20.01.2021 | Johanniter-Krankenhaus Treuenbrietzen

„Zuversicht ist unsere Burg“

Dr. Thomas Krössin, Geschäftsführer der Johanniter-Akut-Kliniken, ist in der Pandemie zugleich als Leiter des Zentralen Krisenstabes der Johanniter GmbH. Im Interview gibt er Auskunft zur Lage in den Johanniter-Krankenhäusern, zu Testungen und Impfung

Herr Dr. Krössin, die zweite Welle der Corona-Pandemie stellt das Gesundheitswesen, insbesondere die Krankenhäuser vor große Herausforderungen. Wie sind in der aktuellen Situation die Johanniter-Krankenhäuser aufgestellt?

Die Intensiv- und Beatmungskapazitäten wurden während der ersten Corona-Welle in all  Krankenhäusern auf über 330 Plätze erhöht. Um Intensiv-Pflegekräfte zu entlasten bzw. um unseren Pool an Pflegenden auf den Infektionsstationen zu erhöhen, haben wir Pflegende mit Basiskenntnissen in der Intensivpflege qualifiziert. Wir haben umgehend geschult und schulen auch weiterhin. 

Reichten diese Maßnahmen aus?

All unsere Maßnahmen haben nicht verhindern können, dass eine Überlastung der Intensivstationen zunehmend eintrat. Zusätzliche Kapazitäten können im Falle einer dramatischen Entwicklung der intensivpflichtigen Fallzahlen zeitnah durch Schaffung von Low Care Intensiv-Einheiten und Telemonitoring aufgebaut werden. Bundesweit fehlt den Krankenhausträgern das qualifizierte Personal auf den Intensivstationen, weil Mitarbeiter selbst unter Quarantäne stehen oder sich von den Folgen der Erkrankung – Stichwort Fatigue-Syndrom (Erschöpfung) – erholen müssen. Das ist die eigentliche Dramatik, die uns täglich in ihrer Dynamik einholt. Ärzte und Pflegende, die Menschen in der Verwaltung, in der Technik und in den Küchen - alle arbeiten hochkonzentriert, mit großer Verantwortung und Ernsthaftigkeit. Allen sind wir jeden Tag aufs Neue zu nachhaltigem Dank verpflichtet. Ihr Einsatz wird im kollektiven Bewusstsein der Johanniter bleiben.

Wie sieht es mit Schutzmaterialien aus?

Die Beschaffung von Schutzmasken, Schutzkitteln, COVID-19-Schnelltests ist aktuell nur ein relatives Problem und erfolgt in enger Abstimmung zwischen zentralen und dezentralen Corona-Krisenstäben. Über die Sommermonate konnten Reichweiten von vier Wochen für Medikamente, Schutzmasken, persönliche Ausrüstung etc. aufgebaut werden.

Für mehr Sicherheit sorgen mehr Testungen. Wie gehen Sie vor?

Unserer Teststrategie kommt eine zentrale Bedeutung zu. Wie ein Burginnenhof müssen Intensivstationen, Notfallambulanzen, Onkologische Bereiche etc. als letzte Bastion in einem Krankenhaus von COVID-19-Viren freigehalten werden. Unsere Mitarbeiter testen wir regelmäßig – möglichst wöchentlich. Auch unsere Patienten werden nach festgelegtem Verfahren engmaschig getestet. Der Goldstandard hierfür ist das PCR-Testverfahren (Polymerase Chain Reaction). Schnelltests zeigen das Ergebnis in ca. 15 Minuten an.

Sie sind promovierter Mediziner. Was sagen Sie Impfskeptikern?

Ein von der EU zugelassener und vom Robert-Koch-Institut empfohlener Impfstoff ist sicher. Vor der Zulassung durchläuft ein Medikament mehrere Testphasen. An Studien von Biontech/Pfizer haben sich 40.000 Teilnehmer beteiligt, an der Studie für den Moderna-Impfstoff 30.000. Bei dieser Art Impfstoff treten laut ständiger Impfkommission Langzeitschäden äußerst selten auf. Wer sich und andere schützen will, sollte sich impfen lassen.

Die Entwicklung des Impfstoffes ging überraschend schnell…

Ja. Blicken wir zurück: Von der Entdeckung des Penicillins 1928 bis zur industriellen Massenproduktion 1940 dauerte es für einen flächendeckenden Einsatz in Europa bis 1945. Am D-Day 1944 verfügten die Amerikaner bereits über 2,3 Millionen Impfdosen Penicillin, die an der Front zum Einsatz kamen. Diese zeitlichen und historischen Zusammenhänge veranschaulichen den unglaublichen wissenschaftlichen Fortschritt, den die Entwicklung der neuen Impfstoffe gegen das COVID-19-Virus vom ersten Auftreten im Dezember 2019 bis zur Publikation des neuen Impfstoffs am 09.11.2020 genommen hat. Innerhalb von 12 Monaten konnte mit einer völlig neuen Technologie ein Impfstoff mit einer Wirksamkeit von über 90 Prozent hergestellt werden. Im Vergleich dazu besitzt ein herkömmlicher Grippeschutz lediglich 60 Prozent. Ob das ein neuer historischer „Robert-Koch-Moment“ am 09.11.2020 war, werden wir in der Nachschau wissen.

Sie haben mit den Impfungen der Mitarbeiter begonnen. Welche Strategie verfolgen Sie dabei?

Wir empfehlen den Mitarbeitenden die Impfung. Impfungen können Ansteckungen eindämmen. Zudem ist das Risiko eines schweren COVID-19–Krankheitsverlaufs reduziert. Wir haben Ende Dezember/Anfang Januar mit den Impfungen begonnen, zuvorderst  bei den Teams der Risikobereiche, wie Infektionsstationen, Notfallambulanz, Intensivstation und Rettungsdienst. Bei weiterer Bereitstellung des Impfstoffs durch die Länder folgen Impfungen des medizinischen und pflegerischen Personals aller anderen Abteilungen nach persönlichem und arbeitsplatzbedingtem Risiko. Wir streben in unseren Kliniken eine Impfquote von mindestens 80 Prozent an. Wir setzen dabei auf Freiwilligkeit und das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeitenden für sich selbst und unsere Patienten.

Wagen Sie einen Ausblick auf die nahe Zukunft?

Die Situation verändert sich täglich. Fortwährend müssen neue Entscheidungen getroffen und alte überdacht werden. Wir haben aber viel aus der ersten Covid-19-Welle im organisatorischen, klinischen Krisenmanagement gelernt und sind nach menschlichem Ermessen bestmöglich vorbereitet, um auch bei einem weiteren Anstieg der COVID-19-Infektionen handlungsfähig zu bleiben. Nachdenklich stimmt, dass eine viel zu geringe Zahl von Impfchargen zur Verfügung steht und der Impfstoff viel zu spät durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) zugelassen wurde und nicht, wie in der Vergangenheit auf Bundesebene. Diese zeitliche Verzögerung wird vielen Menschen das Leben kosten.

Wichtig bleibt nach wie vor: Abstand halten, Maske tragen, Hände desinfizieren, Lüften und Kontakte weitestgehend vermeiden. Es ist noch lange nicht vorbei. Das Virus kennt keine Empathie. Aber Zuversicht ist unsere feste Burg.