Hiltrud

Hiltrud arbeitet in der Hauswirtschaft im Hospiz Simon-Lilge-Stift in Bremen.

Dieser Ort ist meine zweite Heimat. Geboren bin ich 150 Meter Luftlinie von hier …

„Ich bin in meinem Leben nicht weit rumgekommen. 150 Meter weit, genauer gesagt – und ich bin sehr zufrieden damit. Dieses Haus, das Hospiz, all das gehört zu mir. Geboren bin ich 150 Meter Luftlinie von hier – auf der einen Seite. Und 50 Meter zur anderen Seite – da wohne ich heute.

Bevor das Hospiz gebaut wurde, stand hier eine wunderschöne uralte, aber marode Jugendstilvilla. Zu ihrer Zeit wurde sie noch als Tagungshotel genutzt und war als ‚Haus Hügel‘ bekannt. Da habe ich bereits als Zimmermädchen gearbeitet. Als der Entschluss stand, sie abzureißen, habe ich mit der damaligen Chefin alles abgewickelt: Ich habe die Abrissarbeiten begleitet und durfte so manch einen kleinen ‚Schatz‘ retten. Das waren unter anderem Messingschlüsselanhänger mit der Zimmernummer auf der Rückseite eingraviert, sowie eine Luftaufnahme des Grundstücks, die nachher im Hospiz aufgehängt wurde. Die Villa war nicht mehr zu retten. Aber trotzdem so kostbar und schön. Deswegen gab es eine Auflage: Ein Teil der alten Villa musste in das neue Haus verbaut werden. Und weil ich jeden Zentimeter von diesem Grundstück und der Villa kenne, durfte ich einen Vorschlag machen, welches Teil wohl passend wäre. Dazu fiel mir nur eines ein: Die schöne alte Tür mit der Bleiverglasung im Oberlicht, dieses wunderschöne, bunte Unikat. Als alles dann fertig war, habe ich auch den Grundstein dieses Hauses mitgelegt. Um einen Teil des Alten zu bewahren habe ich einen Teil der Villa mit in die Grundsteinbox gelegt.

Dieser Ort hier ist meine zweite Heimat, ich fühle mich einfach unwahrscheinlich verbunden. Klar, es ist ein Ort zum Sterben – aber ich habe mich nirgendwo geborgener gefühlt. Große Sprüche zu klopfen liegt mir fern, aber weil ich mich hier so gut auskenne, werde ich hier ständig nach Rat gefragt. Und wenn wir Dienstbesprechungen mit neuen Kolleginnen und Kollegen haben, werde ich auch so vorgestellt: ‚Das ist Trudi, die gute Seele des Hauses‘. Wie gesagt, ich will nicht angeben. Aber genauso fühle ich mich auch.“

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Von 170 Welpen, die wir insgesamt großgezogen haben, ist jeder einzelne im Laufe der Zeit ans Herz gewachsen …

„Als Kind hatte ich Angst vor Hunden. Wann immer mir ein Hund begegnet ist, habe ich mich gar nicht wohlgefühlt in meiner Haut. Nun – fast 50 Jahre später – habe ich eigenhändig über 170 Welpen gesund auf die Welt geholfen.

Wir haben ein großes Grundstück, fast 5000 Quadratmeter groß. Früher hatte der Großvater hier auf dem Gelände Schäferhunde gezüchtet – aber das waren noch andere Zeiten. Als unser zweites Kind vier Jahre alt war, hat der Familienrat beschlossen einen Hund anschaffen – und zwar gleich einen Berner Sennenhund. Ausgewachsene Berner Sennenhunde sind ausgesprochen große und schwere Tiere. Als wir unseren Welpen zum ersten Mal gesehen haben, war es natürlich um uns geschehen. Angst hatte ich trotzdem noch – bis zu dem Zeitpunkt, als wir eines Tages spazieren gingen. Meine Hündin hatte mich vor einem harmlosen Spaziergänger, der uns entgegenkam, beschützen wollen. Sie stand ganz dicht bei mir, keinen Zentimeter ist sie mir von der Seite gewichen. Das hatte mich so berührt – und seitdem waren wir ein Herz und eine Seele.

Durch unsere Verbindung zum Tierzuchtverein sind wir dann auf die Hundezucht gekommen. An unseren ersten Wurf kann ich mich noch ganz genau erinnern – zehn Rüden und eine Hündin. Von 170 Welpen, die wir insgesamt großgezogen haben, ist jeder einzelne im Laufe der Zeit ans Herz gewachsen. Man zieht die Welpen ja groß wie seine eigenen Kinder. Und wenn die kleinen kurz vor der Geburt auf dem Weg sind, schläft man schon mal zwei Nächte neben der Wurfkiste. In dreißig Jahren Hundezucht haben wir nicht einmal einen Kaiserschnitt gehabt. Da bin ich sehr stolz drauf. Und unser Zuchtname ist derselbe, wie der von diesem Ort: von Schönebeck.“

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Meine Oma hatte so viele Schicksalsschläge zu ertragen und trotzdem war ihr Motto: ‚Hab immer Sonne im Herzen‘ …

„Am liebsten mache ich aus ‚Scheiße Rosinen‘. Bei dem weitläufigen Garten gibt es viele Gelegenheiten, dass Dinge von Zeit zu Zeit zu Bruch gehen. Wenn irgendwas kaputt ist, kaufe ich nicht gleich was Neues. Ich versuche dann, das irgendwie wieder zu reparieren. In diesen Sachen bin ich sehr pedantisch. Ich kann keine Ruhe geben, bis ich das so hinbekomme, wie ich es haben möchte. Ob Fliesenlegen oder Tapezieren – das meiste davon habe ich mir selbst beigebracht.

Wir haben auch viele alte Obstbäume im Garten und wenn die Bäume alt werden und nicht mehr wollen, dann erhalten wir mit einer bestimmten Veredelungstechnik die Sorte – das ist auch so ein Hobby von uns. Über 100 Stück haben wir – alles verschiedene Sorten. Manchmal nimmt man ja doch so den ein oder anderen Kummer von der Arbeit mit nach Hause, aber in meinem Garten kann ich mich auf jede erdenkliche Weise entspannen. Der Hund läuft irgendwo herum, die Hühner gackern. Im Frühjahr freue ich mich darauf, alles zu planen und wieder auszusäen.

Der Garten erinnert mich auch an meine Oma – von ihr habe ich als Kind alles gelernt. Sie hatte so viele Schicksalsschläge zu ertragen und trotzdem war ihr Motto: ‚Hab immer Sonne im Herzen – ob es stürmt oder schneit.‘ Sie hatte für alles einen guten Spruch auf den Lippen. Wenn es mir schlecht geht, denke ich an ihr Lebensmotto und brauche nur in meinen Garten zu gehen.“

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