Brigitte
Brigitte ist Pflegedienstleiterin im Johanniter-Haus Sinzig.
Eigentlich bin ich gelernte Floristin
„Meine Großmutter ist der Grund, warum ich heute in der Pflege arbeite. Eigentlich bin ich gelernte Floristin, 10 Jahre war ich in dem Beruf tätig. Dann kam ein Wendepunkt. Damals ging es meiner Oma gesundheitlich nicht gut. Sie kam auf die Intensivstation und wir dachten, dass sie es nicht schaffen würde. Ihr letzter Wunsch: ‚Seid lieb zueinander und kümmert euch umeinander!‘ Ich fühlte mich hilflos. Sie hätte sterben oder zum Pflegefall werden können, und ich konnte nichts für sie tun. Ich hatte von nichts eine Ahnung!
"Hier herrscht eine unglaublich warme, familiäre Atmosphäre."
Zum Glück kam es dann nicht so schlimm, wie wir befürchtet hatten. Doch ich beschloss, mich mehr mit dem Thema Pflege zu beschäftigen. Um Bescheid zu wissen, falls in der Familie wieder etwas passiert. Also studierte ich nebenberuflich Altersbetreuung. Erstmal nur für mich. Ich hatte gar nicht vor, den Job zu wechseln. Doch dann erzählte mir eine Freundin von einer Stellenausschreibung – in einer Pflegeeinrichtung. Ich probierte es aus und merkte, dass es mir total viel Spaß macht.
‚Brigitte, sie wären eine tolle Fachkraft!‘ Der Zuspruch aus dem Team motivierte mich dazu, mit 35 eine zweite Ausbildung zu machen. Heute bin ich Pflegedienstleiterin und mit meiner Stelle bei den Johannitern sehr glücklich. Hier herrscht eine unglaublich warme, familiäre Atmosphäre. Die Mitarbeiter sind herzlich und machen ihren Job aus Leidenschaft. Aus der Vergangenheit weiß ich: Das ist nicht selbstverständlich! Jeder macht Fehler, und aus Fehlern kann man lernen, aber Wertschätzung und Respekt, das rührt von der Persönlichkeit her. Darauf kommt es an!
Ich liebe nicht nur meinen Job, sondern auch das Motorrad fahren. Dies war schon als Kind so und so machte ich schon früh den Motorrad-Führerschein. Zurzeit fahre ich eine Suzuki Bandit 650er. Mein Traum: mit meiner Frau zusammen auf dem Motorrad nach Norwegen zum Nordkap zu fahren.“
Darauf habe ich gepfiffen.
„Als ich Andrea zum ersten Mal sah, wusste ich sofort: Die muss ich haben! Wir hatten uns im Internet kennengelernt und uns zum Abendessen verabredet. Ihre Art gefiel mir auf Anhieb. Es hat dann auch schnell gefunkt. Wir wurden ein Paar, und nach anderthalb Jahren Fernbeziehung bin ich zu ihr gezogen. Toll fand ich auch, dass Andrea eine Tochter hat. Jenny war schon 21, als wir zusammenkamen. Trotzdem sind wir heute eine Familie.
Als ich jünger war, hatte ich vier Jahre lang einen Freund. Aber eigentlich wusste ich schon seit der Schulzeit, dass ich Frauen besser finde. Für meine Familie war das kein Problem. Auch wenn sie meinen damaligen Freund sehr mochten, hatten meine Eltern Verständnis dafür, dass ich mich in eine Frau verliebt hatte.
Ich selbst gehe offen damit um, dass ich mit einer Frau zusammen bin. Als ich damals in einer katholischen Einrichtung anfing, legte man mir ans Herz, ‚es nicht laut zu sagen‘. Darauf habe ich gepfiffen. Ich wollte mich nicht verstecken. In meinem neuen Job bei den Johannitern ist das zum Glück überhaupt kein Thema!
Vor zwei Jahren haben Andrea und ich geheiratet. Sie war es, die um meine Hand angehalten hat. Wir waren mit Jenny und ihrem Freund im Urlaub und hatten uns zum Abendessen verabredet. Als ich ankam, sah ich, wie Jenny Herz-Ballons aus dem Kofferraum holte! Plötzlich wurde mir klar: Oh man, Andrea macht mir jetzt einen Antrag! Natürlich habe ich ja gesagt. Das ganze Restaurant klatschte und es gab Champagner aufs Haus, wie im Film.“
Ich schrieb alles auf, was ich fühlte.
„Die eigene Mutter als beste Freundin? Ja, das geht! Das war nicht immer so. Es gab eine Phase, in der wir uns überhaupt nicht gut verstanden haben. Wir lebten damals auf engem Raum, meine Mutter, mein Stiefvater und ich. Das funktionierte überhaupt nicht gut, immer wieder gerieten wir aneinander. Es ging so weit, dass meine Mutter mich kurz nach meinem 18. Geburtstag vor die Tür setzte.
Für mich war das keine einfache Zeit. Ich musste schnell erwachsen werden, mir eine eigene Wohnung suchen und lernen, wie man alleine klarkommt. Mein Ausbildungsgehalt reichte nicht aus, also arbeitete ich am Wochenende bei einer Fastfood-Kette. Mit meiner Mutter hatte ich drei Jahre lang keinen Kontakt.
Der Impuls kam von einer Freundin: ‚Schreib ihr doch einen Brief.‘ Das tat ich. Ich schrieb alles auf, was ich fühlte. Fragte, ob ich überhaupt noch ‚Mama‘ zu ihr sagen sollte. Dann schickte ich den Brief ab. Kurz darauf meldete sich meine Mutter, lud mich zum Kaffee ein. Es war ein emotionales Wiedersehen. Sie weinte, es tat ihr alles sehr leid. Und ich beschloss, ihr zu verzeihen. Ich bin kein nachtragender Mensch. Wenn jemand sich entschuldigt, sollte man die Vergangenheit ruhen lassen und von neuem beginnen können. Seitdem haben wir wieder ein inniges Verhältnis. Auch mit meinem Stiefvater verstehe ich mich jetzt super.
Leider ist meine Mutter heute schwer krank. Ich bewundere sie dafür, mit wie viel Stärke sie ihren Alltag meistert. Und ich unterstütze sie, wo ich kann. Das ist auch meinem Beruf zu verdanken.“