Unsere Einrichtungsleitung
„Ich finde es toll, dass es Leute gibt, die mit 30, 40, 50 oder sogar 60 Jahren noch Hip-Hop tanzen. Wenn ich mit meiner Ü-30-Tanzgruppe auf Meisterschaften bin, haben wir zwar nicht immer viel Konkurrenz, aber es wird immer beliebter.
Als ich klein war, nannte mich meine Mutter immer ‚Sonnenschein‘, weil ich so gern herumgetänzelt bin und gesungen habe. Mit 14 habe ich dann zum ersten Mal eine richtige Tanzschule besucht. Dort habe ich klassische und lateinamerikanische Tänze gelernt: Walzer, Cha-Cha-Cha, Rumba, Tango, Jive, Salsa…
Zentral war für mich immer die Musik. Wir tanzten zu Popsongs, aktuellen Hits oder Schlagern, unterlegt mit Beats, die zum Rhythmus des Tanzes passen. Ich liebe es, zu Songs zu tanzen, die man mitsingen kann! Wäre mein damaliger Tanzpartner nicht zum Studium weggezogen, hätten wir auch bei Wettbewerben mitgemacht. Doch so habe ich das Tanzen leider erst mal aufgegeben. Aber zum Glück nicht für immer.
Als ich 2013 für einen Job nach Mannheim gezogen bin, wollte ich mir wieder ein Hobby suchen. Das hat leider etwas gedauert, obwohl die Tanzschule, in der ich heute bin, gleich um die Ecke war. Nach einem Jahr habe ich dann doch Mut gefasst und bin vorbeigegangen. Ich war Mitte 20, die Teenager-Gruppe war mir zu jung, aber es gab auch eine Ü-30-Gruppe, die Hip-Hop getanzt hat. Dort bin ich dann eingestiegen.
Auch wenn ich damals die Jüngste war, habe ich mich gut mit allen verstanden. Das ist jetzt 8 Jahre her. Heute habe ich in der Gruppe einige Freundinnen gefunden. Die Proben und Meisterschaften machen großen Spaß. Für die Auftritte besorgen wir uns spezielle Outfits – dann tragen wir Baggy-oder Mom-Jeans, T-Shirts mit dem Gruppenlogo oder auch mal eine Käppi. Das ist eigentlich nicht mein Style, aber für die Gruppe mach ich‘s natürlich gerne.
Wir sind auch schon mal richtig gut und gewinnen den 1. Platz! Und selbst, wenn es nicht so ist, haben wir einfach eine Menge Spaß zusammen.“
„Dass ich heute in einer Führungsposition bin, habe ich zum Teil auch meinem ehemaligen Chef zu verdanken. Er war für mich das, was man als Mentor bezeichnen würde. Ich kam damals frisch von der Uni und habe die Leitung des Sozialen Dienstes in einer Einrichtung übernommen. Ich war erst 26, hatte einen Master in Sozialer Arbeit in der Tasche, aber nur wenig praktische Erfahrung in der Pflege. Am Anfang war ich deshalb eher still und zurückhaltend. Ich wusste, ich muss noch viel lernen. Doch mein Chef hat mehr in mir gesehen. Er wollte gern, dass ich seinen Platz als Einrichtungsleitung übernehme, wenn er in Rente geht. Doch es war ein sehr großes Haus und ich habe es mir nicht zugetraut aus den eigenen Reihen die höchste Position einzunehmen. Trotzdem bin ich diesen Schritt gegangen, nur eben woanders.
Seit über einem Jahr bin ich jetzt Einrichtungsleiterin im Johanniter-Haus Lorsch. So schüchtern wie früher bin ich nicht mehr. Aber es ist noch weiterhin so, dass ich mich hinterfrage. Es heißt ja, das sei eine sehr weibliche Eigenschaft und ich finde das gut und wichtig! Ich reflektiere mich und habe Lust, an mir zu arbeiten. Denn schließlich will ich ja, dass andere das auch tun.
Ich gebe mir die größte Mühe, auf Augenhöhe zu führen. Gleichzeitig habe ich eine klare Linie – meine Mitarbeitenden wissen immer, woran sie bei mir sind. Das habe ich mir wohl bei meinem ehemaligen Chef abgeguckt. Er hat immer zugehört und versucht, die beste Lösung für alle zu finden. Das ist auch mein Anspruch. Offenheit und Ehrlichkeit sind mir sehr wichtig – und natürlich möchte ich ein Vorbild sein. Doch dabei kommt es natürlich nicht nur auf mich an. Es hängt auch an den Mitarbeitenden – alle müssen an einem Strang ziehen.
Bei den Johannitern habe ich das Glück, ein wirklich tolles Team um mich zu haben. Als ich hier anfing, habe ich gedacht: ‚Das ist ein Ort, an dem man heilen kann.‘ Heute weiß ich, dass viele hier dieses Gefühl teilen.“
„In manchen Menschen sieht man Gott, wurde mir gesagt. Ich sehe Gott in meinem kleinen Bruder. Sein Name ist Dominik, doch ich nenne ihn immer schon Sweety. Sweety ist mit einem Gendefekt zur Welt gekommen, dem Williams-Beuren-Syndrom. Es ist wirklich ein großes Glück, dass wir ihn haben, er schenkt uns so viel Liebe! Darum mag ich es nicht, wenn Leute mir mit Mitleid begegnen oder Sätze sagen wie: ‚Ach, darum bist du so!‘ Das ist, als würde man darauf reduziert werden. Natürlich bin ich nicht nur wegen ihm der Mensch, der ich heute bin. Auch wenn es bestimmt Dinge gab, die mich geprägt haben.
Als wir aufwuchsen, ist Sweety nicht so schnell selbstständig geworden wie ein gesundes Kind. Ich bewundere sehr, wie toll meine Mutter das damals gemacht hat. Es hat zwei oder drei Jahre gedauert, bis wir die richtige Diagnose hatten, denn in den 80ern war das Syndrom noch nicht sehr bekannt. ‚Er ist anders als die anderen beiden!‘ hat sie zu den Ärzten gesagt und wurde weggeschickt. Bis irgendwann klar war, dass sie Recht hat. Mein Vater hat damals viel gearbeitet, um eine fünfköpfige Familie ernähren zu können, und meine Mutter musste vieles allein schaffen. Ich finde, sie haben das beide ganz wunderbar hinbekommen. Ich bin nur 2 Jahre älter als Sweety und natürlich musste ich irgendwann mit aufpassen und manchmal auch verzichten. Gerade in der Teenie-Zeit habe ich mich dann schon mal geärgert, wenn ich wieder daheim bleiben musste. Doch ich habe dank ihm gelernt, Verantwortung zu übernehmen.
Wenn ich ihn heute mal zwei Wochen nicht besucht habe, vermisse ich ihn schrecklich. Man kann so viel von ihm lernen. Sweety macht sich keine erwachsenen Sorgen. Nicht um Geld, nicht um den Tod oder andere schreckliche Dinge, die passieren könnten. Wenn er sich freut, dann freut er sich durch und durch. Er lebt im Augenblick und das ist wirklich toll. Und die wichtigste Lektion: Er weiß, dass er nichts dafür tun muss, um geliebt zu werden!“
© Alexandra Friedmann⠀