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Nikol

// Nikol arbeitet als Pflegefachkraft im Johanniterhaus Bad Doberan.

„In Deutschland musste ich eine meiner größten Ängste ins Auge sehen. Als ich hier ankam, befürchtete ich bereits, dass mein Opa in Bulgarien sterben würde und ich nicht bei ihm sein könnte. Der Gedanke daran begleitete mich jeden Tag. Und genau so ist es dann auch gekommen. Er verstarb ganz plötzlich – und alles musste auf einmal sehr schnell gehen. Ich konnte nicht mal an seiner Beerdigung teilnehmen und ihm die letzte Ehre erweisen.

Mein Opa war alles für mich. Seitdem ich ein Kind war, hatten wir diese starke Beziehung zueinander – er ist auf jeden Blödsinn eingegangen, hat alles mit mir gemacht und war immer da. Von ihm habe ich gelernt, meine Meinung offen und ehrlich zu sagen. Nachdem er verstorben ist, wollte ich mit älteren Menschen arbeiten. Mein Opa war sozusagen der Weg in die Pflege für mich. 

In der Pflege habe ich meinen Traumberuf gefunden. Ich kann mir keine andere Arbeit vorstellen – auch in 40 Jahren nicht! Die Geschichten meiner Bewohnerinnen und Bewohner nehme ich mit nach Hause. Ich weiß, dass man vieles nicht so nah an sich ran lassen sollte, aber ich bin mit meinem Herzen immer dabei und wenn ich nach Hause gehe, dann kommen ihre Geschichten mit mir mit! Als ich das erste Mal mitbekam, wie eine Bewohnerin in meinem Dienst verstorben ist, war ich den ganzen Tag kaum ansprechbar. Für mich war es einfach unvorstellbar, am nächsten Tag zur Arbeit zu kommen und festzustellen, dass dieser Mensch plötzlich nicht mehr da ist. 

Ich denke, das macht mich aus: Dass ich in jedem Menschen auch meine eigenen Angehörigen sehe – und wenn ich jemanden pflege, dann pflege ich, als wären sie Teil meiner eigene Familie.“

„Mein Ex-Mann ist heute wieder mein Mann. Hinter uns liegt eine lange Geschichte. Als ich mich trennte, gab es einen echten Rosenkrieg. Wir haben das Haus verkauft, die Kinder gingen zehn Tage zu mir und vier zu ihrem Papa. Zwei Jahre waren wir getrennt. Zwei Jahre habe ich versucht, ihn zu vergessen. Doch die Jahre haben mich sehr verändert.

Ich denke, dass es Menschen gibt, die einfach zusammengehören. Ich wusste eigentlich immer, dass er es ist. Aber am Ende lebten wir ein Leben, das keiner von uns wollte und unsere Kinder auch nicht verdient hatten. Wir kommunizierten schlecht und nahmen uns keine Zeit füreinander. Den Schritt, mich zu trennen, konnte ich wohl nur gehen, weil ich auch Freunde und Familie hinter mir hatte. Ich glaube, dass es vielen Frauen so geht – aber es ist natürlich viel schwieriger, wenn man ohne Unterstützung dasteht.

Ich bin der Meinung, dass es Paare gibt, die sich wirklich trennen müssen. Für uns war diese Trennung notwendig. Nur so haben konnten wir erkennen, was wir aneinander haben und was uns wichtig ist. Wir haben aus unseren Fehlern gelernt und räumen nun Zeit im Alltag frei, damit wir unser Leben gemeinsam verbringen. Wir nehmen die wichtigsten Dinge oft als selbstverständlich. Und genau das ist bei uns passiert. Wir waren verheiratet, haben zwei Kinder und ein Haus – aber deswegen ist man noch lange nicht angekommen.

Schließlich habe ich mich entschieden, wieder zu ihm zurückzukehren. Und ich bereue nichts. Denn heute sind wir glücklicher denn je! Wir haben gelernt, die Beziehung zu schätzen und gemeinsam daran zu arbeiten. Ich glaube fest daran, dass Menschen, die zusammengehören, immer wieder zueinander finden – egal, auf welche Art und Weise.“

„Die Pflege hat meine Ansichtsweisen mehr verändert als alles andere in meinem Leben. Nicht mal die Mutterschaft hat mich so tiefgreifend umgekrempelt. Als ich Mutter wurde, habe ich gelernt, ruhiger zu handeln und tief durchzuatmen, bevor ich auf irgendetwas reagiere. Aber durch die Pflege erfahre ich tagtäglich, was es heißt, das Leben wirklich zu schätzen. Man hat die Möglichkeit so viele Menschen zu treffen, ihre Lebensgeschichten zu erfahren und von ihnen zu lernen, so dass ich mir oft denke: ‚Wieso meckerst du eigentlich? Was möchtest du mehr? Du bist gesund, deine Familie ist gesund – allein das ist tagtäglich ein Grund zum Feiern!‘“