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Paul

// Paul arbeitet als Pflegehilfskraft im Johanniterhaus Bad Doberan.

„Als meine Mama vor 2 Jahren mit Krebs diagnostiziert wurde, ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ich wohne noch immer bei ihr, denn wir verstehen uns einfach total gut. Auch meine Freunde finden sie super: ‚Wahnsinn, wie cool deine Mutter ist!‘ höre ich öfter, wenn ich Besuch habe. 

Klar, Hotel Mama hat schon seine Vorteile. Es ist immer was zu essen da, Mama macht die Wäsche… Aber natürlich bringe ich mich auch ein, wir gehen zusammen einkaufen, ich kümmere mich. Die Kosten teilen wir uns: Mama zahlt die Miete, ich den Einkauf oder auch mal größere Anschaffungen. 

Auch ihre Krankheit haben wir zusammen gemeistert. Oft hat Mama nach der Chemo keinen Appetit gehabt. Das einzige, worauf die Lust hatte, war ihr Lieblingsgericht: Der Salatteller mit Dönerfleisch von der Dönerbude. Den habe ich ihr dann immer geholt, damit sie überhaupt was isst. Sie hat viel für mich getan, da ist es selbstverständlich, dass sie sich auf mich verlassen kann.

Mama ist froh, dass ich noch da bin. Meine zwei großen Schwestern sind schon Ende 30 und längst ausgezogen. Ich bin das Nesthäkchen der Familie und bin es gewohnt, viele Frauen um mich zu haben. Darum fühle ich mich auf der Arbeit auch so wohl. Dort habe ich ‚Arbeits-Mamas‘. Ältere Kolleginnen, die ich immer nach Rat fragen kann und die mich unterstützen. Wir haben sogar gemeinsame Interessen – Schlager zum Beispiel! Zuletzt waren wir zusammen auf einem Konzert von Roland Kaiser – das hat Spaß gemacht!“ 

„Wer weiß, vielleicht hätte ich es zum Fußballprofi geschafft. Die Leidenschaft für den Sport habe ich von meinem Vater. Er hat früher bei Hansa Rostock gespielt. Natürlich brenne ich für Hansa! Ich habe eine Dauerkarte und verpasse kein Heimspiel. Damals spielte ich selbst noch in einem kleinen Verein hier im Ort. Bei einem Turnier wurde ich von einem Trainer des Deutschen Fußballbundes gesichtet. Er lud mich ein, an einem wöchentlichen Fördertraining teilzunehmen. Da hat man schon das Ziel, zu einem großen Verein zu kommen. Und dann ist es passiert: Hansa Rostock hatte mich ins Auge gefasst. Sie luden mich zu einem Probetraining ein! Wahnsinn! Für mich ein Riesending! 

Mit der Jugend von Hansa zu trainieren war echt aufregend. Klar, bei mir im Verein war ich auffällig gut. Dort wohl eher Durchschnitt. Aber ich habe mich ganz gut geschlagen. Nach dem Probetraining meldete Hansa sich bei meinen Eltern. Sie schlugen vor, dass ich eine Sportschule besuchte. Das wäre der erste Schritt für eine Profikarriere. Das Dumme nur: Die Schulen haben echt einen Haufen Geld gekostet! Meine Eltern konnten es sich einfach nicht leisten. Also habe ich es nicht gemacht. 

Ich war jung, es hätte alles passieren können. Aber ich trauere der Sache nicht hinterher. Ich liebe meinen Job in der Pflege und ich liebe Hansa. Die geile Stimmung auf der Südtribüne, die Gemeinschaft, die entsteht – und dieser Moment, wenn man im Stadion die Treppen hochkommt und von oben auf das Feld blickt. Ein besonderes Feeling!“

„‘Paul, würdest du mir da oben im Himmel die Tür aufschließen?‘ sagte Rita immer zu mir. ‚Ich würde ja gern, aber ich habe gerade den Schlüssel verlegt. Ich würde mich freuen, wenn Sie noch eine Weile bei uns bleiben! ‘ gab ich zur Antwort.  

Rita war schon über 90, aber noch sehr klar im Kopf. Wir alle im Johanniterhaus mochten sie wirklich sehr. Immer wollte sie sich nützlich machen, fragte, ob sie beim Kochen helfen kann. Ich habe selbst keine Großeltern mehr. Und manchmal ist es schon so, dass man denkt: Das könnte meine Oma sein. Auch im Wissen, dass man diesen Menschen womöglich bald verliert.

Als ich noch zur Schule ging, ist meine kleine Nichte im Alter von 3 Monaten am plötzlichen Kindstod gestorben. Das war für meine Schwester und für die ganze Familie ein Riesenschock. Es war der Zusammenhalt, der uns geholfen hat, die schlimmste Phase zu überstehen. Seither habe ich mich mehr mit dem Thema Tod beschäftigt. Das sollte man auch, wenn man in der Pflege arbeitet. 

An jenem Tag verabschiedete ich mich von Rita. Ich sagte ihr, dass ich jetzt drei Tage frei hätte und mich freuen würde, sie dann wiederzusehen. ‚Drei Tage, das ist viel‘ meinte sie. Ich fragte, ob wir uns wiedersehen. Da schüttelte Rita nur den Kopf. Als wüsste sie es. In dem Moment hat es mich schon traurig gemacht. Tatsächlich ist sie dann verstorben, bevor ich wiederkam. Heute habe ich über meinem Bett ein Bild hängen, das Rita selbst gemalt und mir geschenkt hat. Und manchmal denke ich: ‚Jetzt hat sie den Schlüssel zum Himmel selbst gefunden!‘“