Fragen an Prof. Dr. med. Yon-Dschun Ko, Leiter des Corona Kompetenz Teams rund um die Impfflicht
Die Bundesregierung will Beschäftigte in Krankenhäusern, Reha- und Pflegeeinrichtungen zur Corona-Impfung verpflichten. Diese einrichtungsbezogene Impfpflicht soll am 15. März 2022 in Kraft treten.
Das bedeutet, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bis zu diesem Zeitpunkt mindestens zwei Mal geimpft sein müssen.
Wie bewerten Sie die Impfplicht der Regierung für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Krankenhäusern, Reha- und Pflegeeinrichtungen?
Im Krankenhaus, in der Rehaklinik oder dem Seniorenhaus ist es schwierig, den direkten Kontakt zu vulnerablen Gruppen durch Ärzte, Pflegekräfte, Reinigungskräfte oder auch Mitarbeiter der Küche und der Verwaltung zu vermeiden. Wo lässt sich hier eine Grenze ziehen? Da man einzelne Gruppen in einem Haus nicht sicher trennen kann, ist es sinnvoll, die Impfpflicht einrichtungsbezogen auszusprechen. Deshalb müssen zukünftig alle Mitarbeiter*innen geimpft sein.
Neben dem Verwaltungsaufwand zur Erfassung des Impfstatus muss auch die Frage des Datenschutzes geklärt sein. Wissen Sie wie hoch die Impfrate in Ihren Kliniken derzeit ist?
Nein, genaue Zahlen liegen uns aktuell nicht vor – denn die Abfrage des Impfstatus war bisher freiwillig. Durch unsere eigenen Impfaktionen für Erst- und Zweitimpfungen sowie Auffrischungen haben wir jedoch konkrete Anhaltspunkte zur Impfquote in den Johanniter-Kliniken Bonn. Diese liegt bei etwa 90 Prozent. In der Zwischenzeit haben sich allerdings auch einige Mitarbeiter*innen beim Hausarzt oder im Impfzentrum immunisieren lassen.
Um den Vorgaben des neuen Infektionsschutzgesetzes nachkommen zu können, prüfen wir in einem bundesweit zentralen Corona-Team der Johanniter GmbH, wie wir datenschutzkonform, den Impfstatus aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erheben können. Nur so können sich die Einrichtungen einen eindeutigen Überblick über die Beschäftigung nicht geimpfter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen machen.
Wie sind die Befindlichkeiten Ihrer Patienten. Fragen diese nach, ob Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geimpft sind?
Nein. Die Frage nach dem Impfstatus unserer Mitarbeiter*innen ist mir von Seiten der Patienten oder Angehörigen bisher noch nicht gestellt worden.
Wie sieht der Alltag in den Krankenhäusern aus?
Wenn wir uns die Realität anschauen, dann tragen in erster Linie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und Besucher Krankheiten in das Haus. Dabei haben wir eine große Verantwortung gegenüber den uns anvertrauten Patienten. Besonders schwerkranke Menschen, wie auf der Station der Hämatologie und Internistischen Onkologie oder ältere Menschen auf der Station der Geriatrie, wären durch einen Eintrag des Coronavirus gefährdet. Deshalb müssen wir alles tun, damit Ansteckungen vermieden werden. Außerdem brauchen wir gesundes Personal um unseren Betrieb zu jeder Zeit aufrechterhalten zu können. Und das wird uns nur mit einer Impfpflicht gelingen.
Es ist außerdem wichtig, dass wir nach außen Vertrauen und Sicherheit vermitteln können. Eine vollständig geimpfte Mitarbeiterschaft, ist dabei ein entscheidendes Signal. Was unter keinen Umständen wieder passieren darf, ist dass Menschen aus Angst vor einer Ansteckung Arztbesuche aufschieben – so wie wir es in der ersten und zweiten Welle der Pandemie gesehen haben. Damals schien es weniger Tumorerkrankungen zu geben, doch die Betroffenen sind schlicht nicht zum Arzt gegangen. Die Folgen fortgeschrittener Tumore und dadurch teilweise gesunkener Heilungschancen begleiten uns noch immer.
Auch das „Damokles Schwert“ einer erneuten Verordnung der Regierung, elektive Therapien auszusetzen und sich ausschließlich um akut Erkrankte und COVID-19-Patienten zu kümmern, gilt es vorzubeugen. Sonst wird die allgemeine medizinische Versorgung deutlich leiden.
Aus diesen Gründen befürworte ich persönlich das Impfen aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Wie erklären Sie sich, dass auch medizinisches Personal bei der Impfung gezögert hat?
Auch Ärzte und Pflegekräfte sind nur Menschen. Sie haben genauso Ängste wie alle Anderen. Auch Bedenken gegen das Impfen kann in diesen Berufsgruppen vorkommen. Durch ihren engen Kontakt mit vulnerablen Menschen, stehen sie in der Diskussion um die Impflicht jedoch gleichzeitig viel mehr im Focus. Ich denke aber dennoch, dass die Impfquote beim medizinischen Personal und in der Pflege über dem bundesweiten Durchschnitt liegt.
Denken Sie über Sanktionierungen bei Nicht-Impfung nach?
Es gibt Menschen, die nicht geimpft werden dürfen, zum Beispiel wegen einer schweren Vorerkrankung. Das betrifft auch einige unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Wir werden diese Personengruppe besonders schützen, indem wir sie in Bereichen mit einem möglichst geringen Risiko einsetzen – für ihre Sicherheit und für die Sicherheit unserer Patienten.
Die Entscheidungen, Nicht-Geimpfte zu sanktionieren, treffen nicht wir, das entscheidet die Politik.
Die Regierung will in einem zweiten Schritt die generelle Impfpflicht einführen. Muss das sein?
Ich persönlich glaube, dass aus rein medizinisch-wissenschaftlicher Sicht die generelle Impfpflicht eingeführt werden sollte. Schließlich stehen wir mit der rasanten Verbreitung der Omikron-Variante vor der fünften Welle. Wie gefährlich diese neue Variante wirklich ist, sei dahingestellt. Entscheidend ist aber, dass sich Varianten entwickeln. Es werden also noch weitere Varianten folgen, die sich unserem Immunsystem entziehen könnten.
Was wir derzeit wissen: Eine Impfung hilft, schwere Verläufe zu vermeiden und dadurch die Krankenhäuser zu entlasten. Ohne eine Impfquote von weit über 90 bis hin zu 100 Prozent werden wir die neue Omikron-Variante – und die Varianten, die folgen werden – jedenfalls nicht unter Kontrolle bekommen.
Die Impfungen sollen teilweise nicht so gut gegen die Omikron Variante helfen. Schadet das der Impf-Kampagne?
Da muss man sich fragen, wie lange wir die Omikron Variante kennen. Vielleicht fünf Wochen. Dennoch sind wir in kürzester Zeit zu vielen Erkenntnissen gelangt: Wir wissen, dass die Variante möglicherweise nicht ganz so gefährlich ist. Wir wissen, dass sie viel infektiöser ist und dass wir mit den jetzigen Impfstoffen nur einen Impfschutz von etwa 25 bis 30 Prozent erreichen. Es ist aber auch bekannt, dass die Booster-Impfung den Impfschutz gegen diese Variante erhöht. Daher ist das „Boostern“ gerade jetzt besonders wichtig.
Es zeigt sich also: Wir brauchen die Impfpflicht. Ohne sie bekommen wir die neuen Varianten nicht unter Kontrolle.
Man hat den Eindruck, dass wir durch die Proteste der Impfgegner ein wenig getrieben werden. Hat man sich da zu sehr beeinflussen lassen?
Hier gilt es zu differenzieren: Es gibt radikale und nicht radikale Impfgegner. Wir müssen die Menschen, die erhebliche Bedenken haben – und das sind keine Radikalen–, besser informieren. Dafür braucht es aus meiner Sicht mehr Aufklärungskampagnen. In den Medien sieht man immer nur, wie „schrecklich“ COVID-19 ist. Aber Aufklärungskampagnen findet man kaum. Höchstens ein paar ganzseitige Anzeigen der Regierung in den Zeitungen.
Außerdem brauchen wir ein verbessertes Beratungsangebot. Ich hätte mir beispielsweise ein Informationszentrum für Menschen gewünscht, die ernsthafte Bedenken haben. Sie müssen fachmännisch beraten werden. Auch hier in unseren Krankenhäusern haben wir Skeptiker. In intensiven Gesprächen können wir ihnen jedoch meist helfen ihre Bedenken zu überwinden. Das verschafft Erleichterung für beide Seiten.