Harjit

// Harjit arbeitet als Pflegefachkraft im Johanniter-Haus Waibstadt.

„Der Anfang war schwer. Ich kann mich noch genau erinnern: Es waren warme Tage, als wir im Juli 2014 in Deutschland ankamen. Unsere erste Anlaufstelle war ein Asylzentrum in Karlsruhe. Von unserem ersten Tag in Deutschland bis zum Ende des Asylverfahrens mussten wir einige Hürden nehmen. Aber so viele Menschen haben versucht, uns zu helfen – das erfüllt mich heute immer noch mit Dankbarkeit. 

Erst habe ich in einem Hotel in der Küche gearbeitet. Der raue Ton, der da manchmal herrscht, hat mir nichts ausgemacht. Das kenne ich. In Indien habe ich nach meinem Studium durch meine Ausbildung zum Hotelmanager viel in diesem Bereich gelernt.

Trotzdem: Sich in einem unbekannten Land ohne Sprachkenntnisse zurechtzufinden, war hart. Mir war von Anfang an klar: Wenn wir hier in Deutschland wirklich ankommen wollen, müssen wir die Sprache sprechen – und das am besten so schnell wie möglich. Im Juli 2022 habe ich meine Ausbildung als Pflegefachkraft abgeschlossen. Seit 2014 hat sich so viel getan. Die Bewohnerinnen und Bewohner waren die besten Lehrer – durch sie weiß ich zum Beispiel: Deutsch ist nicht gleich deutsch. Es gibt ja noch so viele unterschiedliche Dialekte!

Berührungsängste mit älteren Menschen hatte ich keine – bei uns in Indien wird Pflege traditionell als Familiensache angesehen. Dadurch ist der Kontakt mit älteren Menschen natürlich auch viel enger. Deswegen hat mir meine Arbeit in der Pflege irgendwie auch ein Stück Heimat zurückgegeben.“

„Immer, wenn ich in meiner Freizeit wandern gehe, fühle ich mich meinem Heimatland irgendwie nah. Ich komme aus dem Norden Indiens – da gibt es viele Wälder, Täler und Gebirge. Am liebsten gehe ich zusammen mit meiner Familie – meine Kinder lieben es. In der Natur zu sein macht einfach glücklich. Wenn ich die Zeit hätte, würde ich mindestens ein Mal am Tag mit meinen Kindern in den Wald für einen kleinen Spaziergang gehen.

Ich habe noch eine zweite Leidenschaft: Ich brenne für Cricket. Aber ich habe in Deutschland noch niemanden kennengelernt, dem es da genauso geht. Meine Begeisterung für die Natur hingegen hat schon oft das erste Eis gebrochen. In der Arbeit zum Beispiel: Viele Bewohnerinnen und Bewohner hatten nämlich früher einen großen Garten. Da gibt es so viel zu erzählen. Einen eigenen Garten habe ich bis jetzt zwar noch keinen, aber frag mich, was zu tun ist, wenn es einen Ungezieferbefall im eigenen Garten gibt und ich habe mindestens fünf Strategien zur Bekämpfung bereit. Es macht mir auch großen Spaß, mit Bewohnerinnen und Bewohnern spazieren zu gehen. Erst durch die Natur halten wir uns im Gleichgewicht, finde ich.“ 

„Ich sehe das so: Das Leben ist wie ein Bumerang. Alles – das Gute sowie das Schlechte – kommt irgendwann zu einem zurück. Ob es in der Arbeit oder für meine Familie ist – ich möchte einfach mein Bestes geben. Ganz egal, ob gerade jemand hinschaut oder nicht. Denn so wie man mit seinen Mitmenschen umgeht, wird es einem selbst irgendwann mal ergehen.

Ich habe nie gedacht, dass ich mein Heimatland verlassen werde. Aber als ich hier her gekommen bin, habe ich viele tolle Menschen kennen gelernt. Deutschland ist eine neue Heimat für mich geworden. Und meine Arbeitskollegen sind wie eine große Familie für mich geworden.

Aber es kommt ein Moment, in dem man die Früchte seiner Entscheidungen erntet und dann weiß man, dass man richtig gehandelt hat. Heute kann ich meinen Kindern Möglichkeiten bieten, die ich früher nicht hatte. Und meine Eltern kann ich auch unterstützen. Ich ziehe Kraft daraus, mit meiner Arbeit anderen Menschen zu helfen – das stellt mich selbst in den schwersten Momenten wieder auf.

Meine Eltern sind noch in Indien. Ich habe sie kürzlich nach über 8 Jahre wiedergesehen. Ihre Enkel haben sie noch nicht kennengelernt. Unser Wunsch ist aber, dass wir bald alle gemeinsam nach Indien reisen, dann würden meine Kinder auch endlich Oma und Opa sehen. Das würde uns alle sehr freuen.“