Auch wenn manchmal etwas daneben geht. Tollpatschig ist sie ja schon ab und zu. Missgeschicke gehören eben zum Leben. Bei der Arbeit ist das eine ganz andere Geschichte, hier ist höchste Konzentration gefragt. Darlyn weiß, wie viel Verantwortung sie gegenüber der Bewohnerinnen und Bewohner hat. Und auch, wenn es noch etwas dauern wird, bis sie ihre Ausbildung zur Pflegefachfrau in der Tasche hat, will sie jetzt schon alles richtig machen.

Es ist 9 Uhr. Darlyn hat ihren letzten Kaffee des Tages ausgetrunken. Jetzt macht sie es sich im Bett bequem. Ella steht murrend am Bettpfosten. Sie möchte spielen, doch Darlyn muss sie vertrösten. Sie hat ein Buch zur Hand genommen, ein Lehrbuch über Anatomie. Trotz Nachtschicht ist sie noch fit genug, um ein wenig darin zu lesen. Darlyn möchte mehr über den menschlichen Körper wissen, darüber, wie er funktioniert, wie alles zusammenhängt. Das muss in der Familie liegen.
Als Kind findet Darlyn es toll, dass ihre Mama Krankenschwester ist. Sie darf Medikamente verabreichen und Spritzen setzen wie ein Arzt. Auch ihre Großmutter arbeitet in der Pflege. Mit zwölf zieht Darlyn bei ihren Großeltern ein. Ihre Oma ist immer für sie da, hört ihr zu und unterstützt sie, wo sie kann. Auch in ihrem Job kümmert sie sich um Menschen, die Hilfe brauchen. Später wird Darlyn selbst diese Erfahrung machen. Einmal ist sie dabei, als eine Bewohnerin wiederbelebt werden muss. Sie bleibt an ihrer Seite, hält ihre Hand. Versucht, sie zu beruhigen, ihr das Gefühl zu geben, dass jemand da ist.
Darlyn rückt ihre große Brille zurecht und versucht, sich zu konzentrieren, trotz Ellas murrendem Protest. Wenn sie endlich ihren Schulabschluss in der Tasche hat und die Ausbildung im Johanniter-Stift Berlin-Johannisthal losgeht, wird sie dieses Wissen gut gebrauchen können. Natürlich wird es Herausforderungen geben. Doch sie weiß auch, dass es Menschen wie ihre Oma gibt, die an sie glauben. Und dass sie es schaffen kann.
Darlyns Lider werden immer schwerer. Sie legt das Buch zur Seite, sinkt tiefer ins Kissen. Ella springt aufs Bett, kuschelt sich heran und lässt sich kraulen. Mit ihrer Katze im Schoß kommt Darlyn am besten zur Ruhe. Wenn sie aufwacht, wird ihr Freund Vincent schon Zuhause sein. Sie werden gemeinsam Abendessen und einander von ihrem Tag erzählen. Doch jetzt muss sie erst einmal schlafen. Alles zu seiner Zeit und ein Schritt nach dem anderen.