Christina

// Christina arbeitet als Altenpflegehelferin im Johanniter-Haus Waibstadt.

„Wenn ein geliebter Mensch geht, ist da erst einmal Trauer. Irgendwann geht diese vorbei. Doch die Sehnsucht bleibt. Vor 20 Jahren habe ich meine Schwester verloren. Das war ein einschneidendes Erlebnis. Meine Schwester Bettina und ich hatten schon immer ein enges Verhältnis. Sie war nur drei Jahre älter als ich. Als Kinder haben wir uns ein Zimmer geteilt. Ich war die aufsässige kleine Schwester, die immer überall dabei sein wollte. Wenn sie Besuch hatte, war ich eifersüchtig und natürlich gab es dann auch mal Streit. Aber im Großen und Ganzen haben wir uns sehr gut verstanden und immer zusammengehalten. Sie war es, die mich damals zum ersten Mal mit in die Disco genommen hat – das war schon etwas Besonderes. 

Wir hatten eine glückliche Kindheit, sind in einem Mehrgenerationenhaus aufgewachsen. Auch später standen wir uns sehr nah, haben uns gegenseitig unterstützt. Als Bettina mit Mitte 30 die Diagnose Hautkrebs bekam, war es für uns ein großer Schock. Sie wollte es damals nicht wahrhaben, sie war ja noch jung und hatte zwei Kinder. Gesprochen hat sie nie darüber, auch nicht, als die Behandlung nicht anschlug. Einmal sagte sie zu mir: ‚Die Leute schauen mich an, als hätte ich etwas Schlimmes. Ich hab doch nichts Schlimmes!‘ Und sie wollte auch nicht, dass ich in ihrer Gegenwart weine… 

Als ich damals für ein paar Tage in den Urlaub fuhr, um etwas Kraft zu sammeln, sagte sie: ‚Nächstes Jahr fahren wir zusammen!‘ Doch dazu kam es nicht mehr. Ich erinnere mich noch an jenen Tag. Sie war schon schwach und musste das Bett hüten. Ich besuchte sie und sie bat mich, ihr einen Spiegel zu reichen. Sie schaute hinein und sagte: ‚Ich sehe ja gar nicht so schlecht aus!‘ 

Am selben Tag ist sie verstorben. 

Obwohl schon so viele Jahre vergangen sind, habe ich manchmal noch immer das Bedürfnis, sie einfach anzurufen. Die Trauer geht, doch die Sehnsucht bleibt für immer.“ 

„Der Tod meiner Schwester vor 20 Jahren war für mich ein einschneidendes Erlebnis, das sich auch auf meinen beruflichen Werdegang ausgewirkt hat. Zu jener Zeit habe ich als Friseurin gearbeitet. Meine Kinder waren damals noch jung und es war ein Job, der sich gut mit dem Familienleben vereinbaren ließ. Doch nach dem Verlust meiner Schwester ging es mir nicht gut. Ich erinnere mich daran, wie sich damals eine Kundin über mich beschwerte. Ich hätte es versäumt, zu fragen, wie es denn ihrem Hund ging. Das war so unverhältnismäßig! Es wurde mir einfach zu viel. Also kündigte ich und suchte mir eine Stelle als Reinigungskraft. Ich wollte eine Arbeit, bei der ich den Kopf ausschalten konnte. Und bei der ich am Abend müde genug war, um einfach nur ins Bett zu fallen. 

Ich arbeitete in einem Privathaushalt und parallel im Johanniter-Haus in Waibstadt. Manchmal fuhr ich am Vormittag zu der einen Arbeitsstelle und am Nachmittag zur nächsten. Das habe ich einige Jahre gemacht. Doch man wird nicht jünger. Irgendwann machte das Pensum mir zu schaffen. Als ich 2016 das Angebot bekam, als Pflegekraft im Johanniter-Haus anzufangen, war ich mir erst nicht sicher, ob das wirklich etwas für mich ist. Doch ich habe mich drauf eingelassen und es ausprobiert. 

Bald stellte sich heraus, dass dieser Beruf wie für mich gemacht ist. Schließlich hatte ich ja schon immer ein Helfer-Syndrom! Auch privat möchte ich für alle da sein und helfe immer, wo ich kann. Heute gehe ich jeden Tag mit Freude zur Arbeit. Haare schneiden ist auch wichtig, aber dieser Beruf ist wirklich sinnstiftend.

‚Ich habe gebetet, dass Sie heute kommen!‘ ‚Schwester, was sie alles leisten! Gott soll sie beschützen!‘ ‚Sie schickt der Himmel!‘ – Immer wieder hört man solche Dinge, jeden Tag gibt es hier wunderbare Momente. Hier habe ich endlich das Gefühl, angekommen zu sein.“

„In unserer Familie hat es immer einen guten Zusammenhalt gegeben. Als meine Schwester Bettina mit Mitte 30 verstarb, haben wir anderen Geschwister uns über die Jahre hinweg um ihre beiden Söhne mitgekümmert. Sie lebten bei ihrem Vater, doch jeder von uns hatte seinen Zuständigkeitsbereich – meine älteste Schwester zum Beispiel war fürs Lernen verantwortlich. Ganz wichtig war uns, dass der Kontakt bestehen bleibt und das haben wir bis heute geschafft. 

Heute bin ich besonders glücklich darüber, dass ich meine beiden Enkelkinder ganz nah aufwachsen sehen kann. Meine Tochter und ihr Mann wohnen nämlich gleich gegenüber und die Mädchen sind oft bei uns. Der Opa macht seine Späße mit den beiden, doch fürs Spielen bin ich zuständig. Wir haben ein eigenes Kinderzimmer für sie eingerichtet. Wenn sie hier übernachten, kuscheln wir uns zusammen ins Bett, sie sind ja noch klein und brauchen viel Nähe. In den Ferien machen wir Ausflüge, zum Beispiel in den Tierpark – darauf freuen die beiden sich besonders. Ich bin stolz und fühle mich geehrt, dass ich miterleben darf, wie sie großwerden. 

Und seit einiger Zeit ist auch meine Schwester Bettina sozusagen ganz in der Nähe. All die Jahre habe ich mich auf dem Friedhof um ihr Grab gekümmert. Doch leider musste es nach 20 Jahren geräumt werden. Vor allem unsere Mutter hat das sehr belastet. Für sie war es wichtig, zu wissen, wo Bettina ist. Also haben wir den Grabstein zu uns in den Garten gestellt. Jetzt kann meine Mutter Bettina immer besuchen, wenn sie bei uns ist. Mama ist zufrieden – und ich auch!“